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# taz.de -- Bilanz nach drei Monaten ÖPNV-Flatrate: Der Abschied vom 9-Euro-Ti…
> Das Billigticket war beliebt und hat CO2-Emissionen reduziert. Viele
> fordern eine Anschlusslösung, doch die Finanzierung ist unklar.
Bild: Sind nicht glücklich: Klimaaktivist*innen wollen, dass es mit dem günst…
Berlin taz | Christian Lindner steht am Montagmorgen am Bahnsteig 7 des
Berliner Bahnhofs Gesundbrunnen und zerreißt das [1][9-Euro-Ticket]. So
soll es zumindest aussehen. Eigentlich ist es eine Person, die sich eine
gigantische Maske des Bundesfinanzministers von der FDP aufgesetzt hat.
Auf den Schienen neben der Szene steht ein orangefarbener Zug, aus dem
viele Fähnchen und Schilder mit Herz-Symbolen für das 9-Euro-Ticket hängen.
Aktivist*innen von Campact, Greenpeace und Fridays for Future haben den
Sonderzug durch die Hauptstadt organisiert, um für eine Fortführung der
günstigen Flatrate-Fahrkarte oder ein ähnliches Angebot zu demonstrieren.
Mit dem Mittwoch läuft das 9-Euro-Ticket aus, das die Bundesregierung als
Teil ihres ersten Entlastungspakets in der Energiekrise befristet
eingeführt hatte. Für Juni, Juli und August konnte jede*r die Fahrkarte
für 9 Euro kaufen und damit für den jeweiligen Monat in ganz Deutschland
den öffentlichen Nahverkehr nutzen.
Die Nachfrage war riesig: Rund 52 Millionen der Tickets wurden gekauft,
[2][heißt es] beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Hinzu
kommen mehr als 10 Millionen Abonnent*innen, die also schon vorher Monats-
oder Jahreskarten hatten. Diese wurden in allen drei Monaten automatisch in
9-Euro-Tickets umgewandelt. Zählt man das mit, kommen also noch 30
Millionen Tickets obendrauf.
## Bund und Länder uneins
Von einem „echten Run auf die Tickets“ spricht Maike Schaefer, Senatorin
für Mobilität in Bremen und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der
Bundesländer, am Montagmittag. Die Verkehrsbranche, also der VDV, hat sie
gemeinsam mit weiteren Landesverkehrsminister*innen zu einer
gemeinsamen Pressekonferenz eingeladen.
„Das ist erst mal ein Erfolg“, so die Grüne. „Es ist aber nur wirklich e…
Erfolg, wenn es dann auch eine Nachfolgeregelung gibt, und die kann nicht
nur auf die Länder abgewälzt werden. Da hat der Bund eine Verantwortung.“
Das ist das Problem in wenigen Sätzen: Von einem Erfolg sprechen viele –
aber an Finanzzusagen für eine Fortführung mangelt es. Die drei Monate
haben 2,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt gekostet. Als die
Diskussion aufkam, [3][beklagte Finanzminister Lindner eine
„Gratismentalität“].
Und sein Parteifreund, der Bundesverkehrsminister Volker Wissing, will erst
einmal auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe warten – und sieht außerdem
die Bundesländer in der Pflicht, deren Verwaltungen für den Nahverkehr
zuständig sind. Auch er sieht in dem Projekt bisher aber übrigens einen
„großen Erfolg“, wie er schon zur Zwischenbilanz Mitte Juli sagte.
Die Länder befürchten, dass ein neues Ticket auf ihre Kosten gehen würde –
entweder direkt oder indirekt durch eine Kürzung oder auch nur Stagnation
der sogenannten Regionalisierungsmittel aus dem Bundeshaushalt. „Dann haben
wir mit Zitronen gehandelt“, sagt Winfried Hermann, grüner Verkehrsminister
in Baden-Württemberg. Schließlich brauche es auch für den Ausbau des
öffentlichen Verkehrs Geld.
## Konzepte über Konzepte
Ideen für ein neues Rabatt-Ticket [4][gibt es genug]: Die SPD geht mit
einem Vorschlag eines 49-Euro-Tickets in die Verhandlungen der
Bundesregierung über weitere Entlastungen in der Energiekrise. Der VDV
stellt sich ein bundesweit geltendes Ticket für 69 Euro vor. Der
Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung hat ein Modell zum Preis von 29 Euro ins Spiel gebracht.
Gewerkschaften setzen sich für eine Jahresvariante für 365 Euro ein.
Der VDV hat für seine Gesamtbilanz zum 9-Euro-Ticket 6.000 Interviews unter
Nutzer*innen geführt. Demnach hat es – anders, als es Schätzungen
zwischendurch ergeben hatten – auch einen positiven Klimaeffekt gegeben. 10
Prozent der Bahnfahrten hätten eine Pkw-Fahrt ersetzt, heißt es.
Der Verband geht davon aus, dass das zu einer Einsparung von 1,8 Millionen
Tonnen CO2 geführt. „Drei Monate 9-Euro-Ticket haben etwa so viel CO2
eingespart, wie ein Jahr Tempolimit auf Autobahnen bringen würde“, meint
VDV-Chef Oliver Wolff.
Der Sonderzug der Klimaaktivist*innen erreicht derweil sein Ziel: den
Berliner Potsdamer Platz. Von dort aus läuft die Gruppe, die aus mehreren
hundert Leuten besteht, zum Bundesfinanzministerium. Die Beteiligten bauen
sich vor dem verschlossenen Tor auf, schwenken ihre Schilder in der Luft
und warten. Heraus kommt niemand.
Auf die Mail mit der Bitte um Annahme von 400.000 gesammelten
Unterschriften hatte niemand geantwortet, sagt eine Pressesprecherin von
Campact. Die Gruppe versucht trotzdem, sich Gehör zu verschaffen. Auch
Luisa Neubauer von Fridays for Future ist darunter. „Natürlich braucht es
noch mehr“, räumt sie ein. „Aber wir sehen mit dem 9-Euro-Ticket: Wenn die
Ampelkoalition will, dann kann sie gute, gerechte und nachhaltige Politik
machen.“
29 Aug 2022
## LINKS
[1] /9-Euro-Ticket/!t5856150
[2] https://www.vdv.de/bilanz-9-euro-ticket.aspx
[3] /9-Euro-Ticket-und-Lindner/!5870327
[4] /Auslaufendes-9-Euro-Ticket/!5874560
## AUTOREN
Susanne Schwarz
Lena Wrba
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
9-Euro-Ticket
Verkehrswende
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365-Euro-Ticket
Christian Lindner
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