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# taz.de -- Wasserknappheit in Franken: Regenquartett beim Frühschoppen
> Das Wasser ist knapp, auch in Franken, wo unser Autor einen Gasthof
> betreibt. Glücklich ist da, wer einen eigenen Brunnen unterm Gemüsegarten
> hat.
Bild: Regentropfen fallen in eine Pfütze
Am Stammtisch ist weder [1][Frau Schlesinger] Thema, noch [2][die
documenta]. Nicht einmal die Gasumlage oder der Ukrainekrieg. Es ist das
Wasser, also das fehlende. Das Thema ist so dringend, dazu bräuchte es den
unreifen Apfel nicht, der auf dem langen Gartentisch landet. Die Obstbäume
in unserem Garten werfen ihre Früchte gerade zu Dutzenden unreif ab, weil
sie nicht genug Wasser haben. Der Knall des Apfels auf der Holzplatte gibt
dem Gespräch aber noch etwas mehr Drive.
Es hat am Vorabend geregnet, ein Sommergewitter, das erste nach langer
Zeit. Und so beginnt der Frühschoppen mit einem Niederschlagsquartett,
während die Männer sich unter dem Apfelbaum Weinschorlen mixen. 6 Liter pro
Quadratmeter zeigt mein Regenmesser, der Nachbar berichtet von 6,5 Litern,
eine Straße weiter wird mit 8 Litern angegeben. Aber: „Der Natur hilft das
alles nichts“, sagt der nächste und beendet unsere etwas hilflose
Kraftmeierei. Der Boden bräuchte viel mehr Wasser – viel, viel mehr.
Sofort wird das Gespräch politisch und landet dort, wo es in jüngster Zeit
häufig landet: bei den Wasserrechten. Wütend wird gefragt, wieder einmal,
warum die einen Winzer sich am Bach im Ort bedienen dürfen, das Wasser aber
für andere tabu ist, auch für die Handvoll Kleingärtner, die ihre Parzellen
an dem Rinnsal haben. Mit Gerechtigkeit habe das nichts zu tun, ist man
sich einig, aber – wir befinden uns in Bayern – mit der CSU wahrscheinlich
umso mehr.
Ich kann da nicht mitreden. Und dass ich das nicht kann, zeigt mir, [3][wie
wenig ich auf dem Land angekommen bin]. Ich habe zwar gelernt, im Garten
regelmäßig den Regenmesser zu beobachten – ein durchsichtiges Plastikrohr
an einer Stange, die im Rosenbeet steckt. Aber der Pegel darin sagt mir
wenig über die Nässe im Boden, der gelbe Rasen dafür etwas mehr.
Ich kann mich auch noch nicht so darüber aufregen, dass Weinbauern ihre
Tröpfchenbewässerung ausgerechnet in der heißen Mittagszeit aufdrehen
müssen statt in der Nacht. Dabei klingt es ziemlich bescheuert, zu wässern,
wenn am meisten verdunstet. Aber wie heißt es in Bayern? „Wer ko, der ko“.
Ich halte mich jedenfalls raus, erst recht, wenn am Tisch das Wort
Wasserklau die Runde macht.
Aber eines weiß ich: wann es zuletzt richtig aus Kübeln schüttete. Ende
Juni war das. Denn da stand ein Tanklaster im Hof und pumpte ein paar
Tausend Liter Heizöl in den Keller – zum Gegenwert eines fabrikneuen
Kleinwagens. Der Lieferant und ich waren völlig durchweicht. Fast täglich
denke ich an den Guss, immer wenn ich den Sprenger aufdrehe, um die Gurken
und Tomaten, die Auberginen und Zucchini zu gießen, die im Gemüsegarten
eben reif werden. Oder wenn mir einfällt, dass ich wieder vergessen habe,
den Sprenger abzudrehen, wie diese Nacht um zwei. Da hat mich der Gedanke
aus dem Schlaf geholt. Schon im Juni ist das Wasser im Garten mal eine
ganze Nacht gelaufen. Das Gemüse aber ist gut geraten und üppig gewachsen,
ich bereite damit täglich große Schüsseln mit Schmorgurken und
Tomatenbrotsalat zu.
Das Wasser, mit dem ich gieße, kostet mich nichts. Ich habe ein Gasthaus
mit einem eigenen, ziemlich wasserreichen Brunnen gepachtet. Dass das ein
Schatz ist, und was für einer, das haben mir die Herren vom Stammtisch
inzwischen ganz genau auseinandergesetzt.
30 Aug 2022
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## AUTOREN
jörn Kabisch
## TAGS
Kolumne Der Wirt
Wasser
Dürre
Landwirtschaft
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Gastronomie
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