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# taz.de -- Geschichten der Gäste: Sie ist Holmes, ich nur Watson
> Seit unser Autor weiß, dass jede Zimmerfrau eine forensische Detektivin
> ist, wird er seinen Müll nie wieder im Hotel liegen lassen.
Bild: Gäste hinterlassen so allerlei Spuren
Nie mehr werde ich ein Hotel oder eine Pension so betreten können wie noch
[1][vor ein paar Monaten]. Das hat nur einen Grund, und der heißt Petra.
Unsere Zimmerfrau sieht alles.
Ich bin so ein Anfänger. Wenn ich nach der Abreise von Gästen in ihr Zimmer
gehe, dann spüre ich gerade noch den fremden Schlaf, der langsam aus der
Bettwäsche weicht. Das Bad atmet noch feucht, ich erkenne, ob die Gäste
ihre eigene oder unsere Hotelseife benutzt haben – meist ist es unsere.
Aber sehr viel mehr sagt mir das Zimmer nicht.
Ganz anders Petra. Jedes Zimmer erzählt ihr Geschichten. Über das Aussehen
der Gäste etwa, und zwar weit mehr als Bartstoppeln im Waschbecken oder
Haare in der Duschwanne: Vielsagend sind etwa Schuhabdrücke auf der
Bettwäsche. Das kommt gar nicht so selten vor und sagt etwas über
Körpergröße, Geschlecht und im Falle von Profilsohlen über
Freizeitverhalten.
Mrs Holmes weiß auch, ob Gäste Hundebesitzer sind, selbst wenn sie ihr Tier
nicht mitgebracht haben. Wie sie das macht? Hundehaare auf der
Kofferablage, sonst aber nirgendwo im Zimmer sind ein untrüglicher Hinweis.
Diese Geschichten über Menschen, die Petra selten zu Gesicht bekommt, sind
knackig. So laden Körperabdrücke auf dem Glas der Duschkabine oder auch
lose gewordene Türflügel des Spritzschutzes zu allerlei wilden und mitunter
schlüpfrigen Spekulationen ein.
„Grobmotoriker“ ist Petras Kommentar, wenn ein Gast beim Schließen der
Vorhänge die Gardinenstange halb aus der Verankerung gerissen hat,
„Homöopath“, wenn der Fernseher ausgesteckt wurde oder „Sauigel“ bei
nämlichen Schuhabdrücken. Den Inhalt der Mülleimer lasse ich jetzt mal
außer Acht, nur so viel: Müll werde ich künftig nie mehr in Hotelzimmern
hinterlassen.
Interessant ist auch, was sich Gäste für den Aufenthalt im Hotel
mitbringen, was man dann bei der Zwischenreinigung sieht. Neben dem eigenen
Fön werden Minitauchsieder, tragbare Kühlschränke oder auch ein
Joghurtgerät an die Steckdose angehängt. Schlaf in fremden Betten zu
finden, [2][scheint für viele Menschen nicht leicht].
Sie haben nicht nur eigene Kissen dabei, sondern auch Bettdecken, manchmal
sind es auch nur die Überzüge, die getauscht werden. Auch die Glühbirnen
sind schon von Gästen gewechselt oder die Batterien aus dem Rauchmelder
ausgebaut worden, um das offenbar schlafraubende Blinken der Alarmgeräte
über dem Bett abzustellen. Für all das hat die Zimmerfrau Verständnis, über
„Leichtschläfer“ machen wir keine Witze.
Inzwischen erfahre ich über die Zimmer unserer Gäste, wenn überhaupt, erst
nach deren Abfahrt. Ich habe darum gebeten. Denn ich habe ständig mit
diesen Menschen zu tun. Und manche Bilder kriegt man einfach nicht mehr aus
dem Kopf.
2 Aug 2022
## LINKS
[1] /Wie-man-Wirt-wird/!5856397
[2] /Interview-mit-Schlafforscher-Ingo-Fietze/!5668430
## AUTOREN
Jörn Kabisch
## TAGS
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