# taz.de -- Urteil in Thailand: Putsch-Premier suspendiert | |
> Thailands Verfassungsgericht prüft, ob Ministerpräsident Prayut die | |
> Maximaldauer seines Amts überschritten hat. Die hatte das Militär selbst | |
> diktiert. | |
Bild: Proteste gegen den suspendierten Prayut in Bangkok | |
KUALA LUMPUR taz | Mit der Suspendierung von Prayut Chan-o-cha als | |
Ministerpräsident von Thailand setzte das Verfassungsgericht in Bangkok | |
einen juristischen und politischen Paukenschlag. Die Opposition hatte | |
beantragt, zu überprüfen, ob Prayut die verfassungsgemäße Maximaldauer | |
seiner Amtszeit überschritten habe. Die neun Richter nahmen ihr Gesuch | |
einstimmig an. Mit 5 gegen 4 Stimmen einigten sie sich anschließend darauf, | |
Prayut bis zu einer Entscheidung mit sofortiger Wirkung zu suspendieren. | |
Für die Verhandlung selbst gab das Verfassungsgericht noch keinen Termin | |
bekannt. | |
Die Opposition feierte die Entscheidung als Etappensieg einer in Thailand | |
selten zu erlebenden Rechtsstaatlichkeit. Und sie entbehrt nicht einer | |
gewissen Ironie: Die rechtliche Grundlage für den Antrag hatte Prayut | |
selbst geschaffen. | |
[1][Im Mai 2014 putsche] sich der damalige Armeechef General Prayut an die | |
Macht und setzte sich selbst an die Spitze der Militärjunta, genannt | |
„Nationaler Rat zur Erhaltung des Friedens“. Zunächst übergangsmäßig und | |
dann durch das Votum der vom Militär eingesetzten „Nationalen | |
gesetzgebenden Versammlung“, im Juni 2014 wurde Prayut auch | |
Ministerpräsident des Landes. | |
In der 2017 vom Militär diktierten neuen thailändischen Verfassung heißt | |
es, dass ein Ministerpräsident nicht länger als acht Jahre im Amt bleiben | |
darf. Dieses Verfallsdatum sieht die Opposition für Prayut nun als erreicht | |
an. | |
## Mehrheit durch Manipulation | |
Nach Ansicht von Prayut ist die Grenze von acht Jahren aber noch lange | |
nicht erreicht. In der Verfassungslesart des 68-Jährigen ist er | |
allerhöchstens seit der 2017 in Kraft getretenen Verfassung oder eher noch | |
seit der umstrittenen Parlamentswahl von 2019 Ministerpräsident. | |
Die Wahl hatten damals eigentlich die demokratischen Parteien gewonnen. | |
Durch die nachträgliche Änderung des Auszählungsverfahrens gelang es | |
Prayut, die eigentlich militärkritische Demokratische Partei in die | |
Pro-Regime-Allianz zu pressen, außerdem zogen elf Kleinstparteien mit je | |
einem Sitz ins Parlament ein. Damit sicherte er sich die Mehrheit. | |
Prayut war in dieser Woche nicht der einzige südostasiatische Machthaber, | |
der vom Rechtssystem in die Schranken gewiesen wurde: Am Dienstag | |
bestätigte das höchste Gericht Malaysias die Verurteilung von | |
Ex-Premierminister Najib Razak wegen Geldwäsche, Korruption und | |
Machtmissbrauch zu zwölf Jahren Gefängnis. Während Anhänger des noch immer | |
populären Najib bei der Urteilsverkündung in Tränen ausbrachen, freuten | |
sich die demokratisch gesinnten Bürger über den Sieg der | |
Rechtsstaatlichkeit. | |
Mit Blick auf die Wahl von [2][Ferdinand Marcos], Sohn des gleichnamigen | |
ehemaligen Diktators, zum neuen Präsidenten der Philippinen, twitterte der | |
Malaysier Pang Khee Teik: „Wir müssen aus der Lektion der Philippinen | |
lernen. Wir müssen dafür sorgen, dass Najibs Kinder nicht eines Tages ein | |
Comeback machen, Wahlen gewinnen, Geschichte umschreiben und das Image des | |
Vaters als missverstandenen Helden rehabilitieren. Diese Dynastie endet | |
jetzt. Alle Dynastien enden bitte.“ | |
## Zehntausende forderten bereits 2020 Rücktritt | |
Von den Philippinen über Indonesien bis nach Singapur und Malaysia | |
bestimmen Familiendynastien seit Jahrzehnten die Politik Südostasiens. Ein | |
weiterer, jüngster Fall ist [3][Kambodscha]: Der seit über 30 Jahren dort | |
autokratisch herrschende Premierminister Hun Sen hat gerade seinen Sohn Hun | |
Manet zum potenziellen Nachfolger gekürt. | |
In Thailand wird wohl der als Strippenzieher und Vertrauter Prayuts | |
bekannte stellvertretende Ministerpräsident Prawit Wongsuwan das Amt des | |
Regierungschefs kommissarisch übernehmen. | |
Folgt das Gericht der Argumentation von Prayut, könnte der aber bis 2025 – | |
oder im Falle eines Siegs bei der im März 2023 anstehenden Parlamentswahl | |
sogar bis 2027 – im Amt bleiben. | |
Bereits 2020 forderten Zehntausende Thais bei Demonstrationen den Rücktritt | |
Prayuts. Wegen der Coronapandemie gab es in den vergangenen zwei Jahren | |
jedoch kaum große öffentliche Proteste. Die Stimmung im Land hat sich aber | |
weiter verschlechtert. Prayut wird für die schlechteste Wirtschaftslage | |
Thailands der letzten 30 Jahre verantwortlich gemacht. | |
24 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Michael Lenz | |
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