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# taz.de -- Gendergerechte Sprache in Anträgen: Guten Tag Divers Max Mustermann
> Schleswig-Holstein bietet viele behördliche Anträge online. Die Auswahl
> im Feld „Anrede“ varriiert dabei. Im Extremfall führt dies zu
> Peinlichkeiten.
Bild: Guten Tag Mensch Max Mustermann, sind Sie vorbestraft? Schon besser…
Wer in Schleswig-Holstein eine Reisegewerbekarte beantragen möchte, um etwa
mit der eigenen Würstchenbude über die Dörfer zu ziehen, kann das ganz
bequem online machen. Das ist vorbildlich, spätestens bis Ende des Jahres
müssen Bund und Länder laut Onlinezugangsgesetz ihre
[1][Verwaltungsleistungen ohnehin elektronisch anbieten].
Aber wer sich dem Geschlecht „divers“ zugehörig fühlt – und zu Beginn d…
Anrede „Divers“ auswählt – sieht sich auf Seite sieben des Formulars
schrägen Fragen ausgesetzt: „Ist Divers Max Mustermann vorbestraft? Ist ein
Bußgeldverfahren […] gegen Divers Max Mustermann anhängig?“
Dabei sind gleich mehrere Dinge auffällig. Wieso ist hier überhaupt eine
Anrede notwendig? Selbst ein herkömmliches – und für manche Menschen
schlicht falsches – „Herr“ oder „Frau“ käme in diesen Fragen eher ge…
daher. Es würde auch der Name reichen.
Außerdem: Wieso ist „Divers“ eine Auswahl in der Kategorie Anrede? Divers
ist eine Bezeichnung für das Geschlecht eines Menschen, welches in diesem
Antrag sinnigerweise nicht abgefragt wird. Vielmehr müsste mensch hier frei
Schnauze wählen dürfen zwischen „Eure königliche Hoheit“, „Moin“ ode…
„Frau“ und „Herr“.
## Wieso bemerkt niemand den Fehler?
Doch zurück zum Ernsthaften: Wie kann es passieren, dass beim Ändern eines
solchen Antrags – vielleicht nach dem [2][Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 2017] – niemand am Ende darüber stolpert,
dass die Formulierung spätestens hier absolut keinen Sinn mehr ergibt? Vor
fünf Jahren urteilte das Gericht, dass es in Deutschland [3][eine dritte
Option] bei der Angabe des Geschlechts geben muss. Seither gab es Urteile,
nach denen diese Entscheidung auch Auswirkung auf den Umgang im
Schriftverkehr mit Kund*innen hat.
Darüber gestolpert ist Anfang der Woche Jessica Kordouni von den Grünen,
die kürzlich ihr Mandat im Kieler Rat niedergelegt hat – aus beruflichen
Gründen, berichteten die Kieler Nachrichten. [4][Sie twitterte den
Screenshot] der Absurdität, schrieb dazu „Das sollte dringend korrigiert
werden.“
Zieht sich das Kuriosum auch durch andere Online-Anträge des Landes? Es ist
sogar noch schlimmer: Bei der Sichtung verschiedener Anträge finden sich
immer mehr Varianten. Meist ist das Ausfüllen des Feldes „Anrede“ Pflicht.
Selten gibt es dann die Möglichkeit, „keine Angabe“ anzuklicken. Oft hat
mensch lediglich die Wahl zwischen „Herr“ und „Frau“. So ist es zum
Beispiel beim Antrag für einen Parkausweis für Anwohner*innen in
Flensburg – im Original als „Bewohnerparken“ betitelt. Auch wer seine
Lehrzeit verlängern möchte, muss sich als Mann oder Frau identifizieren.
Manchmal ist die Anrede optional – beispielsweise beim Erstellen eines
Kontos für das große Serviceportal Schleswig-Holstein. Das benötigt
beispielsweise, wer in den Kommunen Wohngeld online beantragen möchte, in
denen das bereits geht.
Dass es keine einheitliche Variante gibt, nicht einmal auf einem Portal,
wirft kein gutes Licht auf die Gleichstellungsambitionen des Landes. Und
dieser Einzelfall – ist es wirklich einer? – ist dazu noch peinlich.
24 Aug 2022
## LINKS
[1] /Lahme-Digitalisierung-in-Deutschland/!5862189
[2] /Beschluss-des-Bundesverfassungsgerichts/!5458877
[3] /Aenderung-des-Geschlechtseintrags/!5747510
[4] https://twitter.com/jess_kordouni/status/1561608488509390850?ref_src=twsrc%…
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Schleswig-Holstein
Gendergerechte Sprache
Digitalisierung
Transpersonen
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Digitalisierung
Digitalisierung
Kolumne Unisex
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