| # taz.de -- Die Wahrheit: Masken des Grauens | |
| > Das lebende Bein. Eine Fortsetzungs-Story der etwas anderen Art (Teil 10 | |
| > und Ende). Heute: Baxter erfährt final einfach alles. | |
| Bild: Wird Baxter endlich das dritte, das lebende Bein finden? | |
| Was bisher geschah: Bei Baxter, einem Ex-Geheimdienstler mit Goldfisch, | |
| taucht nach 35 Jahren Joane wieder auf, seine alte Liebe. Im Gepäck hat sie | |
| eine knifflige, ja blutrünstige Frage: „Was hat es mit dem lebenden Bein | |
| auf sich?“ Mörderisch spannende Nachforschungen nehmen ihren Lauf … | |
| Baxter wusste für einen Augenblick nicht, was er als nächstes tun sollte. | |
| Der ohrenbetäubende Knall, der gerade das Stimmengewirr am Terminal | |
| zerrissen hatte, verwirrte ihn. Er schnappte sich die Tüte mit Koi und | |
| stürmte am Sicherheitspersonal vorbei direkt ins Flugzeug hinein. Mit gutem | |
| Recht. Erstens hatte er 9,99 Euro für das Ticket bezahlt, zweitens mussten | |
| die drei Cancan tanzenden Beine auch nicht warten, und drittens musste er | |
| sich auf der Bordtoilette auf den unvermeidlichen Showdown vorbereiten. | |
| Baxter spürte gerade noch, wie ihm ein Sack über den Kopf gestülpt wurde. | |
| „Verdammter Sack!“, entfuhr es ihm, bevor er die Besinnung verlor. Dann | |
| hörte er, dass das Flugzeug mit einem anderen zusammencrashte, noch bevor | |
| die Stewardess Champagner servieren konnte. Die Stewardess war ihm | |
| irgendwie seltsam bekannt und vertraut vorgekommen … | |
| Als er wieder erwachte, lag er anscheinend auf einer bequemen Liege und | |
| neben ihm tanzten – er konnte es kaum glauben – die drei Beine, die ihm am | |
| Flughafen schon aufgefallen waren, zu Offenbachs „Barcarole“ Cancan. | |
| ## Maskierter Milliardär | |
| Anscheinend befand Baxter sich auf einer unbekannten Insel zwischen Xanten | |
| und Trier, die einem kriminellen Milliardär gehörte. Wo mochte der stecken? | |
| Plötzlich stürmte ein hochgewachsener Maskierter heran. „José Eusebio | |
| Caramance y Sirloin, mein alter durchgeknallter Sparringspartner aus der | |
| Zierboxbude!“, entfuhr es Baxter atemlos. „Ich dachte, du wärest …“ Ba… | |
| stockte. José vollendete den Satz für ihn: „… tot? Harr, harr, nicht so | |
| tot, wie du bald sein wirst, komm, folge mir nach!“ | |
| José lotste ihn zu einem unterirdischen Vulkan, in dem er seine geheime | |
| Schaltzentrale versteckt hatte und deutete auf einen absurd großen | |
| Bildschirm, der das gesamte Weltgeschehen zeigte. Baxter stockte beinahe | |
| der Atem. Überall schienen sich einzelne Beine zusammenzurotten. Was hatte | |
| José vor? Wollte er etwa die Weltherrschaft ergreifen? | |
| „Willst du … willst du etwa die Weltherrschaft ergreifen?“, stotterte er. | |
| „Harr, harr, nichts geringeres als das, und zwar pronto!“, lachte José | |
| dröhnend. Und dann geschah etwas, womit Baxter im Traum nicht gerechnet | |
| hätte. José Eusebio Caramance y Sirloin fasste sich an den Hals, krallte | |
| sich in die Haut und … und zog sich mit einer schwungvollen Bewegung sein | |
| Gesicht vom Kopf! Was darunter zum Vorschein kam, raubte Baxter fast den | |
| Atem! „Oma Trude?“ Oma Trude lachte, fasste sich abermals an den Hals und | |
| zog auch das Trude-Gesicht vom Kopf. Darunter steckten – Baxter hatte es | |
| fast erwartet – die drei vollbärtigen Vollspacken aus dem Zug. Doch noch | |
| ehe er sich an diesen Gedanken gewöhnen konnte, zogen sich die Vollspacken | |
| ihre Gesichter herunter und enthüllten … „Doktor Meimers?!?“ Damit hatte | |
| Baxter nicht gerechnet. | |
| Doch Doktor Meimers ließ ihm keine Atempause. Er zog sich das Gesicht vom | |
| Kopf – und nun glaubte Baxter, ohnmächtig zu werden: Koi! Sein getreuer | |
| Koi! „O nein, nicht auch du, Koi, mein getreuer Koi!“ Koi guckte verlegen | |
| und zog sich sein Schuppenkostüm vom Körper. Darunter erblickte Baxter zu | |
| seinem Entsetzen nur Gräten. Hatte der Spuk jetzt ein Ende? | |
| Aus den Augenwinkeln vermeinte Baxter, einen huschenden Schatten zu sehen. | |
| Geistesgegenwärtig folgte er ihm in ein geheimes Spiegelkabinett. Und da | |
| stand sie … | |
| ## Blutrotes Samtkleid | |
| Der Anblick raubte Baxter beinahe den Atem: Joane war in ein zauberhaftes, | |
| eng anliegendes, blutrotes Samtkleid von Dior mit tiefem Ausschnitt und | |
| kleiner Schleppe gewandet. In Fußhöhe linsten genau dreiundzwanzig | |
| schwarzbehaarte Zehen durch einen winzigen Schlitz. Dann geschah etwas, was | |
| sich Baxter selbst in seinen schlimmsten Albträumen nie hätte vorstellen | |
| können: Joane griff an ihren Hals und riss sich ihr Gesicht vom Kopf! | |
| Darunter steckte … Baxter wurde ohnmächtig … | |
| Unter der Joane-Maske steckte sein alter Bruder Scott! Scott lachte: „Hast | |
| du etwa ernsthaft geglaubt, ich würde mein Leben lang nur Kartoffeln zu | |
| Pommes schnitzen?“ Baxter schüttelte sich. „Dann warst du also all die 35 | |
| Jahre …?“, fragte er verunsichert. „Ja!“, antwortete Scott versonnen, �… | |
| die 35 Jahre“. | |
| Verziert boxte er Baxter in die Seite. Gemeinsam schauten sie in die rote | |
| Sonne, die irgendwo im Meer zwischen Xanten und Trier versank. Nach einer | |
| Weile fragte Baxter: „Du, Scott?“ – „Ja, Baxter?“ – „Was genau ha… | |
| jetzt mit dem lebenden Bein auf sich?“ Scott zog seine Augen zu | |
| bedrohlichen Schlitzen zusammen, hinter denen es gefährlich funkelte: „Das | |
| klären wir nächsten Sommer.“ | |
| Irgendwo spielte ein Radio „Perfect Day“ von Lou Grant … | |
| 19 Aug 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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