# taz.de -- Die Wahrheit: Appe Zehen für die Neffen | |
> Das lebende Bein. Eine Fortsetzungs-Story der etwas anderen Art (Teil 8). | |
> Heute: Baxter im Bus mit den Buben …. | |
Bild: Hingen alle abgesägten Körperteile wahr und wahrhaftig am lebenden Bein? | |
Was bisher geschah: Bei Baxter, einem Ex-Geheimdienstler mit Goldfisch, | |
taucht nach 35 Jahren Joane wieder auf, seine alte Liebe. Im Gepäck hat sie | |
eine knifflige, ja blutrünstige Frage: „Was hat es mit dem lebenden Bein | |
auf sich?“ Mörderisch spannende Nachforschungen nehmen ihren Lauf … | |
Die vier vollbärtigen Vollspacken um die dreißig verstauten ihre Rucksäcke | |
eigenhändig im Laderaum zwischen Vorder- und Hinterachse des Flugzeugs. | |
Baxter hätte sich über diese informelle Art des Boardings wohl gewundert, | |
hätte ihn nicht die Beobachtung von Joane und deren ominösem Begleiter | |
komplett absorbiert. | |
Leider vergeblich, denn er hatte die beiden gar nicht ins Flugzeug steigen | |
sehen. Na gut, er hatte auch nicht die ganze Zeit über hingeguckt. | |
Vielleicht hatten sie ja ebendiesen kurzen Moment seiner erlahmenden | |
Aufmerksamkeit genutzt. Zufälle gab es ja. | |
„Gibt ja Zufälle“, murmelte Baxter vor sich hin, und erinnerte sich an | |
einen anderen Zufall vor Jahren, als mal ein kleiner Eiszapfen vom Dach des | |
Hauses gegenüber abgebrochen und exakt an der Stelle auf den Bürgersteig | |
geplumpst war, in deren, wenn auch nicht unmittelbarer, Nähe Baxter nur | |
wenige Monate zuvor beinahe vorbeigegangen wäre. Das hätte was geben | |
können, sein lieber Scholli. | |
„Mein lieber Scholli“, seufzte Baxter. Er verließ das „Eat & Fly“, und… | |
seinen Hartschalenkoffer mit den Wummen ebenfalls in den Laderaum. Den | |
Goldfisch nahm er lieber mit an Bord. Man wusste ja nie. | |
Im Flieger kam Baxter mit den Spacken ins Gespräch. Sie hießen Fick, Frick, | |
Frack und Fuck und waren vier Neffen, also untereinander Brüder, und Neffen | |
von jemand anderem; von wem genau, sagten sie nicht. Das war anscheinend | |
ein Geheimnis. | |
Dafür fanden sie sein Schuhwerk toll. Baxter hatte sich Flipflops mit | |
Pattex unter die Fußsohlen geklebt, da die Latschen ohne seine Großen | |
Zehen, die er im Zug nach Xanten eingebüßt hatte, nicht am Fuß hielten, und | |
die Hipster-Hirnis hielten das für eine abgefahrene Mode. Sofort begann | |
auch Fuck damit, sich mit dem scharfen Deckel einer Erdnussdose den Großen | |
Zeh abzusägen. Seine verblödeten Mitneffen feuerten ihn dabei an. | |
## Der höchst mysteriöse Onkel | |
Baxter, der die Bemühungen der Knalltüte mit Verachtung verfolgte, hatte | |
plötzlich eine Eingebung: Appes Bein, apper Zeh – hatten die Buben | |
vielleicht doch mehr mit dem Fall zu schaffen als zunächst angenommen? | |
Immerhin waren Beine, Füße und Zehen ja verwandte Körperteile, und außerdem | |
war da noch der mysteriöse Onkel der vier Blödiane. Was hatte der damit zu | |
tun? Er griff zum Funkgerät: Tante Trude sollte das zu Hause googeln. | |
Die Aufregung machte den Ermittler hungrig. Er wickelte den Rest | |
Leberwursttorte aus, den er vorhin im Flughafenrestaurant nicht mehr | |
geschafft hatte, und schlang ihn mit einem Happs herunter. | |
Eine Übersprungshandlung eigentlich nur, die aber half. Denn endlich rollte | |
der Flieger los, quälte sich durch die verstauten Suburbs von Weeze, und | |
nahm erst auf dem Autobahnzubringer Fahrt auf. Er hob allerdings nicht ab. | |
Kein Wunder, besaß er doch, wie Baxter nun bemerkte, keine Tragflächen. | |
Blitzschnell kombinierte er: Er befand sich in einem Reisebus, und dieser | |
dürfte kaum San Diego zum Fahrtziel haben. Das hätte ja sonst endlos | |
gedauert. | |
„Fick“, sagte er halblaut. „Nein, nicht du.“ Der erste Fehler überhaup… | |
seinem Leben und dann gleich so einer: Er musste das Rollfeld mit der | |
Flughafenbushaltestelle verwechselt haben. Heiliger Hering! Zum Glück | |
schlummerte Koi friedlich in seiner Plastiktüte; der hätte ihn sonst | |
wahrscheinlich kielgeholt. Die Geschichte entpuppte sich immer mehr als | |
einziger Alptraum, geplottet von durchgeknallten Alptraumskriptautoren, | |
denen das Methadon in der Pfanne sauer geworden war. | |
„Wohin fahren wir?“, fragte er Frack. | |
„Bronschwaich“, brummte der junge Mann in seinen, mit im Szenejargon | |
euphemistisch „Herrenschokolade“ genannten, verschmierten Vollbart. | |
Mist, dachte Baxter, da will ich nicht hin, und es wurde gleich noch | |
Mister. Denn als er aus dem Kabrio-Doppeldeckerbus, der bei dem Wetter | |
natürlich mit offenem Verdeck fuhr, nach oben in den niederrheinischen | |
Himmel mit seinen schäfchenweißen Wolken blickte, sah er dort einen Airbus | |
Micra im Steigflug über sich. Mit seinen doppelt gelaserten Augen erkannte | |
er einen langsam von dort herabsegelnden, bunt gescheckten Trenchcoat sowie | |
zwei Personen, die aus dem Flugzeugfenster hämisch zu ihm herunterwinkten: | |
Es waren Joane und neben ihr, nein, das konnte doch nicht wahr sein … | |
12 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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