| # taz.de -- Wachwechsel in Mali: Frankreich geht, Russland kommt | |
| > Die letzten französischen Soldaten haben Mali verlassen. Deutsche | |
| > UN-Soldaten in Gao wollen jetzt bereits Russen erspäht haben | |
| Bild: Französische Soldaten in Gao, beim Beginn ihres Abzugs 2021 | |
| Cotonou taz | Zum Schluss wirkte es wie eine Erleichterung. Fast zeitgleich | |
| zum zweiten Jahrestag des Militärputsches von 2020 verließen am Montag die | |
| letzten Soldat*innen der französischen Antiterrormission Barkhane Mali. | |
| „Die letzte Barkhane-Einheit auf malischem Boden hat um 13 Uhr die Grenze | |
| von Mali nach Niger überschritten“, [1][gab der französische Generalstab | |
| bekannt]. | |
| Es handelte sich um Soldaten in Gao, wo die Franzosen den Flughafen | |
| sicherten, auf dem auch der Großteil des [2][deutschen UN-Kontingents in | |
| Mali] stationiert ist. Neuer Standort für Barkhane ist nun Niger, wo anders | |
| als in Mali und Burkina Faso mit Mohamed Bazoum ein gewählter Präsident | |
| an der Spitze steht. | |
| Die Bilanz des neun Jahre währenden französischen Einsatzes in Mali ist | |
| miserabel: 59 Angehörige der Mission starben, während sich die | |
| Sicherheitslage weiter verschlechtert hat. 2012, als der Einsatz unter dem | |
| Namen „Serval“ begann, ging es um die Rückeroberung des Nordens von Mali | |
| von bewaffneten Islamisten; heute beherrscht Gewalt auch das Zentrum von | |
| Mali sowie die Nachbarländer Burkina Faso und Niger. | |
| „Frankreich war einst Malis bevorzugter Partner“, sagt in Bamako der | |
| Soziologe Yacouba Dogoni im Gespräch mit der taz. „Da er aber das Ziel | |
| nicht erreicht hat, hat man nach anderen Lösungen gesucht.“ Für Malis | |
| Militärs, die 2020 die Macht ergriffen, lautet die andere Lösung: Russland. | |
| Vor knapp einem Jahr wurden die ersten Gespräche über eine Kooperation mit | |
| der russischen Sicherheitsfirma Wagner bekannt. Russland sei „Malis neuer | |
| Gendarm“, so Dogoni. | |
| ## Alte Verbindungen zu Moskau | |
| Die Verbindungen zwischen Bamako und Moskau sind alt. In den 1960er Jahren | |
| belieferte die damalige Sowjetunion die malischen Streitkräfte mit | |
| Ausrüstung. Viele malische Offiziere wurden in der Sowjetunion und später | |
| in Russland ausgebildet, auch manche der jetzt herrschenden Putschisten. | |
| Für sie gilt Russland als fairer Partner, während sie Frankreich vorwerfen, | |
| islamistische Terrorgruppen mit Waffen und Munition versorgt zu haben. | |
| Deswegen beantragte Malis Außenminister Abdoulaye Diop am Mittwoch eine | |
| Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. | |
| Gerade rund um Gao galt Barkhane allerdings als Puffer gegen bewaffnete | |
| Gruppen. „Es gibt eine große Beunruhigung in der Bevölkerung“, sagt | |
| gegenüber der taz Issa Boncana, Präsident des „Jugendrates“, einer | |
| zivilgesellschaftlichen Gruppe in Gao. Barkhane habe sich nicht nur um | |
| Sicherheitsfragen gekümmert. „Sie haben Jugendlichen Jobs geboten und die | |
| Menschen vor Ort begleitet.“ | |
| Neue Angriffe der bewaffneten Islamisten mehren sich bereits. JNIM (Gruppe | |
| für die Unterstützung des Islams und der Muslime) soll am Wochenende vier | |
| Wagner-Söldner getötet haben. Eine Woche zuvor tötete der ISGS | |
| („Islamischer Staat in der Großen Sahara“) im Militärcamp Tessit 42 | |
| Soldaten. Vor vier Wochen sorgte eine Reihe von Angriffen nahe der | |
| Hauptstadt Bamako für Aufsehen. | |
| Eine negative Bilanz fällte am Montag Alioune Tine, unabhängiger | |
| UN-Menschenrechtsexperte für Mali, in seinem [3][neuen Bericht] nach einer | |
| Reise durch das Land. Er konstatiert eine „rapide, kontinuierliche und | |
| allgemeine Verschlechterung der Sicherheitslage in Mali“. 1.304 | |
| Menschenrechtsverletzungen wurden in der ersten Jahreshälfte registriert, | |
| etwa doppelt wie in den sechs Monaten zuvor. Verantwortlich dafür seien | |
| Terrorgruppen, russische Soldaten und die malische Armee. | |
| „Ich habe Opfer mit sichtbaren Spuren fürchterlicher Folter gesehen, die | |
| sie durch malische Sicherheitskräfte erlitten haben sollen“, schreibt Tine. | |
| Als Beispiel beschreibt er, dass Opfer sich „nackt auf in der Sonne | |
| erhitztes Blech legen mussten“, mit der Folge „fürchterlicher | |
| Verbrennungen“. | |
| Um Wagner ranken sich viele Spekulationen. Es ist unklar, wie viele Russen | |
| tatsächlich im Land sind. Am Dienstag wurde berichtet, dass deutsche und | |
| britische UN-Soldat*innen in Gao bereits die Landung mutmaßlich | |
| russischer Kräfte beobachtet haben wollen. „Nahezu sicher“ sei man sich | |
| dessen, heißt es unter Berufung auf einen Bericht des | |
| Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. | |
| Das Bundesverteidigungsministerium hat nach Angaben einer Sprecherin | |
| „Kenntnis“ davon, dass am Montag auf dem Flughafen Gao ein Flugzeug im | |
| Einsatz war, das möglicherweise von Russland an Mali übergeben wurde. „Uns | |
| erreichen Informationen, dass circa 20 bis 30 Personen, die nicht den | |
| malischen Streitkräften zuzuordnen waren, bei Be- und Entladetätigkeiten an | |
| diesem Flugzeug in einem Hangar gesichtet wurden“, sagte sie. Diese | |
| Meldungen würden nun „intensiv geprüft“. Ein Sprecher des Auswärtigen Am… | |
| sprach am Mittwoch in Berlin von einer „mutmaßlichen Präsenz russischer | |
| uniformierter Kräfte“ in Gao. Das eine Entwicklung, „die das Missionsumfeld | |
| verändert“. | |
| Issa Boncana in Gao sagt dazu: „Davon weiß ich nichts.“ In Bamako betont | |
| Soziologe Dogoni: „Die Bevölkerung fordert verstärkt eine bessere | |
| Grundversorgung ein.“ Der in vielen Regionen abwesende Staat müsse wieder | |
| Präsenz zeigen. „Das schafft Sicherheit.“ | |
| 17 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.defense.gouv.fr/actualites/operation-barkhane-re-articulation-f… | |
| [2] https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/mali-einsaetze/minusma-bu… | |
| [3] https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/countries/ml/2022-08-15… | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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