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# taz.de -- Vorteilsnahme und Verschwendung: Die Massage ist die Message
> Man kann der Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger dankbar sein: Sie
> war so geizig, dass sie weder Grenzen noch Vorsicht kannte.
Bild: Wer die Polizeipräsidentin einlädt, sollte Privates und Berufliches tre…
RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat ihren Posten endgültig verloren.
Am Montagabend wurde sie vom Rundfunkrat abberufen. Zum Verhängnis wurden
ihr drei große V: Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung. Das
meiste davon ist nicht strafbar – und vieles sogar üblich in ihren Kreisen.
Ein gutes Beispiel ist der Dienstwagen mit „Massagesitzen“, der für so viel
Aufregung sorgte. Dieser Luxus-Audi A 8 kostet regulär 145.000 Euro, aber
der RBB bekam ihn sehr viel günstiger, wie das Magazin Business Insider
recherchiert hat. Dank eines Rabattes von knapp 70 Prozent betrug die
Leasinggebühr pro Monat nur ganze 457,21 Euro. Das ist ein Schnäppchen und
selbst für den armen RBB mühelos zu stemmen.
Pikant ist aber, wie dieser Rabatt bei Audi heißt: nämlich
„Regierungspreis“. Systematisch sponsert die deutsche Autoindustrie die
Luxusgefährte der MinisterInnen in Berlin und in den Ländern. Ganz harmlos
heißt dies „Marketing“. Die Wahrheit ist viel härter: Es handelt sich um
Lobbyismus. Die MinisterInnen sollen auf ihren eigenen Pobacken erleben,
wie weich und sanft eine deutsche Luxuskarosse dahingleiten kann. Wer
dieses sinnliche Erlebnis genossen hat, so hofft die Autoindustrie, wird
niemals am staatlichen Dienstwagenprivileg rütteln, das die Konzerne
indirekt mit Milliarden subventioniert.
Doch über diesen frechen Lobbyismus namens „Regierungspreis“ wird bisher
nicht diskutiert. Stattdessen gilt als Skandal, dass Schlesinger dieses
Schnäppchen ebenfalls nutzte. Da verrutschen Kategorien.
## Offiziell genehmigt
Um Missverständnisse zu vermeiden: [1][Schlesinger neigte zweifellos zur
Gier], aber teuer war nicht das Auto, sondern ihr Fahrer, den sie auch zu
privaten Zwecken nutzen durfte. Sein Gehalt ist nicht bekannt, aber
natürlich verdient er monatlich das Vielfache der Leasinggebühr. Dieser
Chauffeur war zwingend in der Schlesinger-Logik, [2][denn Massagesitze
entspannen nur, wenn man nicht selbst steuern muss.]
Schlesinger hat sich jedoch nicht heimlich bereichert: Der teure
Privatchauffeur wurde vom RBB ganz offiziell genehmigt. Dies gilt auch für
ihr üppiges Gehalt von 303.000 Euro im Jahr. Der Skandal ist nicht, dass
Schlesinger unangemessen verdiente, sondern dass der gesamte
öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem Selbstbedienungsladen verkommen
ist.
WDR-Intendant Tom Buhrow zum Beispiel erhielt 2021 stattliche 413.000 Euro
im Jahr. Im Alter darf er sich dann auf eine überaus üppige Pension freuen,
für die der WDR schon jetzt Millionen Euro zurückstellt. Trotzdem tut
Buhrow so, als wäre Schlesinger eine Ausnahmeerscheinung: „Wir sind alle in
der ARD inzwischen enttäuscht und auch wütend“, ließ Buhrow in einem
Interview verlauten. Zu befürchten ist, dass er mit dieser Scheinheiligkeit
durchkommt – und nicht weiter über die Gehälter der anderen Intendanten
diskutiert wird.
Schlesinger stolpert nicht, weil sie zu viel verdient hätte, sondern weil
sie in ihrer Gier so kleinlich ist, dass sie noch nicht einmal vor Betrug
zurückschreckte. Die Untersuchungen laufen zwar noch, aber der Verdacht
liegt nah, dass sie private Abendessen in ihrer Wohnung beim RBB als
dienstlich abgerechnet hat. [3][An einem dieser Diners hat die Berliner
Polizeipräsidentin Barbara Slowik teilgenommen], die ganz erstaunt war, als
sie erfuhr, dass es sich um ein Dienstessen gehandelt haben soll. Slowik
erinnert sich an eine „Einweihung der neuen Wohnung mit Freunden“.
## Peanuts für die Großverdienerin
Wie Bild berichtet hat, kostete dieses Essen im Februar 2022 genau 1.154,87
Euro. Insgesamt gab es wohl neun Runden dieser Art.* Das sind Peanuts für
die Großverdienerin Schlesinger. Aber wenn es tatsächlich Betrug war, wird
sie wegen dieser Bagatellbeträge ihre Stellung, ihren Status, ihre
Einkünfte und Teile ihrer Pensionsansprüche verlieren. Denn Betrug ist eine
Straftat.
Schlesingers dumme Gier ist selten in den Oberschichten. Alle anderen
bereichern sich legal. Insofern muss man der RBB-Intendantin sogar dankbar
sein, dass sie so geizig war, dass sie weder Grenzen noch Vorsicht kannte.
Durch Schlesinger gerät in den Fokus, was in ihren Kreisen als
selbstverständlich gilt.
*In einer früheren Version dieses Textes hieß es, in der Summe ginge es bei
Kosten für Schlesingers Essen um etwa 10.000 Euro. Diese Hochrechnung kann
die taz jedoch nicht belegen. Wir haben die Passage geändert.
15 Aug 2022
## LINKS
[1] /Medienexperte-ueber-Schlesinger-Affaere/!5871536
[2] /Teure-Staatssekretaere/!5059322
[3] /RBB-Intendantin-Patricia-Schlesinger/!5870432
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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