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# taz.de -- Schlesinger, Feminismus und der RBB: So beschissen wie Männer?
> Als Intendantin modernisierte Patricia Schlesinger den RBB. Dann
> veruntreute sie mutmaßlich Gelder. Ist ihr Scheitern dennoch
> feministisch?
Bild: Was man über sie liest, ist äußerst unangenehm. Patricia Schlesinger
Zehn Jahre ist die Gründung von Pro Quote Medien dieser Tage her, dem
Verein, der zunächst 30, dann 50 Prozent Frauen in Führungspositionen in
den Medien forderte. [1][Die Forderung zu vertreten], erforderte
Rechtfertigungsdruck. Das Argument, Gleichstellung sei erst dann erreicht,
wenn Frauen die Möglichkeit hätten, sich genauso beschissen zu verhalten
wie Männer, hat erstaunlich gut funktioniert. Das konnten Männer nehmen.
Im Jahr 2016 wurde [2][Patricia Schlesinger Intendantin] des RBB. Sie war
damit erst die vierte Frau, die einen solchen Posten übernahm, aus 92
Intendantenpositionen innerhalb der ARD seit 1947. Und die dritte Frau, die
den ARD-Vorsitz führte, gegenüber 39 Männern. Pro Quote und ich haben
gejubelt. Zusammen mit unzähligen anderen Frauen und Männern, die die
männliche Dominanz in der Führung der Gesellschaft und der Medien für
unzeitgemäß halten. Patricia Schlesinger ist eine hervorragende
Journalistin, sie steht für gesellschaftliche Veränderung und erschien
offen und sympathisch. Bingo.
Bereits am Freitag ist sie [3][vom ARD-Vorsitz zurückgetreten],
Sonntagabend auch als Intendantin des RBB. Sie habe in Sachen Finanzen
nicht ausreichend zwischen Geschäftlichem und Privatem unterschieden, heißt
es. Der Verdacht von Vetternwirtschaft liegt schwer in der Luft, am
Wochenende wurde bekannt, dass sie rund 650.000 Euro für die Neugestaltung
ihrer Büroräume ausgegeben haben soll. Von italienischem Parkett ist die
Rede und einer begrünten Wand für knapp 8.000 Euro. Gebührengelder. Nicht
ihr eigenes. Erinnerungen an den Bischof von Limburg werden wach.
Die Frau, die so viel Richtiges für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
wollte, die seine Modernisierung innen wie außen vorangetrieben hat, hat
ihm den wohl größtmöglichen Bärendienst erwiesen. Eine bessere Vorlage
hätte man den Zersetzern der Demokratie, den Kritiker*innen des
öffentlich-rechtlichen Systems, denen, die es anfeinden und abschaffen
wollen und die in „denen da oben“ ein grundsätzliches Problem ausmachen,
nicht erweisen können. Sie fühlen sich in all ihrer – freundlich
ausgedrückt – Abneigung bestätigt. Häme ist da noch ihr harmlosester
Ausdruck.
Man schaut mit ungläubigem und fasziniertem Grausen auf das Debakel, auf
eine Verfehlungsliste, die nach der Gier der Macht riecht. Danach, das Maß
verloren zu haben, aber auch Einschätzungsvermögen und Anstand. Es ist der
gleiche Ekel, der einen beschleicht, wenn man von den Millionenboni der
Vorstände erfährt, die gerade ein Werk dichtgemacht haben, oder von
Christian Lindner hört, der eine „Gratismentalität“ ausmacht, wenn Mensch…
die Fortführung des 9-Euro-Tickets fordern. Die Enthüllungen werden
vermutlich die nächsten Tage weitergehen. Ebenso die Empörung.
Und die Hassgülle wird das Netz weiter schwemmen. Was aber auch da ist, ist
die Enttäuschung. Eine unglaubliche Enttäuschung über ein unglaubliches
Versagen. Patricia Schlesingers falsches Handeln, das zu dem richtigen
Schluss – der Aufgabe ihrer Ämter – führt, macht mehr kaputt als nur ihre
Karriere. Es schmerzt alle, die seit Jahrzehnten dafür kämpfen, dass Frauen
alle Positionen in diesem Land offenstehen. Die dafür kämpfen, dass Frauen
an die Macht kommen. Nicht nur, weil Frauen dieses Recht zusteht, sondern
auch, weil es den Gedanken gibt, Frauen würden die Gesellschaft, die Welt
gerechter gestalten.
## Was nun?
Was nun sagen, Patricia, wenn der Einwurf kommt, nein, die sind genauso
gierig, egoistisch wie Männer? Kann man ein „Ja, aber …“ begründen, wenn
Patricia Schlesinger Gelder, die Beitragzahler und -zahlerinnen oft mühsam
erarbeiten, für ihr überbordendes Wohl verwendet?
Hat Schlesinger eine Ahnung, wie dumm wir Kämpfer*innen jetzt dastehen,
wie dünn unsere Argumente werden, wenn wir die Notwendigkeit von Frauen in
Führung mit einem anderen Führungsstil und einem anderen Blick für und auf
die Gesellschaft begründen?
Was man über Patricia Schlesinger liest, ist äußerst unangenehm. Sie habe
auf die Erhöhung ihres ohnehin hohen Gehaltes gedrängt, das nun bei rund
300.000 Euro liegt. Außerdem auf die heimliche Auszahlung eines Bonus.
Ihren Abgang inszeniert sie als Opfererzählung. Ihre Bezüge möchte sie
weiterhin erhalten.
Vielleicht ist auch das Teil des feministischen Kampfes: zu verstehen, es
geht nicht nur darum, Frauen die Möglichkeit zu erstreiten, genauso
scheitern zu können wie Männer. Es geht auch darum zu akzeptieren, dass sie
sich oft genug genauso beschissen verhalten.
9 Aug 2022
## LINKS
[1] /Geschlechtergerechtigkeit-in-Medien/!5753799
[2] /Ruecktritt-der-RBB-Intendantin/!5870387
[3] /Ehemalige-ARD-Vorsitzende-Schlesinger/!5870372
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
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