Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polizeigewalt in Deutschland: Fehler im System
> Vier Tote durch Polizeigewalt in einer Woche. Solange es keine neutralen
> Ermittlungen gibt, kann man sich nicht sicher fühlen, findet unsere
> Autorin.
Bild: Im Frankfurter Bahnhofsviertel wurde ein 23-Jähriger mit Kopfschuss von …
Wir haben ein Polizeiproblem. Und das nicht erst seit ein paar Tagen. Wenn
sich die Todesfälle durch Polizeigewalt so häufen wie in der letzten Woche,
dann ist das ein Grund mehr, alarmiert zu sein. Im Frankfurter
Bahnhofsviertel wurde ein [1][wohnungsloser 23-Jähriger] am Dienstag
vergangener Woche mit einem Kopfschuss von Polizeibeamten getötet. Am Tag
darauf erschoss die Polizei einen 48-jährigen Kölner, der sich [2][gegen
die Zwangsräumung] seiner Mietwohnung gewehrt hatte. Beide Opfer sollen mit
Messern bewaffnet gewesen sein. Am Sonntag [3][verstarb ein 39 Jahre] alter
Mann im Kreis Recklinghausen nach Fixierung und Einsatz von Pfefferspray
durch die Polizei – der Mann hatte in einer Wohnung randaliert.
Nicht nur in diesen drei Fällen stellt sich dringend die Frage, wie unfähig
die Polizei im Umgang mit aufgebrachten, existenziell bedrohten,
traumatisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Menschen sein muss,
dass sie ein tödliches Ende nehmen. Am Montag kam es zu einem [4][weiteren
Fall]: Ein suizidaler 16-Jähriger, der unbegleitet aus dem Senegal geflohen
und in einer Jugendhilfeeinrichtung in Dortmund untergekommen war, wurde
getötet. Ein Betreuer habe die Polizei verständigt, weil der Jugendliche
mit einem Messer unterwegs gewesen sei und „bedrohlich“ gewirkt habe.
Bei einem Polizeieinsatz wurde der Junge von fünf Schüssen aus einer
Maschinenpistole getroffen. Fünf Schüsse, weil er ein Messer bei sich trug,
mit dem er sich offensichtlich vor allem selbst verletzte? Wie konkret kann
eine Bedrohungslage sein, dass mehrmals mit einer MP5 auf einen
Minderjährigen gefeuert werden muss? Was rechtfertigt so etwas?
Solange diese Fragen nicht geklärt sind, solange die Polizei sich nicht
unabhängigen Ermittlungen stellen und mit Konsequenzen rechnen muss, ist es
schier unmöglich, sich in diesem Land sicher zu fühlen. Verhältnismäßigkeit
ist keine brauchbare Kategorie mehr angesichts der Eskalation, die von der
deutschen Polizei gegenüber armen, kranken oder schwarzen Menschen ausgeht.
Oury Jalloh, der 2005 in Polizeigewahrsam in Dessau starb, dürfte der
bekannteste ungeklärte Todesfall durch Polizeigewalt in der jüngeren
deutschen Geschichte sein. Er ist bei Weitem nicht der einzige. Jahr für
Jahr wird die Liste der Namen von bei Festnahmen oder in Gewahrsam
getöteten Menschen länger. Ermittlungen finden statt, doch zu
Verurteilungen von Polizisten kommt es [5][so gut wie nie]. Stattdessen
wird vertuscht und abgewimmelt. Niemand weiß, wer [6][Oury Jalloh] in
seiner Zelle an eine Matratze gefesselt und angezündet hat.
## Die eigene Macht schützen
Erst diese Woche wurde berichtet, dass Beamte der Frankfurter Polizei von
Kollegen, die zur Geheimhaltung verpflichtet waren, [7][gezielt gewarnt
wurden], dass ihre Handys möglicherweise im Rahmen verdeckter Ermittlungen
auf rechtsextreme und verfassungswidrige Inhalte gefilzt würden. Sie hatten
genügend Zeit, alle Beweismittel zu vernichten, die auf ihre Organisierung
in rechtsextremen Chatgruppen hinweisen könnten. All diese Ereignisse, die
sich in unterschiedlichen Regionen des Landes zutragen, deuten
zusammengenommen nur auf eines hin: Systemversagen. Die Sicherheitsbehörden
sind vor allem damit beschäftigt, sich und die eigene Macht zu schützen.
Gegen den Schützen von Dortmund werde nun wegen Verdachts auf
Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt, heißt es von der
Staatsanwaltschaft. Aus Neutralitätsgründen übernimmt die Ermittlungen aber
eine andere Polizeibehörde, und zwar Kollegen aus Recklinghausen. Den Fall
in deren Landkreis wiederum – der Todesfall nach Fixierung und
Pfeffersprayeinsatz – schauen sich die Kollegen aus Dortmund an. Wie
neutral und unabhängig diese Ermittlungen laufen werden, lässt sich leider
schon absehen.
12 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.hessenschau.de/panorama/23-jaehriger-wurde-bei-polizeieinsatz-i…
[2] https://www.berliner-zeitung.de/news/toedlicher-zwischenfall-koeln-polizei-…
[3] https://www.derwesten.de/region/ruhrgebiet-oer-erkenschwick-polizei-recklin…
[4] /Polizei-toetet-Jugendlichen-in-Dortmund/!5870594
[5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-06/polizeigewalt-brandenburg-f…
[6] /Mordfall-Oury-Jalloh/!5823891
[7] /Skandal-um-rechte-Chats-in-Hessen/!5870439
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Tödliche Polizeischüsse
Polizeigewalt
Kolumne Red Flag
GNS
Polizeigewalt
Polizei
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dortmunder Beamte erschießen 16-Jährigen: Vier weitere Polizisten beschuldigt
Nach dem Tod von Mouhamed D. in Dortmund wird nun gegen vier weitere Beamte
ermittelt. Innenminister Reul sieht eine „neue Lage“.
Von Polizei erschossener Jugendlicher: Unabhängige Untersuchung gefordert
Über 60 Forschende verlangen die unabhängige Aufarbeitung des Todes von
Mouhamed D. Ein Polizist erschoss den Jugendlichen in Dortmund.
Gedenken an erschossenen Jugendlichen: Einer, der alles verloren hat
In Dortmund nehmen hunderte Menschen Abschied von Mouhamed D. Am Montag war
der 16-Jährige von einem Polizisten getötet worden.
Festnahme in Livestream: Polizeigewalt live bei TikTok
Nach Streit um wechselseitige Beleidigungen: In Braunschweig wurde ein
Schwarzer Influencer von Polizist:innen zu Boden gebracht.
Skandal um rechte Chats in Hessen: Polizist warnte vor Ermittlungen
Die Sondersitzung im hessischen Landtag deckt auf, dass Vorgesetzte der
Polizei zum Löschen problematischer Chats rieten. Die Opposition ist
entsetzt.
Getöteter 16-Jähriger in Dortmund: Fünf Schüsse von der Polizei
In Dortmund wurde am Montag ein 16-Jähriger durch fünf Kugeln von
Polizisten getötet. Ermittler befragen beteiligte Polizisten und Betreuer.
Polizeieinsatz in München: Es riecht nach Hasch und Willkür
Ein Polizeieinsatz in einem Haus in München eskaliert. Am Ende ist ein
Polizist verletzt und eine Familie traumatisiert. Und alle fragen sich:
Warum?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.