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# taz.de -- Alltag in Russland während des Kriegs: Gleiche Pommes, anderer Name
> Wegen der Sanktionen gegen Russland heißt McDonald's in St.Petersburg
> jetzt „Lecker und Punkt“. Aus rechtlichen Gründen gibt es nun anderes
> Fast Food.
Bild: Neuer Name, gleicher Stoff: Schnellrestaurant in St. Petersburg
„Hast du schon gehört, wie McDonald’s jetzt heißt?“ Die Kollegin am
Nachbartisch hat gerade die Nachricht gelesen und verschluckt sich fast vor
Lachen. Der neue Name kam am Vorabend der Neueröffnung. Zuerst dachte ich,
das sei ein Fake. Kein Marketingexperte würde dem Namen [1][„Lecker und
Punkt“] zustimmen.
Über den Namen der russischen Kette ergießt sich tonnenweise Spott und
Hohn. „Lecker und Punkt“ klingt nicht einfach nur lang und umständlich,
sondern auch bedrohlich. Man kann nicht umhin, Angst vor einer Geldstrafe
zu bekommen für die Diskreditierung einheimischen Fast Foods, wenn es einem
nicht schmeckt. Das Essen ist übrigens das Gleiche geblieben. Dieselben
Lieferanten, dieselbe Rezeptur, die gleichen Cheeseburger und Pommes. Und
die wichtigste Botschaft der Marketing-Kampagne der neuen Kette ist dann
auch: „Wir haben uns gar nicht verändert.“ „Der Name ändert sich, die L…
bleibt“, sagt ein Plakat.
Big Mac und Big Tasty zum Beispiel sind wegen der Soße verschwunden, auf
die McDonald’s ein Patent hat. Softdrinks in Bechern sind auch weg – weil
es Coca-Cola in Russland nicht mehr gibt. Und das Softeis McFlurry gibt es
nicht mehr, weil die russische Kette die Maschinen nicht benutzen darf, mit
denen man es herstellt. Die Papierverpackung ist bislang noch ohne
Aufdruck. Die Vitrine mit dem Spielzeug, was es zu den Happy Meals dazugab,
ist ebenfalls noch leer. Und mit den Soßen ist es auch lustig: die
Verpackungen sind dieselben wie früher, aber der Aufdruck „McDonald’s“ i…
auf jedem Deckel von Hand mit einem schwarzen Stift übermalt worden.
20 Millionen Gäste in den ersten Tagen
Die Preise sind nach der Wiedereröffnung ein bisschen gestiegen – ungefähr
um 10 Prozent. Aber wenn man den allgemeinen Preisanstieg bei Lebensmitteln
beobachtet, scheint das normal zu sein. An den ersten Tagen nach der
Eröffnung einiger dieser Fastfood-Restaurants gab es lange Schlangen. Die
einen hatten einfach Sehnsucht, andere waren aus Neugier gekommen. In den
ersten 30 Tagen seit der Einführung der neuen Kette kamen 20 Millionen
Gäste. Und dabei war bislang nur ein Drittel aller ehemaliger Restaurants
wieder aufgemacht worden.
Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hatte McDonald’s in Russland täglich 1,5
Millionen Gäste. Natürlich hat die hohe Besucherzahl von „Lecker und Punkt�…
ihren Grund in der langjährigen Popularität von „Mäcces“. Wie es dort
weitergeht wird sich zeigen. Aber eines kann man schon jetzt sicher sagen:
Die Neuerungen werden noch lange für Unmut und Unzufriedenheit sorgen. Denn
für Russen war McDonald’s 32 Jahre lang nie ein minderwertiges Lokal.
Hierher kam man nicht nur für einfaches und vertrautes Essen, sondern
seltsamerweise auch für die Atmosphäre und das Gefühl, Teil der globalen
Welt zu sein. Das ist natürlich Quatsch, aber irgendwie auch traurig. Und
Punkt.
Aus dem Russischen von [2][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt von der [3][taz Panter Stiftung]. Einen
Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im
September heraus.
3 Aug 2022
## LINKS
[1] /McDonalds-Rueckzug-aus-Russland/!5857903
[2] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[3] /!p4550/
## AUTOREN
Olga Lizunkova
## TAGS
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Lesestück Recherche und Reportage
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