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# taz.de -- Reisepässe aus Vietnam: Gilt nicht für Deutschland
> Kürzlich hat Vietnam neue Reisepässe eingeführt, doch die Bundesrepublik
> erkennt sie nicht an. Gravierende Folgen hat das auch für die
> Pflegebranche.
Bild: Ein alter vietnamesischer Reisepass – die neuen blauen Pässe werden in…
Berlin taz | Deutschland erkennt seit letzter Woche keine neuen
vietnamesischen Reisepässe an – nach vietnamesischen Angaben als einziger
Staat weltweit. Wer seit dem 1. Juli einen neuen Pass erhalten hat, bekommt
damit kein Visum für Deutschland, weder für die Einreise noch zum Transit.
Die anderen Schengenstaaten sind angehalten, in ihre Visastempel einen
Vermerk einzudrucken: „Gilt nicht für Deutschland“. Auf seiner Website
bedauert das Auswärtige Amt die Unannehmlichkeiten.
Auch im Inland verweigern deutsche Behörden seit letzter Woche Inhabern neu
ausgestellter vietnamesischer Reisepässe behördliche Leistungen. Der taz
ist ein Fall aus Sachsen bekannt, wo eine Frau beim Bürgeramt ihre
Wohnanschrift nicht mit dem neuen Pass ummelden konnte. An der fehlenden
Wohnanmeldung können Leistungen wie Arbeitslosengeld und Kindergeld
scheitern. Ausländerbehörden drucken auch die Aufenthaltstitel nicht mehr
in neue Reisepässe. Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres sagte der
taz, dass man auf eine Weisung des Bundesinnenministeriums warte, wie mit
den neuen Pässen umzugehen sei.
Hintergrund: Vietnam stellt seit dem 1. Juli völlig neue Reisepässe aus.
Statt im hässlichen Giftgrün sind sie im angenehmen Dunkelblau eingebunden
und mit Landschaftsfotos illustriert. In naher Zukunft soll in die Pässe
auch ein Chip nach chinesischem Vorbild eingebunden werden, der
beispielsweise Bewegungsdaten und Gesundheitsdaten erfassen kann.
Vietnam hat aber darauf verzichtet, den Geburtsort in den Pass zu
schreiben, wie es international Standard ist. Er steht dort nur indirekt –
versteckt in einem Zifferncode. Um den Code zu entschlüsseln, werden sieben
DIN-A4-Seiten voll Tabellen benötigt. Es ist unklar, ob Deutschland diese
Papiere überhaupt erhalten hat. Für Bundespolizisten, die an Flughäfen
einreisende Fluggäste aus mehr als 100 Staaten kontrollieren, wären sie
aber ohnehin unpraktikabel. Auch für Bürgerämter und Streifenpolizisten.
Wozu muss der Geburtsort eigentlich im Pass stehen? Er dient dazu, die
Identität des Passinhabers festzustellen. Im Vietnamesischen gibt es nur
sehr wenige Nachnamen. Auch viele Vornamen kommen oft vor. Darum ist der
Geburtsort ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für Personen. Hinzu kommt:
[1][Vietnamesische Pässe werden oft gefälscht]. Darum schauen deutsche
Behörden sehr genau hin.
## Geprüft und abgelehnt
„Vietnam hat neue Reisepässe herausgegeben, ohne andere Staaten darüber mit
angemessenem Vorlauf zu informieren“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. So
eine Vorabinformation ist aber laut einer Sprecherin des Innenministeriums
international üblich. Mit den neuen Pässen ist es dem Auswärtigen Amt
zufolge nicht möglich, Personen eindeutig zu identifizieren, „insbesondere
im Rahmen der bei der Einreise an den Schengen-Außengrenzen abzufragenden
Registern“.
Die Bundespolizei hat die Pässe darum „nach eingehender fachlicher Prüfung
als vorläufig nicht anerkennungsfähig bewertet“. Auch andere
Schengenstaaten würden das prüfen, sagt das Auswärtige Amt.
Nach der taz vorliegenden Informationen hat jedoch bislang nur Deutschland
die Konsequenz gezogen, für die Dauer der noch nicht abgeschlossenen
Prüfung die Reisepässe nicht anzuerkennen. Frankreich behält es sich
allerdings vor, so eine Mitteilung auf der Website seiner Botschaft in
Vietnam, bald ebenso zu verfahren wie Deutschland.
„Bei den vietnamesischen Pässen handelt es sich nicht um moderne
biometrische Pässe“, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums.
Vietnams Innenminister To Lam erklärte hingegen am Wochenende, an den
Pässen festzuhalten. Das sieht nach einem vietnamesisch-deutschen
Machtspiel aus.
## Panik in der Pflegebranche
Gravierende Auswirkung hat die Nichtanerkennung der Pässe auf die ohnehin
angespannte Personallage in der deutschen Pflegebranche. Bald beginnt das
neue Ausbildungsjahr. Deutschland erwartet [2][viele neue Azubis aus
Vietnam für Pflegeberufe]. Das sind meist sehr junge Leute, die noch nie
einen Reisepass hatten und darum einen neu ausgestellten benötigen. Wenn
diese aber nicht anerkannt werden, dürfen die Azubis nicht kommen. „Bei
meinen Kunden herrscht helle Panik“, sagt ein Vietnamese aus Berlin, der
Ausbildungswillige in Vietnam rekrutiert und an deutsche Firmen vermittelt.
„In dringenden Fällen“, so die Sprecherin des Innenministeriums, „können
die Auslandsvertretungen und die Ausländerbehörden deutsche Ersatzpapiere
ausstellen“. Allerdings dauert so eine Ausstellung zwischen einem und drei
Monaten. Derzeit prüfe man, „auch mit der vietnamesischen Regierung, wie
mit dieser Sachlage umgegangen werden kann“.
Die vietnamesische Botschaft in Berlin bietet in Deutschland lebenden
Vietnamesen seit Freitag kostenlos eine formlose amtliche Bescheinigung
ihres Geburtsortes an. Allerdings ist diese Bescheinigung nicht
fälschungssicher. Da vietnamesische Dokumente oft gefälscht werden, bleibt
abzuwarten, ob deutsche Behörden so ein Papier akzeptieren werden.
1 Aug 2022
## LINKS
[1] /Reisepaesse-aus-Asien-unter-Verdacht/!5456782
[2] /Migration-und-Fachkraeftemangel/!5692784
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Biometrie
Deutschland
Reisen
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