Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abschiebung eines Vertragsarbeiters: Hardliner in Härtefallkommiss…
> Sachsen will einen ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam
> abschieben. Er bekommt viel Unterstützung, aber der Ausländerbeauftragte
> bleibt stur.
Bild: Der Hardliner Geert Mackenroth darf allein über das Schicksal der Famili…
Berlin taz | Ein ehemaliger vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter und seine
Familie sind akut von Abschiebung bedroht. Der Ausländerbeauftragte von
Sachsen und Vorsitzende der Härtefallkommission, Geert Mackenroth,
CDU-Hardliner und ehemaliger Landesjustizminister, hat abgelehnt, dass sich
die Kommission erneut mit dem Fall befasst. Formal hat er nach der
Verordnung der sächsischen Härtefallkommission das Recht, so eine
Entscheidung allein zu treffen.
Pham Phi Son kam 1987 als [1][Vertragsarbeiter nach Sachsen] und lebte dort
bis 2017 als unbescholtener Bürger: Er hatte eine Wohnung, Arbeit und
zahlte Steuern. Dann wurde seine jüngste Tochter Emilia geboren. Son wollte
ihre Geburt und ihre deutsche Staatsangehörigkeit beurkunden lassen, doch
da fiel der Stadt Chemnitz etwas auf: Ein Jahr zuvor hatte Son Urlaub in
Vietnam gemacht und war dort länger als sechs Monate geblieben. Nach sechs
Monaten Aufenthalt außerhalb Deutschlands erlischt aber in der Regel die
Niederlassungserlaubnis.
Son sowie seine damals neu zugewanderte vietnamesische Frau und das Baby
sollten also Deutschland verlassen. Die Stadt Chemnitz sorgte dafür, dass
die Familie Wohnung und Arbeit verlor. Eine Klage gegen den Entzug des
Aufenthaltsrechts vor dem Verwaltungsgericht scheiterte. Auch die
sächsische Härtefallkommission lehnte damals den Härtefallantrag ab.
Die Familie lebte danach mehrere Jahre im Untergrund in einem anderen
Bundesland, wurde von der vietnamesischen Community unterstützt. Im Januar
dann gingen Pham Phi Son und seine Frau mithilfe des parteilosen
sächsischen Landtagsabgeordneten und SPD-Fraktionsmitglieds Frank Richter
sowie ihres Seelsorgers Stefan Taeubner an die Öffentlichkeit. Mit
Unterstützung der Chemnitzer Stadtgesellschaft und der neuen Chemnitzer
Ausländerbeauftragten, Etelka Kobuß, durfte die Familie zurück nach
Chemnitz ziehen, bekam wieder eine Wohnung und eine befristete Duldung.
## Seit einer Woche droht die Abschiebung
Doch nun, da Geert Mackenroth die erneute Befassung mit dem Antrag
abgelehnt hat, weil keine neuen Fakten vorgetragen wurden, droht seit einer
Woche erneut die Abschiebung. Der Ausländerbeauftragte sagte der taz, dass
er aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsrechtes keine Details für
seine Entscheidung nennen möchte. „Ich habe den Antrag aber gründlich
geprüft und auch Akten der Behörden herangezogen.“
Nam-Anh Nguyen von der Vereinigung der Vietnamesen in Berlin und
Brandenburg, die Son und dessen Familie unterstützt, macht das wütend: „Es
wurden sehr wohl neue Fakten vorgetragen.“ Beispielsweise habe er ein
Attest aus Vietnam vorgelegt, wonach sich der ehemalige Vertragsarbeiter
während seiner langen Abwesenheit in ärztliche Behandlung begeben musste.
Das habe ihn an der rechtzeitigen Rückkehr nach Deutschland gehindert. Im
subtropischen Klima Vietnams sei eine alte Kriegsverletzung an seinem Bein
wieder aufgeflammt. „Außerdem schlägt sich die Familie seit fünf Jahren mit
Unterstützung der vietnamesischen Gemeinde finanziell durch. Diesen Willen,
ihm zu helfen, hätte man auch als neuen Fakt anerkennen müssen“, fügt
Nguyen hinzu.
## Trennung der Familie möglich
Die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) sieht den Fehler
in der Verordnung über die Härtefallkommission des Freistaats: „Es kann
nicht sein, dass eine Einzelperson eine erneute Befassung ablehnen kann.“
Frank Richter bezeichnet die drohende [2][Abschiebung der Familie] Pham als
„eine menschliche Tragödie“. Er appelliere an die Behörden, der Familie
eine Zukunft in Deutschland zu ermöglichen.
Der Abgeordnete sieht die Gefahr, dass die Familie durch Abschiebung
getrennt wird, denn gegenwärtig haben nur Frau und Kind einen
vietnamesischen Reisepass und können damit nach Vietnam einreisen. Der
heute 65-jährige Mann hat keinen. Diese Familientrennung und die
„Deportation“ der in Deutschland geborenen Tochter „in ein völlig fremdes
Land“ wäre aus Richters Sicht „am schlimmsten“. Er will die sächsische
Kinderschutzbeauftragte auf den Fall aufmerksam machen.
In Sachsen plädieren die Regierungsfraktionen SPD und Grüne in einem
gemeinsamen Positionspapier, das der taz vorliegt, für humanitäre
Entscheidungen für ein Bleiberecht für geduldete Menschen. Ihren
Koalitionspartner CDU haben sie da nicht auf ihrer Seite.
15 Aug 2022
## LINKS
[1] /DDR-Vertragsarbeiter-aus-Vietnam/!5824863
[2] /Umstrittene-Abschiebepolitik/!5865691
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Vietnam
Schwerpunkt Flucht
Abschiebung
Familie
Aufenthaltsrecht
Gastarbeiter
Vertragsarbeiter
Schwerpunkt Flucht
Abschiebung
Vietnam
Biometrie
Entführung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vietnamesische Vertragsarbeiter in DDR: Ruinen von Erinnerungen
Die großen Betonklötze an der Gehrenseestraße in Lichtenberg stehen schon
seit Jahrzehnten leer, bald soll hier neu gebaut werden.
Kritik an Richterentscheid in Hessen: Homofeindlichkeit? Kein Asylgrund
Ein Frankfurter Richter weist die Klage eines schwulen Algeriers auf Asyl
ab. Der Mann solle zurückkehren und ein „unauffälliges“ Leben führen.
Drohende Abschiebung in Sachsen: 66.000 unterstützen Familie Son
Sächsische Behörden wollen den vietnamesischen Gastarbeiter Pham Phi Son
mit seiner Familie abschieben. Eine Onlinepetition macht nun Druck dagegen.
Einführung neuer Ausweise: Vietnam lenkt im Passstreit ein
Deutschland und andere EU-Länder hatten die von Vietnam neu eingeführten
Pässe nicht anerkannt. Nun hat Hanoi eine Lösung gefunden.
Reisepässe aus Vietnam: Gilt nicht für Deutschland
Kürzlich hat Vietnam neue Reisepässe eingeführt, doch die Bundesrepublik
erkennt sie nicht an. Gravierende Folgen hat das auch für die
Pflegebranche.
Trinh Xuan Thanhs Frau über Entführung: „Ich darf keine Schwäche zeigen“
Vor fünf Jahren wurde Trinh Xuan Thanh in Berlin entführt. Seine Frau Tran
Duong Nga spricht erstmals über ihr Exil, Diplomatie und Hoffnung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.