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# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in den USA: Plötzlicher Realitätscheck
> Im konservativen US-Bundesstaat Kansas sind 60 Prozent der Wähler gegen
> ein restriktives Abtreibungsrecht. Ein Rückschlag für die Republikaner.
Bild: Freude in der Demokratischen Partei in Kansas: das Ja zu dem Recht auf Ab…
Es war die erste Volksabstimmung [1][zum Recht auf Abtreibung] in den USA,
seit der Oberste Gerichtshof Ende Juni das fast 50 Jahre alte Urteil Roe v.
Wade aufhob. Seit 1973 hatten aufgrund des Urteils alle US-Amerikaner*innen
ein verfassungsmäßiges Recht auf Schwangerschaftsabbruch – mit dessen
Aufhebung durch die konservative Mehrheit im Supreme Court sind sie den
rückschrittlichen Fantasien [2][republikanischer Parlamentsmehrheiten] in
konservativ regierten Bundesstaaten ausgeliefert.
Genauso sollte es nach dem Willen selbsterklärter „Lebensschützer*innen“
auch in Kansas werden. Doch es gab einen Haken: 2019 hatte der dortige
Oberste Gerichtshof entschieden, dass die Verfassung von Kansas ein Recht
auf Abtreibung garantiert. Um diese Hürde wegzubekommen und den
republikanischen Mehrheiten in Senat und Abgeordnetenhaus den Weg
freizuräumen, hatte eine Initiative [3][eine Volksabstimmung] für eine
Verfassungsergänzung durchgesetzt. Bei der Abstimmung am Dienstag mussten
sie einen herben Schlag hinnehmen: Fast 60 Prozent der Wähler*innen
stimmten für die Beibehaltung des Rechts.
Das ist ein Realitätscheck für die Republikaner*innen und zeigt, wie
die Wähler*innenschaft wirklich denkt. Kansas ist das Gegenteil eines
von städtisch-liberalem Milieu geprägten Staat. Hier hat seit Lyndon B.
Johnson 1964 kein demokratischer Präsidentschaftskandidat mehr gewonnen –
auch der war schon eine Ausnahme. Die Bevölkerung ist weißer und
christlicher als woanders, mit einem hohen Prozentsatz an Evangelikalen.
Weder Hillary Clinton 2016 noch Joe Biden 2020 hatten in Kansas auch nur
die geringste Chance gegen Donald Trump, der jeweils mit gut 56 Prozent der
Stimmen den Bundesstaat gewann.
Und jetzt: 60 Prozent für das Recht auf Abtreibung. Logisch, dass die
Demokrat*innen jetzt frohlocken, das Thema könnte ihnen womöglich doch
bei den Midterm Elections im November ein paar mehr Stimmen einbringen. Nur
zu willig sehen sie das Ergebnis als Ermutigung im Glauben daran, dass die
erwartete krachende Niederlage in beiden Kongresskammern doch noch
abzuwenden sein könnte.
## Jahrzehntelanges Recht auf Abtreibung hat Spuren hinterlassen
Aber selbst wenn diese parteipolitische Interpretation reines Wunschdenken
ist. Das Ergebnis zeigt: Fünf Jahrzehnte eines garantierten Rechts haben
ihre Spuren im Bewusstsein über die Parteigrenzen hinweg hinterlassen – und
weder die konservativen Richter*innen noch die republikanischen
Gesetzgeber*innen agieren im Namen der Mehrheit.
Die Menschen in Kansas jedenfalls brauchen nicht weit zu schauen, um zu
sehen, welches Leid Frauen in Notlage hätte drohen können: In den
Nachbarstaaten Missouri und Oklahoma ist Abtreibung bereits verboten, in
Nebraska ist ein restriktives Gesetz in der Diskussion. Nur in Colorado ist
Abtreibung unangetastet legal.
Zwar haben die Initiator*innen des Referendums alles versucht, um die
Menschen davon zu überzeugen, es werde schon nicht so schlimm werden:
Schließlich gehe es ja gar nicht darum, Abtreibung zu verbieten, sondern
lediglich darum, der Legislative die Chance zur Gesetzgebung zu eröffnen.
Aber das verfing nicht: Zu deutlich ist in zu vielen konservativ regierten
Bundesstaaten zu sehen, mit welcher Verve ideologisch getriebene
republikanische Parlamentsmehrheiten den Frauen das Leben schwer machen.
Dass sie das in Kansas auch machen würden, wenn sie es dürften, war den
Wähler:innen völlig klar. Und 60 Prozent haben Nein gesagt.
3 Aug 2022
## LINKS
[1] /Nach-Abtreibungsurteil-in-den-USA/!5868788
[2] /Vorwahl-in-Georgia/!5857197
[3] /Bedrohtes-Machtgefuege-in-den-USA/!5868517
## AUTOREN
Bernd Pickert
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