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# taz.de -- Hasskriminalität im Netz: Offensive gegen digitale Gewalt
> Nehmen die Behörden Hasskriminalität im Netz ernst genug? Nach dem Tod
> der Ärztin Kellermayr stehen Polizei, Justiz und die Plattformen in der
> Pflicht.
Bild: Die österreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr war Hass im Netz wie B…
Berlin taz | Fünf Tage ist es her, dass die [1][österreichische Ärztin
Lisa-Maria Kellermayr] sich das Leben nahm. Das Entsetzen über die Folgen
brutaler digitaler Gewalt dauert weiter an – und Forderungen an Behörden
und Plattformanbieter, [2][schärfer gegen Hasskriminalität im Netz
vorzugehen], werden lauter. Kellermayr wurde sowohl im virtuellen Raum als
auch im realen Leben beschimpft, beleidigt und bekam Morddrohungen. Von den
zuständigen Stellen bei Polizei und Justiz fühlte sie sich im Stich
gelassen. Die Ärztin hatte Coronamaßnahmen verteidigt und wurde deshalb
systematisch von Impfgegner:innen angegriffen.
Die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, Tabea Rößner (Grüne),
zeigte sich tief betroffen von dem Fall. Sie verwies beim Thema
Hasskriminalität im Internet auf das [3][Netzwerkdurchsetzungsgesetz], das
die Verantwortlichkeiten von Plattformbetreibern bei Posts verschärft hat,
sowie auf den [4][Digital Services Act] auf EU-Ebene. „Die notwendigen
gesetzlichen Grundlagen zur Bekämpfung von Hasskriminalität und einer
Inpflichtnahme der Plattformen sind also vorhanden“, sagte Rößner der taz.
Es sei vor allem eine Frage der Durchsetzung dieser Regelungen durch die
Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Gerichte. Zudem
unterstrich sie, dass es bereits Ansätze für die Zusammenarbeit von
Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Landesmedienanstalten zur Bekämpfung
von Hasskriminalität wie die Initiative „Verfolgen und Löschen“ gebe. Abe…
„Bei alledem muss das Ziel sein, dass in der digitalen Welt dieselben
Regeln des zivilen Umgangs gelten und durchgesetzt werden wie in der
analogen“, erklärte die Grünen-Politikerin.
Deutlich schärfer äußerte sich die Linken-Politikerin und Netzaktivistin
Anke Domscheit-Berg. Sie sieht im Tod von Kellermayr ein „Versagen der
Gesellschaft“. Noch immer werde digitale Gewalt von den zuständigen
Behörden nicht angemessen ernst genommen, sagte Domscheit-Berg der taz.
„Das ist oft eine Frage der Kompetenz, weil es an fachlicher Weiterbildung
und spezialisierten Kräften fehlt, aber auch eine Frage des
Ermittlungswillens und der ausreichenden Ressourcen.“
## Mehr Kooperation von Bund und Ländern gefordert
Die Linken-Politikerin hat selbst digitale Gewalt erfahren und beklagt eine
– wie sie sagt – Erfolglosigkeit von Anzeigen bei der Polizei: „Noch keine
meiner Anzeigen ist jemals vor einem Gericht gelandet“, sagt
Domscheit-Berg. Um effektiv gegen Hass im Netz vorzugehen, brauche es mehr
ausgebildete Fachkräfte bei Ermittlungsbehörden und Justiz und
verpflichtende Weiterbildungen auch zu Grundlagen, wie der digitalen
Beweissicherung. Sie forderte zudem Spezialstaatsanwaltschaften für
digitale Gewalt sowie mehr Unterstützung für die Opfer und gut
ausgestattete Beratungsstellen.
Bund und Länder müssten dabei eng miteinander kooperieren. Die
Bundesregierung dürfe nicht darauf hoffen, dass die Plattformen selbst
konsequenter agieren. Aus Sicht der Sozialpsychologin Pia Lamberty ging mit
der [5][Pandemie ein Anstieg an Bedrohungen] und Gewalt einher. „Es reicht
schon, dass man fürs Impfen wirbt, um mit Beschimpfungen und Drohungen
überzogen zu werden“, sagte Lamberty der taz.
Es sei kaum wahrgenommen worden, wie bedrohlich die [6][„Pandemie der
Gewalt“] sei. „Wenn die Presse nicht mehr frei berichten kann, wenn schon
der Hinweis auf Gesichtsmasken zur Lebensgefahr werden kann, wenn Impfen
Morddrohungen mit sich bringt, dann läuft etwas gewaltig schief.“ Mit Blick
auf den Herbst vermutet sie, dass sich die Bedrohungslage noch einmal
verschärfen kann.
## Prominente User:innen verlassen Twitter
In den vergangenen Tagen haben insbesondere auf Twitter User:innen von
ihren Erfahrungen mit Hass und Hetze berichtet. Prominente
Schreiber:innen wie etwa der IT-Rechtsanwalt Chan-jo Jun oder die Ärztin
Natalie Grams-Nobmann hatten die Plattform verlassen. Auch die
österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl [7][macht nach
massiven Anfeindungen eine Twitter-Pause]. Nach dem Tode Kellermayrs hatte
sie aktuelle Hassposts gegen sie auch öffentlich gemacht.
Die [8][Netzexpertin Katharina Nocun] hatte im taz-Interview von ihren
Erfahrungen mit Bedrohungen aus dem Netz berichtet. Sie forderte
Twitter-User:innen auf Hasspostings verstärkt an die Plattformen zu melden.
Nocun äußerte Verständnis dafür, dass sich Nutzer:innen aus den
Social-Media-Kanälen zurückziehen. Auch sie hat ihre Tweets und Posts
reduziert, doch „will den Hatern nicht das Feld überlassen“.
2 Aug 2022
## LINKS
[1] /Tod-der-Aerztin-Lisa-Maria-Kellermayr/!5867662
[2] /Nach-Suizid-von-bedrohter-Aerztin/!5867658
[3] /Justizministerin-Lambrecht-ueber-NetzDG/!5689014
[4] /DSA--und-DMA-Gesetze-beschlossen/!5862500
[5] /Kampf-gegen-Verschwoerungstheorien/!5830272
[6] /Szene-der-Querdenker/!5847034
[7] https://twitter.com/Natascha_Strobl/status/1554428432607502336
[8] /Netzexpertin-ueber-digitale-Gewalt/!5867661
## AUTOREN
Tanja Tricarico
## TAGS
Netzsicherheit
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