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# taz.de -- Gesetzentwurf gegen digitale Gewalt: Schneller als das Justizminist…
> Die Gesellschaft für Freiheitsrechte stellt ihren Entwurf für ein
> „digitales Gewaltschutzgesetz“ vor. Justizminister Buschmann ist noch
> nicht so weit.
Bild: „Accountsperren setzen dort an, wo digitale Angriffe stattfinden“, sa…
Freiburg taz | Wer persönlich von strafbarer digitaler Hetze betroffen ist,
soll künftig bei sozialen Plattformen wie Twitter die Sperrung der
entsprechenden Hetz-Accounts verlangen können. Das sieht ein Gesetzentwurf
der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor, der an diesem Montag
vorgestellt wurde.
Normalerweise machen zivilgesellschaftliche Organisationen Vorschläge und
die Politik setzt diese (manchmal) in Gesetzentwürfen um. Hier läuft es
umgekehrt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat im April [1][nur
Eckpunkte] für ein „Digitales Gewaltschutzgesetz“ vorgelegt, während die
GFF nun schon einen 35-seitigen Gesetzentwurf präsentierte.
Konkret sollen Menschen gestärkt werden, so die GFF, die im Netz [2][Opfer
von Beleidigungen, Verleumdungen und Bedrohungen werden]. Auch jede
sonstige Verletzung von Persönlichkeitsrechten, etwa das unbefugte
Verschicken von Nacktbildern, soll den Betroffenen Ansprüche gegen die
dabei genutzte Online-Plattform geben. Die Opfer können zumindest
verlangen, dass der Zugang zum verletzenden Inhalt gesperrt wird. Aber sie
können laut Gesetzentwurf auch beantragen, dass der Account des
entsprechenden Verursachers „für eine angemessene Zeit“ gesperrt wird.
Der Anspruch richtet sich gegen die jeweilige Plattform, weil [3][die
Hetzenden] meist unter dem Schutz von Pseudonymen agieren und deshalb
rechtlich nicht greifbar sind. „Accountsperren sind das einzige Mittel, das
schnell und effektiv dort ansetzt, wo digitale Angriffe stattfinden“, sagte
Ulf Buermeyer, der GFF-Vorsitzende, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs.
Zugleich bleibe so das Recht auf anonyme Internetkommunikation
unangetastet.
## Zensur durch die Hintertür verhindern
Wer Opfer eines Schwarmangriffs wird, könnte den Sperrantrag auch gegen
viele beteiligte Nutzerkonten stellen. Die „angemessene Dauer“ der Sperre
bemisst sich nach der Schwere des Angriffs. Sie kann zum Beispiel vier
Wochen, drei Monate oder gar ein Jahr betragen. Letztlich entscheidet das
zuständige Landgericht, was angemessen ist. Dass der Hetzer einfach einen
neuen Account unter anderem Pseudonym eröffnet, kann das Gericht freilich
nicht verhindern.
Damit das neue Recht nicht missbraucht wird, um legitime Meinungsäußerungen
mundtot zu machen, müssen die vermeintlichen Hetzer im Verfahren beteiligt
werden. Die jeweilige Online-Plattform hat ihnen Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben, so der GFF-Gesetzentwurf. Diese Stellungnahme
sollen sie auch unter ihrem Netz-Pseudonym abgeben können.
Zugleich will der Vorschlag die Opfer der Hetze entlasten. Diese müssen
sich nicht unbedingt selbst an das Gericht wenden, sondern können damit
auch eine nicht-kommerzielle Beratungsstelle beauftragen.
Mit dem Gesetzentwurf wollen die GFF-Bürgerrechtler:innen nicht nur
den Betroffenen von sogenannter digitaler Gewalt helfen, sondern auch die
freie gesellschaftliche Debatte verteidigen. Es bestehe die Gefahr, dass
Menschen sich aus Angst vor Drohungen aus dem öffentlichen Diskurs
zurückziehen. „Wenn Menschen auf diese Weise mundtot gemacht werden und nur
die lautesten und extremsten Stimmen im Netz übrig bleiben, gefährdet das
unsere Demokratie“, kritisierte Steffen Jost von der Alfred Landecker
Stiftung, die das Projekt unterstützt.
Der Gesetzentwurf der GFF geht an zwei Punkten über die Eckpunkte des
Justizministeriums hinaus. So sollen die Opfer von strafbarer Hetze sofort
Accountsperren beantragen können und nicht nur bei Wiederholungsgefahr.
Außerdem sollen Nutzerkonten auch wegen Volksverhetzung gesperrt werden
können. Antragsberechtigt wären dann alle Mitglieder der angegriffenen
Gruppen.
Vor allem aber verzichtet der GFF-Entwurf auf verbesserte Auskunftsrechte
der Betroffenen. Während Justizminister Buschmann den Opfern einen Anspruch
auf Mitteilung der vom Hetzer benutzten IP-Adresse geben will, damit diese
so dessen Klarnamen recherchieren können, lehnt die GFF dies ab. Sie sorgt
sich, dass damit ein neuer Grund für die Einführung einer anlasslosen
Vorratsdatenspeicherung geschaffen wird. Das aber ist sicher nicht die
Absicht von Buschmann, der ja selbst einer der größten Gegner von
Vorratsdatenspeicherungen ist.
22 May 2023
## LINKS
[1] /Gesetz-gegen-Hass-im-Netz/!5927850
[2] /Netzexpertin-ueber-digitale-Gewalt/!5867661
[3] /Studie-zu-Angriffen-im-Netz/!5717728
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Internet
Gewalt
Drohmails
Übergriffe
Marco Buschmann
GNS
Netzsicherheit
Hasskriminalität
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