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# taz.de -- Coronaleugner demonstrieren in Berlin: Protestwoche der Nimmermüden
> Bis zu 2.000 Coronaleugner zogen gegen die Pandemiepolitik und für
> Russland durch Berlin. Bis Samstag sollen die Proteste weitergehen
Bild: Kurz vorm ersehnten Umsturz? Not
Berlin taz | Man hatte sie in den vergangenen Monaten fast vergessen, die
[1][Gegner:innen der Coronapolitik und Leugner:innen der Pandemie].
Der verbliebene Teil der Daueraktivist:innen hatte den „Kampf gegen
das System“ zwar nicht aufgegeben, aber ihre Aktionen, die kaum mehr als
zweistellige Teilnehmer:innenzahlen anzogen, konnte man getrost
ignorieren. Am Samstag aber fand nun die größte Veranstaltung des Spektrums
seit Monaten statt. An einer Demonstration vom Brandenburger Tor bis zum
Rosa-Luxemburg-Platz, auf dem die [2][Proteste im März 2020 starteten],
beteiligten sich Beobachter:innen zufolge bis zu 2.000 Menschen; die
Polizei sprach von 1.200.
Ein Wiedererstarken der Bewegung über die eigenen Kernstrukturen war
trotzdem nicht zu beobachten; stattdessen kamen all jene zusammen, die sich
seit Jahren voll und ganz dem Protest verschrieben haben – von der Freedom
Parade um den [3][DJ Michael Bündel („Captain Future“)] über die
Kommunikationsstelle [4][Demokratischer Widerstand mit Anselm Lenz], das
[5][Compact-Magazin mit Jürgen Elsässer] oder die Partei Die Basis.
Zusammengeführt haben all die Gruppen das Bündnis „Wir sind viele“ und vor
allem der Anlass: Der Jahrestag der ersten bundesweiten
Querdenken-Demonstration in Berlin, [6][an der am 1. August 2020 etwa
20.000 Menschen teilnahme]n. Der Samstag bildete dabei nur den Auftakt für
eine ganze Protestwoche, die bis Samstag andauern wird.
Demonstriert wurde auch für die Freilassung des Stuttgarter
Querdenken-Gründers [7][Michael Ballweg, der seit Ende Juni in
Untersuchungshaft sitzt]. Ballweg wird vorgeworfen, im Mai 2020 durch
öffentliche Aufrufe Spenden eingeworben und dabei über die beabsichtigte
Verwendung getäuscht zu haben. Einen hohen sechsstelligen Betrag soll
Ballweg laut Polizei dabei „zweckwidrig für sich verwendet“ haben.
Unter dem Demo-Motto „Uneingeschränkte Wiederherstellung sämtlicher
Grundrechte“ kamen Impfgegner:innen, Verschwörungsideolog:innen und
Reichsbürger:innen zusammen. Viele Teilnehmer:innen bekundeten
überdies ihre Verbundenheit mit Russland, etwa auch durch das
Dschingis-Khan-Lied „Moskau, Moskau“.
## Gegenproteste
In diesem Zusammenhang kam es zu zwei Flaschenwürfen auf die Demonstration
durch einen ukrainischen Staatsbürger, gegen den die Polizei nun wegen
versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Entlang der Strecke
wurden auch ein Ei sowie Essensreste auf die Teilnehmer:innen geworfen.
Sowohl am Holocaustmahnmal als auch am Rosa-Luxemburg-Platz protestierten
die Omas gegen Rechts und die Initiative Geradedenken ohne Zwischenfälle
gegen den Aufmarsch.
Die Polizei, die mit 200 Beamt:innen vor Ort war, ermittelt in insgesamt
vier Fällen wegen Beleidigung; ein Schild mit einem Davidstern und der
Bezeichnung „ungeimpft“ wurde beschlagnahmt, marschähnliches Trommeln
untersagt, so die Polizei. NS-Relativierung und antisemitische Stereotype
fanden sich auf vielen Schildern.
Zumindest in den Aufrufen versuchten die Organisator:innen auch das
Thema von Inflation und Energiekrise für sich zu vereinnahmen. So warb etwa
Michael Bündel mittels eines Sharepics mit dem Spruch: „Ich gehe zur Woche
der Demokratie, weil ich diesen Winter weder frieren noch hungern möchte.“
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus rechnet derweil nicht mit einem
generellen Umsteuern der Szene auf Sozialproteste. Auf Anfrage der taz hieß
es: „Sie werden versuchen, auf Proteste aufzuspringen, aber inhaltlich und
organisatorisch dürften sie nicht in der Lage sein, eigenständige große
Sozialproteste auf die Beine zu stellen.“
Wie radikal die Szene ist, zeigte sich auch am Samstag und in den
Mobilisierungstagen zuvor. So bezeichnete der ehemalige Journalist Uli
Gellermann Bundesinnenministerin Nancy Faeser als „Rechtsextremistin“ und
„Nazi“. In einem Newsletter des Demokratischen Widerstands wurden die
Polizeipräsidentin Barbara Slowik und der SPD-Stadtentwicklungssenator
Andreas Geisel als „derzeit noch auf freiem Fuß befindliche Neofaschisten“
bezeichnet. Die Polizei hat Ermittlungen gegen den Verfasser, mutmaßlich
Anselm Lenz, wegen des Verdachts auf Beleidigung, üble Nachrede und
Verleumdung eingeleitet.
In einer [8][von der Freedom Parade geteilten Telegram-Nachricht] hieß es
über den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Knallt diesen
Psycho ab.“ Am Montag sollen die Proteste mit einem sogenannten
Medienmarsch vorbei an verschiedenen Redaktionen, darunter auch der taz,
fortgesetzt werden. Bereits am Samstag kam es gegenüber einem Kamerateam
des RBB zu „Lügenpresse“-Rufen. Weitere Demos sind für Mittwoch und
Donnerstag geplant; am Samstag enden die Tage mit einem Fest im Mauerpark.
31 Jul 2022
## LINKS
[1] /Verschwoerungsmythen-und-Corona/!t5015225
[2] /Corona-und-Verschwoerungstheoretiker/!5675712
[3] /Coronaleugner-und-Polizei/!5821352
[4] /Verschwoerungsideologe-Anselm-Lenz/!5760168
[5] /Compact-Magazin-in-der-Krise/!5676890
[6] /Coronaproteste-in-Berlin/!5705179
[7] /Stuttgarter-Querdenken-Chef-verhaftet/!5864702
[8] https://twitter.com/querdenkenwatch/status/1553010581300551681
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Verschwörungsmythen und Corona
Coronaleugner
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Polizei Niedersachsen
Schwerpunkt Rechter Terror
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