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# taz.de -- Verfassungsreferendum in Tunesien: Sargnagel für die Demokratie
> Tunesiens Präsident Saied baut seine Macht aus. Die geringe Beteiligung
> am Volksentscheid zeigt aber, dass sein Rückhalt in der Bevölkerung
> sinkt.
Bild: Präsident Kais Saied bei der Stimmabgabe am Montag
Es ist leider wenig überraschend, wenn arabische Präsidenten in
autokratischer Manier den Staat im Alleingang übernehmen. Aber wenn das in
Tunesien passiert, dem einzigen Land, das mit halbwegs funktionierenden
demokratischen Institutionen aus dem Arabischen Frühling hervorging, dann
ist das besonders traurig.
Die neue Verfassung, über die Präsident Kais Saied diese Woche abstimmen
ließ, ist ein weiterer Nagel im Sarg der mühevoll errungenen tunesischen
Demokratie. Sie etabliert eine Art super-präsidiales System, das die Rechte
des Präsidenten gegenüber der Legislative und der Justiz erweitert.
Vor genau einem Jahr hatte Saied das Parlament aufgelöst und regiert
seitdem per Dekret. Für Dezember hat er Parlamentswahlen angesetzt. Die
neue Verfassung garantiert ihm, dass er auch dann formell die Oberhand
behält.
Das Ergebnis des Referendums – fast 95 Prozent Ja-Stimmen und eine
Wahlbeteiligung von weniger als einem Drittel – lässt vor allem zwei
Schlussfolgerungen zu. Erstens: Offensichtlich sind nur die Anhänger des
Präsidenten zur Urne gegangen. Alle anderen Tunesier hatten entweder das
Gefühl, sie können ohnehin nichts an ihrer wirtschaftlichen und politischen
Misere ändern oder sie sind dem Boykottaufruf der Opposition gefolgt.
## Kais Saieds Politik stößt auf wenig Zustimmung
Das zeigt zweitens: Kais Saeids Stern in Tunesien sinkt. Er kann im Moment
nur weniger als ein Drittel der Bevölkerung für sich mobilisieren. Die
Wahlbeteiligung war weit entfernt von den Hochzeiten der tunesischen
Demokratie: etwa als sich im Jahr 2014 64 Prozent der wahlberechtigten
Tunesier stundenlang anstellten, um nach dem Sturz des Diktators Ben Ali
ihr erstes Parlament frei zu wählen.
Der Präsident und seine Anhänger feiern die Annahme der Verfassung als
großen Sieg. Für die Opposition dagegen haben wegen der niedrigen
Wahlbeteiligung sowohl der Präsident als auch seine Verfassung jegliche
Legitimität verloren. Kais Saied hatte einst sein Amt mit dem Versprechen
angetreten, als „starker Mann“ das Land aus der politischen Sackgasse zu
holen. Stattdessen fährt er Tunesien immer tiefer hinein.
27 Jul 2022
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Tunesien
Referendum
Kais Saied
Verfassung
Zehn Jahre Arabischer Frühling
Wahlen in Tunesien
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Protest
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