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# taz.de -- Revisionsverhandlung zu Mordurteil: Der lange Kampf der Familie Lü…
> Ab Donnerstag verhandelt der Bundesgerichtshof über die Revisionen zum
> Mordurteil im Fall Walter Lübcke. Seine Familie hofft auf einen neuen
> Prozess.
Bild: Irmgard Braun-Lübcke, die Witwe von Walter Lübcke, und ihre Söhne im O…
BERLIN taz | Am Donnerstag wird auch die Familie Lübcke in Karlsruhe beim
Bundesgerichtshof sein. Dann, wenn erneut über die Ermordung ihres Ehemanns
und Vaters Walter Lübcke verhandelt wird, im Revisionsverfahren. Und die
Familie hat eine Hoffnung: die Aufhebung des Freispruchs für den
Mitangeklagten Markus H. und einen neuen Strafprozess.
Schon den ersten Prozess zum Mord an Walter Lübcke hatte die Familie vor
Ort begleitet, [1][fast keinen Verhandlungstag verpasst]. In der Nacht zum
1. Juni 2019 war der CDU-Politiker und Kasseler Regierungspräsident auf der
Terrasse seines Hauses erschossen worden. Verurteilt wurde dafür im Januar
2021 vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main der Rechtsextremist Stephan
Ernst [2][zu lebenslanger Haft], mit besonderer Schwere der Schuld. Sein
einstiger Kumpel und Mitangeklagter [3][Markus H]., der Ernst zur Tat
angestachelt haben soll und laut dessen Aussage sogar mit am Tatort war,
wurde dagegen freigesprochen und nur wegen eines Waffenverstoßes
verurteilt.
Die Lübckes hatten den Freispruch schon damals kritisiert und Revision
eingelegt. Aufgrund „einer Vielzahl an Indizien“ sei man überzeugt, dass
Markus H. den Mord mit vorbereitete und gemeinsam mit Ernst in der Tatnacht
ausführte, erklärt die Familie aktuell über ihren Sprecher. Das Gericht sei
diesen Indizien nicht ausreichend nachgegangen oder habe sich über diese
„hinweggesetzt“, weshalb „zentrale Fragen zum Tathergang ungeklärt
blieben“. Der genaue Ablauf des Mordes und die Rolle von Markus H. treibe
die Familie aber weiter um. Mit der Aufhebung seines Freispruch und einem
neuen Prozess hoffe man doch noch auf „restlose Aufklärung“.
## Bundesanwaltschaft und Nebenklage sehen Rechtsfehler
Und auch die Bundesanwaltschaft hatte hier Revision eingelegt. Sie hatte
Markus H. für Beihilfe zum Mord zu fast zehn Jahren Haft verurteilen
wollen. In ihrer Revisionsbegründung wirft sie dem Oberlandesgericht nach
taz-Informationen vor, an den Beihilfevorwurf „zu hohe rechtliche
Anforderungen“ gestellt zu haben. So sei unverständlich, warum der Senat
nur den Aussagen von Ernst zu seinen eigenen Tatbeiträgen glaubte, nicht
aber denen zur Rolle von Markus H. Dessen rechtsextreme Ideologie und
Schießtrainings mit Ernst habe das Gericht nicht ausreichend gewürdigt.
Tatsächlich bewegte sich auch Markus H. schon in den Neunzigern in der
rechtsextremen Szene, beteiligte sich noch 2018 an einem rechten
Großaufmarsch in Chemnitz. Ermittler fanden bei ihm NS-Devotionalien und
[4][eine Zyklon-B-Dose als Stifthalter]. Zudem stellte der Waffennarr eine
verkürzte Videosequenz online, in der Lübcke 2015 auf einer
Bürgerversammlung Geflüchtetenfeinde kritisierte. Ernst begründete seinen
Mord vor allem mit diesem Auftritt Lübckes. Auch Markus H. soll einer
Freundin danach gesagt haben, Lübcke müsste man dafür „erhängen“. Für …
Oberlandesgericht aber blieben Zweifel, ob H. wirklich den Mordplan
bestärkte. Und Markus H. schwieg im Prozess, verfolgte diesen grinsend und
vertreten von zwei Szeneanwälten.
Die Bundesanwaltschaft will zudem, dass Ernst auch tatsächlich für viele
Jahre im Gefängnis bleibt. Denn das Gericht hatte neben der lebenslangen
Haftstrafe, die mindestens 15 Jahre Haft bedeutet, eine anschließende
Sicherungsverwahrung nur vorbehaltlich ausgesprochen. Die
Bundesanwaltschaft will diese aber fest verhängt wissen. Ernst wiederum
will diese dagegen ganz loswerden und auch nur wegen Totschlags verurteilt
werden, nicht wegen Mordes. Auch er hatte deshalb Revision eingelegt.
## Doch auch noch Verurteilung für Messerangriff?
Die Bundesanwaltschaft fordert zudem, dass Ernst auch für eine zweite Tat
verurteilt wird: einen [5][Messerangriff auf den irakischen Geflüchteten
Ahmad I.] von 2016, in der Nähe seines Hauses. Die Tat blieb lange
unaufgeklärt, bis Ermittler bei Ernst ein Messer mit DNA-Fragmenten von I.
fanden. Das Gericht sah aber auch diese Tat nicht zweifelsfrei
nachgewiesen. Die Bundesanwaltschaft sieht hier ebenso Rechtsfehler und
betont, dass noch weitere Indizien „in ihrer Gesamtheit auf den Angeklagten
Ernst als Täter deuten“.
Auch Ahmad I. hatte Revision eingelegt. Das Gericht habe die Indizien
falsch bewertet, sagt auch sein Anwalt Alexander Hoffmann. „Wenn man alle
Punkte zusammennimmt, ist glasklar, dass Ernst der Täter auch des
Messerangriffs war und dafür verurteilt werden muss.“
Über all das soll nun am Donnerstag vor dem Bundesgerichtshof verhandelt
werden. Eine Entscheidung soll erst am 25. August fallen.
Die Familie Lübcke kämpft derweil auch außerhalb des Gerichtssaals weiter
für das Vermächtnis des CDU-Politikers. Erst vor wenigen Wochen, zum
dritten Todestag, verteilte Sohn Christoph Lübcke mit hessischen
Politiker:innen verschiedener Parteien an gut 600
Bundestagsabgeordnete Kaffeebecher mit dem Porträt seines Vaters. Als
„tägliche Erinnerung an das stete und selbstbewusste Eintreten für unsere
freiheitlichen demokratischen Werte“, wie Lübcke erklärte. Dann stellte er
sich mit den Parlamentarier:innen vor den Bundestag, mit einem Plakat
in der Hand: „Demokratische Werte sind unsterblich.“
28 Jul 2022
## LINKS
[1] /Prozess-um-den-Mord-an-Walter-Luebcke/!5743213
[2] /Urteil-im-Luebcke-Prozess/!5743619
[3] /Plaedoyer-im-Luebcke-Prozess/!5746898
[4] /Plaedoyer-im-Luebcke-Prozess/!5746898
[5] /Prozess-zum-Mord-an-Walter-Luebcke/!5721117
## AUTOREN
Konrad Litschko
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