# taz.de -- Neue Literatur über psychische Krankheit: Der Erkrankung den Schre… | |
> Gute Literatur, die sich mit Depression und Co beschäftigt, macht das | |
> Thema auch für Nicht-Betroffene begreifbar. Zwei neuen Büchern gelingt | |
> genau das. | |
Bild: Literatur als Mittel, dem Unbeschreiblichen seinen Schrecken zu nehmen | |
Es ist nichts neu daran, Bücher über die psychische Verfasstheit zu | |
schreiben: Woolf und Plath haben es getan, Levé und Foster Wallace ebenso. | |
Auch auf dem deutschen Markt wird die Liste derer, die sich dem Thema | |
Psyche und ihrer Erkrankung widmen, länger: Kuttner, Roche, [1][Maack], | |
Melle, Bockhorst, Krömer, nicht zu vergessen von Stuckrad-Barre und von | |
Rönne. | |
Das ist nicht immer gleich gut zu lesen, vor allem nicht immer schön, doch | |
schaffen es die meisten Autor*innen, den fiesen Unwägbarkeiten eine | |
humorvolle Note zu verpassen. Ein wichtiger Kniff, dem oft | |
Unbeschreiblichen seinen Schrecken zu nehmen und es auch für diejenigen | |
greifbar zu machen, die damit glücklicherweise keine (direkte) Berührung | |
haben. | |
Zwei Namen, die ich diesem Kanon hinzufügen möchte: Minu D. Tizabi und | |
Lena-Marie Biertimpel. Beide Anfang der 1990er geboren, finden sie in ihren | |
Romanen „Revolution Morgen 12 Uhr“ (Blumenbar, 2021) und „Luftpolster“ | |
(Leykam, 2022) einen wundervoll einnehmenden Ton für das, was mit der | |
Psyche passieren kann. | |
„Es ist kein schönes Gefühl, das kann ich euch sagen. Wenn man im Leben | |
einmal psychisch erkrankt ist, nimmt einem das so eine gewisse Ursicherheit | |
weg. Die Sicherheit, den eigenen Kopf und Verstand unter Kontrolle zu | |
haben“, sagt Tizabis Protagonist. | |
Sean ist Anfang 20 und eigentlich gerade dabei, das Leben zu entdecken und | |
bestenfalls in vollen Zügen zu genießen, als er an einer Depression | |
erkrankt. Hinzu kommen Panikattacken, bei denen Sean sich „partout nicht | |
mit dem Gedanken anfreunden [kann], dass alles – der Puls, die Schmerzen, | |
der Schwindel – rein psychisch bedingt sein soll.“ | |
## Das „echte Leben“ nach der Klinik | |
Sean und Biertimpels namenlose Protagonistin suchen [2][Hilfe in | |
psychiatrischen Kliniken] und finden diese in den routineschaffenden | |
Abläufen, in der Mischung aus therapeutischer und medikamentöser | |
Unterstützung und in anderen Patient*innen. Letzteres ist kein | |
unerheblicher Faktor, hilft es einem doch zu sehen, dass man nicht allein | |
ist mit den unsichtbaren Wunden. | |
Auch ich erinnere mich noch gut [3][an diese Leidensgenoss*innen] bei | |
meinem Klinikaufenthalt. Durch sie änderte sich meine Perspektive. Ich | |
lernte das, was mir passiert war, anzunehmen. [sic!] „ich bin wirklich | |
krank, denke ich. ich weine wieder. meine seele hat auch verbrannte | |
flecken. […] aus den wunden werden narben“, so erkennt es die Protagonistin | |
in „Luftpolster“ kurz vor ihrer Klinikentlassung. | |
Dass diese unweigerlich irgendwann ansteht und man wieder zurück muss ins | |
„echte“ Leben, wissen auch die Protagonist*innen. Während Sean mit | |
einigen Mitpatient*innen auf einen skurrilen Roadtrip von Berlin nach | |
Paris geht, wird sich in „Luftpolster“ zögerlich mit der Außenwelt | |
konfrontiert. | |
Was Tizabi und Biertimpel schaffen, ist nicht nur schöne Literatur, es ist | |
auch Akzeptanz und Hoffnung. | |
27 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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