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# taz.de -- Mikroaggressionen und Psyche: Kaum sichtbar, aber sehr toxisch
> Mikroaggressionen können krank machen. Und sie treffen hauptsächlich
> marginalisierte Gruppen. Das Empfinden von Betroffenen muss anerkannt
> werden.
Bild: Dr. Chester M. Pierce, der Schöpfer des Begriffs „Mikroaggression“ 1…
„Unsere Beherrschung der Mikroaggressionen, denen wir tagtäglich ausgesetzt
sind, härtet ab und sensibilisiert zugleich“, [1][schreibt Kolleg*in
Michaela Dudley] in Bezug auf die strukturelle Unterdrückung von BIPoC,
insbesondere von weiblich gelesenen. Dass das Kraft kosten muss und sogar
krank machen kann, findet in der Mehrheitsgesellschaft kaum Beachtung.
[2][Mikroaggressionen] – geprägt hat den Begriff der US-amerikanische
Psychiater Chester Pierce, um seine eigenen Erfahrungen als Schwarzer
Student an der Harvard University in den 70er-Jahren zu beschreiben. Dort
erlebte er immer wieder abwertende Äußerungen weißer Mitstudent*innen,
explizit wie implizit. Weitergedacht hat das der Psychologe Derald Wing
Sue. So betreffen Mikroaggressionen hauptsächlich marginalisierte Gruppen,
neben BIPoC beispielsweise auch queere Menschen oder jene mit Behinderung.
Wie viele Menschen in Deutschland aufgrund von Rassismus und den damit
einhergehenden Mikroaggressionen psychisch erkranken, lässt sich nicht
genau sagen. Dass das deutsche Gesundheitssystem darauf nicht eingestellt
ist, schon. Das fange bereits mit der Repräsentation in der
psychotherapeutischen Ausbildung an, wo es meist nur einige wenige BIPoC
pro Jahrgang gebe, sagt der Psychologe Eben Louw im Interview mit Vogue.
Louw arbeitet bei Opra, einer Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer,
rassistischer und antisemitischer Gewalt in Berlin.
Rassismus und Mikroaggressionen, ebenso [3][wie andere Arten der
Diskriminierung], wirken sich auf den Selbstwert aus. Sie können
[4][Traumata verursachen], die sich in die Psyche einschreiben und sie
allmählich zerstören. Durch Stress. Über einen längeren Zeitraum wirkt er
sich negativ auf die allgemeine Gesundheit aus.
Dem entgegenwirken kann psychotherapeutische Betreuung, indem sie zunächst
mal Wahrnehmung und Empfinden Betroffener anerkennt. Ich selbst bin immer
noch erstaunt, wenn mein Therapeut meine Gefühle als legitim erachtet und
mich nicht, wie ich es als Frau vorher oft erlebt habe, als hysterisch
wahrnimmt. Das macht viel aus.
Um Menschen ihre Rassismuserfahrungen nicht leichthin abzusprechen oder die
von außen oft viel schwerer erkennbaren rassistischen Mikroaggressionen
anzuerkennen, braucht es (mehr) Expert*innen. „Race doesn’t exist, but it
matters“, so Louw, „eigentlich muss jeder nur gesehen werden.“
Farbenblindheit und das Leugnen rassistischer Strukturen seien
kontraproduktiv.
So kommt es nicht selten zu einer Re-Viktimisierung, bei der die
Betroffenen durch das Bagatellisieren ihrer Wahrnehmung erneut zum Opfer
von eben jenen Mikroaggressionen werden. Viele trauen sich dann nicht mehr,
sich Hilfe zu suchen, aus Angst, nicht verstanden zu werden. Das ist
kontraproduktiv – und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich.
10 Aug 2022
## LINKS
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[4] /Depressionen-im-Sommer/!5861113
## AUTOREN
Sophia Zessnik
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