| # taz.de -- Der Berliner CSD wirft Fragen auf: Regenbogen und Schwarze Sonne | |
| > In der rechtsextreme Szenen fungiert die Schwarze Sonne als Ersatz für | |
| > das verbotene Hakenkreuz. Das Symbol war auf dem CSD zu sehen. Nur | |
| > Einzelfälle? | |
| Bild: Christopher Street Day in Berlin am 23. Juli 2022: die Demo hat das Brand… | |
| Der [1][44. Berliner CSD] lief mit großem Andrang über die Bühne, und die | |
| Veranstalter „ziehen eine positive Bilanz“. Na ja, positiv. In Zeiten von | |
| Covid und MPXV schwingt bei der Mitteilung ein wenig Ironie mit. Mal | |
| hoffen, dass es bei der Menschenmenge, die sich am vergangenen Samstag aus | |
| rund 600.000 fieberhaft feiernden Teilnehmenden zusammensetzte, zu keinen | |
| Virenübertragungen kam. Das sage ich als hypochondrische Hedonistin, aber | |
| eben aus dem Herzen. 2019 genoss ich die Ehre, beim Berlin Pride im | |
| RBB-Fernsehen als Gastmoderatorin aufzutreten. Wenige Monate später kam die | |
| Pandemie. Wie ich mich freuen würde, wenn der Spuk vorbei ist, wenn wir | |
| diese Ketten der Krankheitserreger endlich sprengen können. | |
| Aber selbst dann, wenn es uns gelingen würde, Corona und Affenpocken hinter | |
| uns zu lassen, wäre für viele Fans der Pride-Parade das Affentheater nicht | |
| vorbei. Denn es gibt weitere Viren, von denen die Gesellschaft akut geplagt | |
| wird, und diese machen vor dem CSD keinen Halt. | |
| Das hat sich am letzten Wochenende gezeigt. Durchwachsenes Wetter war | |
| angesagt. Morgens hat es geschüttet, pünktlich zum Start strahlte der | |
| Himmel. Aber entlang der Route, die von der Leipziger Straße durch | |
| Schöneberg, an der Siegessäule vorbei bis zum Brandenburger Tor führte, war | |
| die Stimmung immer wieder bewölkt. Der Regenbogen wurde stellenweise von | |
| Schwarzen Sonnen verfinstert. | |
| Die Schwarze Sonne ist ein Symbol, das sich aus einem Dutzend in Ringform | |
| dargestellten, gespiegelten Siegrunen zusammensetzt. Das zwölfspeichige | |
| Sonnenrad war in den Jahren des nationalsozialistischen Staatsterrors von | |
| der SS im Nordturm der Wewelsburg als Bodenornamente eingeführt worden. In | |
| den rechtsextremen Szenen fungiert die Schwarze Sonne als Ersatz für das in | |
| der Bundesrepublik verbotene Hakenkreuz und somit als Erkennungssymbol für | |
| gleichgesinnte Volksgenossen, die mit dem Ergebnis des 8. Mai 1945 nicht | |
| einverstanden sind. So ist es besorgniserregend, dass beim Berliner CSD | |
| Ordner im Einsatz waren, die ebenjenes Symbol wortwörtlich am Leibe trugen. | |
| Nicht nur auf dem T-Shirt, sondern auch als Tätowierung. | |
| ## Lauter Einzelfälle dieser Art | |
| Einzelfälle sicherlich, oder? Ja, lauter Einzelfälle dieser Art gab es | |
| entlang der sieben Kilometer langen Strecke. Social-Media-Nutzer*innen | |
| meldeten entsetzt die Entdeckungen in Echtzeit, und zwar mitsamt Bild- und | |
| Videobelegen. Am Potsdamer Platz sichtete ich nicht nur Queers, sondern | |
| auch Querdenker*innen. Letztere mokierten sich über meine | |
| Mund-Nasen-Bedeckung. Einer von ihnen fragte, ob ich Angst vor der | |
| Gaskammer hätte. Da helfe keine Maske. | |
| Auf Instagram schrieb @naijaberlinboy2, man könne sich die Teilnehmenden | |
| leider nicht aussuchen, aber die Sicherheitsleute auf jeden Fall. Wohl | |
| wahr. Und darum geht es. | |
| Via Twitter berichtete @ SoLaLa-und_Lila, der Wagen, der laut Truck-Liste | |
| die Gruppen „Bunte Vielfalt e.V. “ und „Revolver Party“ beförderte hab… | |
| sei offenbar von Leuten mit Nazizeichen bewacht worden. Ein Ordner mit der | |
| Schwarzen Sonne ganz sichtbar auf dem linken Arm stand im Brennpunkt der | |
| Fotoaufnahme. Auf der Rückseite seiner Weste befand sich übrigens die | |
| Schrift „silas-protect.de“. Die Userin @Melike_Berfe entdeckte einen Ordner | |
| mit ähnlich störenden Tätowierungen, und zwar ausgerechnet bei der | |
| Schwulenberatung Berlin. „Euer Ernst? Ich sollte nicht überrascht sein, | |
| aber Nazis als Ordnungsdienst?“ zwitscherte sie. Auf Nachfrage habe sich | |
| niemand dafür interessiert, ihr eine Erklärung zu geben. | |
| Die Schwulenberatung, die unter anderem aus Landesmitteln finanziert wird, | |
| schreibt sich seit 2015 explizit auf die Fahne, LGBTQI-Flüchtlinge mit | |
| einem Beratungsangebot zu betreuen. Kann man sich vorstellen, wie | |
| eingeschüchtert die Betroffenen und ihre Verbündeten sich fühlen müssten, | |
| von bekennenden Faschos „geschützt“ zu werden? Ein Versehen? War man „nu… | |
| darauf bedacht, kostengünstige Sicherheitsleute zu beschäftigen? Um welchen | |
| Preis? Und wann bzw. inwieweit wurde der CSD-Vorstand darüber in Kenntnis | |
| gesetzt? | |
| Der 44. CSD ereignete sich unter dem Motto: „United in Love! Gegen Hass, | |
| Krieg und Diskriminierung.“ Zumindest offiziell. Aber der bunte Spruch | |
| passt irgendwie nicht zu braunen Schützern. Regenbogen und Schwarze Sonne? | |
| Die Kombination klingt nicht nach Safe Spaces, sondern nach einem | |
| Schwelbrand. | |
| 27 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michaela Dudley | |
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