# taz.de -- Aufstieg der italienischen Rechten: Mussolini ist kein Tabu mehr | |
> Den Umfragen zufolge könnte die postfaschistische Fratelli d’Italia die | |
> Wahlen im September gewinnen. Das wäre eine Katastrophe für ganz Europa. | |
Bild: Italien fehlt eine moderate und proeuropäische Partei | |
Es ist egal, wen man für den Sturz des Draghi-Kabinetts beschuldigt, ob die | |
Fünf Sterne von Giuseppe Conte, die dieses Desaster initiiert haben, oder | |
Matteo Salvini und [1][Silvio Berlusconi], die ihm mit der Verweigerung des | |
Vertrauens am Mittwoch den finalen Schlag verpasst haben. So oder so, die | |
Folge ist klar: Italien droht der Rechtsruck. | |
Glaubt man den Umfragen, wird bei der vorgezogenen Wahl Ende September | |
Giorgia Meloni mit ihrer postfaschistischen Oppositionspartei Fratelli | |
d’Italia gewinnen, eine Partei, für die Benito Mussolini kein Tabu mehr | |
ist. | |
Obwohl es korrekter wäre zu sagen: für die Mussolini nie ein Tabu war. | |
Nicht, dass das ein Unikum wäre: Die fehlende Auseinandersetzung mit der | |
eigenen faschistischen Vergangenheit führt in Italien dazu, dass | |
ausgerechnet hier, wo der Faschismus vor hundert Jahren entstanden ist, | |
rechtsradikale Parteien politisch vollkommen salonfähig sind, sowohl in den | |
Institutionen als auch in der Gesellschaft. | |
Bestenfalls werden sie als Folklore wahrgenommen oder bagatellisiert, was | |
bekanntlich der erste Schritt in Richtung Akzeptanz ist. | |
Dass nun die nationalistische Fratelli d’Italia gute Chancen hat, die | |
Ministerpräsidentin zu stellen, ist also der letzte Akt einer Verschiebung | |
nach rechts, die mindestens seit den neunziger Jahren andauert und die | |
ganze Politik (ja, auch die linken Parteien) betrifft. In Italien, und das | |
ist eines der größten Probleme, fehlt immer noch eine seriöse, moderate und | |
proeuropäische konservative Partei, die sich konsequent von den Extremisten | |
und dem historischen Faschismus distanziert. | |
## Der Selbstanspruch von Forza Italia wirkt unglaubwürdig | |
Die Partei von Silvio Berlusconi, [2][Forza Italia], will auf dem Papier | |
die Mitte-rechts-Wähler vertreten. Doch nicht erst die jüngste | |
Entscheidung, die Regierung von Draghi nicht zu unterstützen und | |
stattdessen Salvini und Meloni den Rücken zu stärken, macht diesen | |
Selbstanspruch der Partei unglaubwürdig. | |
Auch wenn Mario Draghi bis zum natürlichen Ende der Legislaturperiode im | |
März 2023 weitergemacht hätte, was sich die Mehrheit der Italiener und | |
Italienerinnen im Hinblick auf die Inflation, den Krieg in der Ukraine und | |
die Pandemie zu Recht gewünscht hätte, wäre das Gespenst des | |
Rechtsradikalismus früher oder später trotzdem aufgetaucht. Denn komplett | |
weg waren die Rechten in den vergangenen Monaten nie, ganz im Gegenteil: | |
vor allen bei den vielen Coronademos, aber auch in der Debatte um die | |
Waffenlieferung für die Ukraine waren die rechten Parteien stets bereit, | |
den Unmut geschickt populistisch auszunutzen. | |
Mit Erfolg für die eigene Agenda. Und mit [3][finsteren Folgen] für das | |
ganze Land. | |
24 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Francesca Polistina | |
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