# taz.de -- Hitler-Vergleiche in Mexiko: Der richtige Dämon | |
> Der mexikanische Staatschef Andrés Manuel López Obrador streut gern | |
> abstruse Hitler-Vergleiche. Er selbst ist überzeugt, dass er die Politik | |
> verändert. | |
Bild: Hat's mit Medien und Öl: Präsident Andrés Manuel López Obrador | |
Er hätte einfach einen Rückzieher machen und sich entschuldigen können. Er | |
hätte sagen können: „Sorry, es war Unsinn, dem jüdischen Publizisten und | |
Filmemacher Carlos Alazraki zu unterstellen, er orientiere sich an Hitlers | |
Denken.“ Doch der [1][mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador] | |
wäre nicht Andrés Manuel López Obrador, wenn er in Streitigkeiten mit | |
seinen Gegnern*innen klein beigeben würde. | |
Schon gar nicht, wenn es sich um Journalistinnen, soziale Aktivisten oder | |
eben Publizisten handelt. Schließlich ist die Zurschaustellung der | |
vermeintlich schlimmsten „Medienlügen“, die der Staatschef wöchentlich im | |
Rahmen seiner Pressekonferenzen präsentiert, genau dafür gemacht: den | |
Gegner dämonisieren und diffamieren. | |
Also legte López Obrador noch zu, nachdem ihn jüdische Organisationen wegen | |
des Nazibezugs Anfang Juli kritisiert hatten. Niemand dürfe so genannt | |
werden, schrieben sie und erklärten: „Jeder Vergleich mit dem blutigsten | |
Regime der Geschichte ist bedauerlich und nicht zu akzeptieren“. | |
Er habe viele jüdische Freunde, außergewöhnliche Menschen, Leute der | |
Arbeit, gute Leute, reagierte der Präsident. „Aber das heißt ja nicht, dass | |
die gesamte Gemeinde eine Lizenz dafür hat, dass jemand aufgrund seiner | |
Ideale, seines Denkens, seines Konservativismus und, ich wiederhole, seiner | |
Nähe zu Hitler eine Bewegung der Transformation beschädigen darf“, sagte | |
der linke Staatschef, der davon überzeugt ist, dass er die mexikanische | |
Politik grundlegend verändert. | |
## Behauptungen ohne Beweise | |
Dass Alazraki an López Obradors Pranger stand, ist nicht weiter | |
verwunderlich. Der Publizist zählt, im Gegensatz zu anderen, die der | |
Staatschef regelmäßig denunziert, zu den etwas jenseitigen | |
Kritiker*innen des Präsidenten. Auch der Anlass für den Nazivergleich | |
war eine der abstrusen Äußerungen Alazrakis. | |
Der Publizist hatte in einer Online-Show behauptet, über den neuen | |
Flughafen von Mexiko-Stadt, eines von López Obradors Lieblingsprojekten, | |
würden Migrant*innen aus Venezuela illegal, ohne Papiere, ins Land | |
einreisen. Beweise hat er nicht. Auch in der Tageszeitung El Universal | |
hetzt der Kolumnist regelmäßig gegen das Staatsoberhaupt und dessen Partei | |
Morena. Sein Credo: „Umso mehr Lügen du über Morena verbreitest, umso | |
besser.“ | |
Es gibt also keinen Grund, Alazraki als politischen Akteur in Schutz zu | |
nehmen. Was natürlich nichts an der Kritik am Nazivergleich ändert. Die | |
Reaktionen, die dieser bei den Freund*innen López Obradors, kurz AMLO, | |
auslöste, verweisen auf den Sumpf, in dem solche Worte ihre Wirkung zeigen. | |
Unter Hashtags wie #alazrakiparasito erklären dessen Fans auf Twitter: | |
„Egal was die Juden sagen, ich unterstütze AMLO.“ Fotos zeigen Alazraki | |
abfällig als Frau oder Transgender, die Deutsche Welle wird aufgrund eines | |
kritischen Berichts zu dem Thema als „Prostituiertenpresse“ bezeichnet. | |
## Hochzeit mit Verehrung von Hitler | |
Nicht nur in diesem Fall waren es die Vertreter*innen der knapp 60.000 | |
[2][mexikanischen Jüdinnen und Juden], die auf die Unerträglichkeit solcher | |
historischen Bezüge hinwiesen. Im Mai feierte ein Paar seine Hochzeit in | |
Verehrung von Adolf Hitler und Eva Braun just an dem Tag, an dem auch die | |
beiden geheiratet hatten: in Nazikleidung, mit einem Hakenkreuz-verzierten | |
VW Käfer und entsprechender soldatischer Begleitung. Die regionale Presse | |
hat die Sache als Kuriosum verbreitet, Tage später intervenierte der | |
Ombudsmann gegen Diskriminierung. | |
Solche und ähnliche Geschichten kommen immer wieder mal vor. Auf dem Portal | |
SDPnoticias erhebt der Kommentator José Miguel Calderón dennoch schwere | |
Vorwürfe gegen den Präsidenten. López Obrador bringe mit seinem Vergleich | |
das „brutale und peinliche Unwissen über die universelle Geschichte“ von | |
ihm und seiner Bewegung zum Ausdruck. Zugleich bittet er die jüdische | |
Gemeinde um Verzeihung: „Ganz ehrlich, letztlich denke ich, dass AMLO nicht | |
weiß, was er sagt.“ Ob damit alles erklärt ist? | |
19 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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