# taz.de -- Streit über Russland-Sanktionen: Linke ärgert sich über Klaus Er… | |
> Der Linken-Abgeordnete fordert Gespräche mit Russland über Nordstream 2. | |
> Damit stellt er sich gegen die Beschlusslage der Partei. | |
Bild: Mit Äußerungen zu den Sanktionen gegen Russland sorgt Klaus Ernst für … | |
BERLIN taz | Dass Klaus Ernst so sein ganz eigenes Verhältnis zum | |
Ukraine-Krieg im Allgemeinen und zu den westlichen Sanktionen gegen | |
Russland im Besonderen hat, ist schon [1][seit längerem bekannt]. Bisher | |
beschränkten sich Partei- und Fraktionsführung der Linken stets darauf, | |
schweigend mit den Augen zu rollen, wenn sich der bayrische | |
Bundestagsabgeordnete öffentlich mal wieder etwas eigentümlich äußerte. | |
Doch nun haben sie sich erstmals offen von ihm distanziert. | |
Der Anlass ist ein aktuelles Interview von Ernst in der Rheinischen Post. | |
Darin bezichtigt der 67-jährige Ex-Linksparteivorsitzende die | |
Bundesregierung einer „völlig verfehlten Sanktionspolitik“, deren | |
Leidtragende „unsere Bürger und unsere Wirtschaft“ seien. Es sei | |
„unmoralisch, die Sanktionen in dieser Art und Weise aufrechtzuerhalten“. | |
Stattdessen müsse die Regierung, so fordert Ernst, „dafür sorgen, dass die | |
Energiepreise durch ein steigendes Angebot, auch durch Russland, begrenzt | |
bleiben“. Dafür müsse man mit Moskau reden, und zwar „gegebenenfalls auch | |
darüber, Nord Stream 2 befristet in Betrieb zu nehmen, wenn die | |
Gasversorgung nicht anders zu gewährleisten ist“, so Ernst. | |
Mit für ihn ungewöhnlich deutlichen Worten reagierte Linksfraktionschef | |
Dietmar Bartsch am Dienstag auf den Vorstoß von Ernst. „Die Linke und die | |
Linksfraktion fordern NICHT die Aufnahme von Gesprächen über Nordstream 2“, | |
twitterte Bartsch. Offenkundig scheint ihm langsam der Geduldsfaden zu | |
reißen. | |
## Gegen die Beschlusslage der Linkspartei | |
Wie es aus Fraktionskreisen heißt, sollte Ernst eigentlich am Dienstag in | |
der von der Unionsfraktion beantragten Aktuellen Stunde zum Thema | |
Konzertierte Aktion, Energiesicherheit und Bundeshaushalt sprechen. Das | |
jedoch ersparte sich die Linksfraktion dann lieber. | |
Die Äußerungen von Ernst in dem aktuellen Interview bringen die Linke in | |
die Bredouille. Schließlich ist der frühere Parteivorsitzende nicht | |
irgendein unbedeutender Hinterbänkler. Vielmehr ist er Vorsitzender des | |
Ausschusses für Klimaschutz und Energie, bekleidet also den einzigen | |
Ausschussvorsitz, den die Linksfraktion stellen darf. | |
Auch die heutigen Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan | |
sowie Bundesgeschäftsführer Tobias Bank sahen sich zu einer Klarstellung | |
genötigt. Gleichlautend twitterten sie, der [2][Linken-Bundesparteitag Ende | |
Juni in Erfurt] habe „klare Entscheidungen“ getroffen: „Wir fordern einen | |
Preisdeckel für Gasimporte, gezielte Sanktionen gegen Oligarchen, die | |
Nichtinbetriebnahme von Nordstream2 und die Beschleunigung der | |
Energiewende“, so das Linken-Führungstrio. | |
Tatsächlich widersprechen die Äußerungen von Ernst [3][den Beschlüssen des | |
Erfurter Parteitags]. „Die Möglichkeiten, den Import von fossilen | |
Energieträgern aus Russland schnellstmöglich einzuschränken, müssen | |
ausgenutzt werden“, beschlossen die Delegierten dort. Und auch: „Es ist | |
richtig, dass angesichts des Ukrainekrieges Nordstream 2 nicht in Betrieb | |
genommen wird.“ Ausdrücklich sprachen sie sich für Sanktionen „gegen Puti… | |
Machtapparat und den militärisch-industriellen Komplex“ aus. Ernst war auf | |
dem Parteitag anwesend, beteiligte sich jedoch nicht an der Debatte. | |
## Unterstützung von Wagenknecht und Lafontaine | |
Während Partei- und Fraktionsführung auf Distanz zu Ernst gehen, erhält er | |
Unterstützung von der Ex-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die der | |
Bundesregierung vorwarf, eine „irre Sanktionspolitik“ zu betreiben. Wie | |
Ernst forderte auch Wagenknecht entgegen der Parteipositionen: „Sanktionen | |
aufheben, zur Not Gas über Nord Stream II beziehen!“ Die | |
Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen warf der Ampelkoalition vor, | |
sie führe einen „selbstmörderischen Wirtschaftskrieg gegen Russland“. | |
Wagenknecht, Dağdelen und Ernst gehören zu einer kleinen Gruppe in der | |
Linksfraktion, die seit Anfang an gegen die offizielle Haltung der | |
Linkspartei zum Ukraine-Krieg Front macht. Bereits [4][Ende Februar warf | |
Gregor Gysi] seinen Fraktionskolleg:innen eine „völlige | |
Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der | |
Verletzten und dem Leid“ vor. Sie seien nur daran interessiert, ihre „alte | |
Ideologie in jeder Hinsicht zu retten“. | |
Mit der Mehrheit in der Partei und der Fraktion überkreuz, liegen | |
Wagenknecht, Dağdelen und Ernst allerdings ganz auf der Linie des im März | |
aus der Linken ausgetretenen Oskar Lafontaine. Der Ex-Partei- und | |
Fraktionschef meldete sich auf Facebook zu Wort: „Wenn man an die eigene | |
Bevölkerung denkt, gibt es nur eine Lösung: Öffnet Nord Stream 2, um das | |
Schlimmste zu verhindern“, schrieb der 78-jährige Politpensionär. | |
„Wenn man nur von Staaten wie den USA, Saudi-Arabien oder Katar und | |
Russland, denen man völkerrechtswidrige Kriege vorwirft, Energie beziehen | |
kann, dann sollte man den Lieferanten bevorzugen, der die beste und | |
günstigste Ware hat“, so Lafontaine. „Das ist Russland.“ | |
6 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Linkspartei-in-der-Existenzkrise/!5845373 | |
[2] /Bundesparteitag-der-Linken/!5860858 | |
[3] https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteitag/erfurter-parteit… | |
[4] /Gysi-attackiert-Wagenknecht--Co/!5838062 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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