| # taz.de -- Dramatische Lage beim Rettungsdienst: Der Senat übt jetzt Druck aus | |
| > Der Rettungsdienst der Feuerwehr befindet sich schon länger im | |
| > Dauerausnahmezustand. Die Senatsverwaltung für Inneres will nun | |
| > durchgreifen. | |
| Bild: Ein Rettungssanitäter bereitet eine Vakuummatratze zum Transport einer v… | |
| Berlin taz | Es brennt bei der Feuerwehr und das nicht erst seit gestern: | |
| zu wenig Notfallsanitäter, zu wenig funktionierende Rettungswagen, die | |
| vorhandene Belegschaft vollkommen überlastet. Nun greift die | |
| Senatsverwaltung für Inneres durch. Am Mittwoch teilte Innenstaatssekretär | |
| Torsten Akmann (SPD) mit, er habe eine Steuerungsgruppe eingesetzt, die | |
| binnen von drei Monaten Lösungsvorschläge erarbeiten soll. „Die hohe | |
| Einsatzanforderung im Rettungsdienst muss gesenkt werden“, so Akmann. | |
| Der Rettungsdienst der Feuerwehr befindet sich schon länger in einer Art | |
| Dauerausnahmezustand. Der tritt ein, wenn die vorhandenen Rettungswagen zu | |
| mehr als 80 Prozent ausgelastet sind und die vorgegebenen zehn Minuten vom | |
| Anruf bis zum Eintreffen beim Patienten nicht einzuhalten sind. Laut | |
| Tagesspiegel befand sich der Rettungsdienst 2021 insgesamt 178 Mal im | |
| Ausnahmezustand, in diesem Jahr sei diese Marke bereits zur Jahresmitte | |
| erreicht gewesen. | |
| Bereits eine von der Feuerwehrführung eingesetzte Taskforce hatte sich seit | |
| September 2021 mit der angespannten Lage beschäftigt und Vorschläge | |
| erarbeitet, die aber nicht den Erwartungen entsprachen. „Ich stelle fest, | |
| dass die Taskforce in der Umsetzung ihren Job nicht richtig gemacht hat,“ | |
| sagte Akmann. Die Steuerungsgruppe, die aus zwei leitenden Mitarbeitern der | |
| Innenverwaltung und zwei Feuerwehrleuten besteht, werde noch einmal „jeden | |
| Stein umdrehen“. | |
| Die Dramatik der Lage sei ihm letzte Woche bei einer | |
| Personalratsversammlung noch einmal deutlich vor Augen geführt worden, | |
| sagte Akmann. Mit Personalmangel hätten viele Feuerwehren in Deutschland zu | |
| kämpfen, Berlin sei kein Einzelfall. Es seien auch bereits 800 neue Stellen | |
| geschaffen und eine Azubi-Offensive gestartet worden, „aber das ist kein | |
| Problem, das angesichts des Fachkräftemangels von heute auf morgen lösbar | |
| ist.“ | |
| ## „Da müssen wir ran“ | |
| Änderungsbedarf gebe es vor allem, was den Transport von sogenannten | |
| Bagatellfällen betreffe. „Das ist eine große Drehschraube.“ Soll heißen:… | |
| müssen Möglichkeiten gefunden werden, Bagatellfälle von wirklich ernsten | |
| Fällen zu trennen, wenn der Anruf unter 112 eingeht. An die Protokolle, die | |
| bei diesen Anrufen angefertigt werden, so Akmann, „müssen wir ran“. | |
| In den Gesprächen mit den Gewerkschaften und dem Personalrat sei auch die | |
| hohe Ausfallquote der Rettungswagen zur Sprache gekommen. Die Reparaturen | |
| aber auch die Säuberungen nach den Krankentransporten dauerten zu lange. | |
| Vor allem aber fehlten Notfallsanitäter. Mit einer Änderung des | |
| Rettungsdienstgesetzes könnte erreicht werden, dass Rettungssanitäter und | |
| nicht mehr, wie bisher vorgeschrieben, Notfallsanitäter die Notärzte | |
| fahren. Die Notfallsanitäter würden für die Rettungswagen gebraucht. | |
| Auch mit der Gesundheitsverwaltung seien Fragen zu klären, so Akmann. Bei | |
| einer Verlegung zwischen zwei Krankenhäusern werde derzeit auch bei ganz | |
| normalen Kranken auf den Rettungsdienst der Feuerwehr zurückgegriffen. „Zu | |
| oft“ würden sich auch Krankenhäuser „abmelden“, so dass der Rettungswag… | |
| nicht das nächstgelegene, sondern ein weiter entferntes Krankenhaus | |
| ansteuern müsse. Auch das koste Zeit. Eine kurzfristige Entlastung könne | |
| auch dadurch erfolgen, private Anbieter in die Krankentransporte | |
| einzubinden. | |
| Die Einsetzung der Steuerungsgruppe könnte man als Entmachtung der | |
| Feuerwehr interpretieren. Auf Nachfrage sagte der Staatssekretär, | |
| Landesbranddirektor Karsten Homrighausen habe das uneingeschränkte | |
| Vertrauen von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und ihm. Auch für die | |
| Haltung des ärztlichen Leiters, Stefan Poloczek, habe man volles | |
| Verständnis. Poloczek ist derjenige, der die Vorgaben macht, die dazu | |
| führen, dass Bagatellfälle zu wenig von ernsten Fällen unterschieden | |
| werden. Als Arzt müsse es natürlich in Poloczeks Interesse sein, auf den | |
| individuellen Patienten zu gucken, so Akmann. „Aus unserer Sicht muss aber | |
| das Gemeinwohl stärker als bisher im Vordergrund stehen.“ | |
| 21 Jul 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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