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# taz.de -- Ukrainer*innen in Berlin: „Wir halten den Dialog aufrecht“
> Russischsprachigen Berliner*innen und Geflüchteten aus der Ukraine
> hilft der Club Dialog. Ohne Konflikte, sagt Projektleiterin Lenke Simon.
Bild: Begehrte Fachkräfte: Auch die Bundesagentur für Arbeit wartet schon am …
taz: Frau Simon, der Club Dialog ist die größte und älteste
Selbstorganisation von Berliner*innen russischer Herkunftssprache, die
aus verschiedenen Ländern kommen. Wie steht es um den Dialog angesichts des
russischen Kriegs gegen die Ukraine?
Lenke Simon: Wir haben als Club Dialog den Krieg bereits am ersten Tag auf
unserer Webseite klar verurteilt. Wie arbeiten hier mit 15 Nationalitäten
und wollen den Dialog aufrecht erhalten. Wir helfen Menschen, wir führen
keine politischen Diskussionen. Und wir haben Erfahrung mit solchen
Situationen, durch den Krimkrieg 2014 oder den Konflikt zwischen Russland
und Tschetschenien, auch zwei Gruppen, die wir hier in Berlin als
Mitarbeiter*innen und Klient*innen einbinden.
Der Club Dialog bietet in vielen Themenfeldern Beratung und Unterstützung –
beraten Sie auch ukrainische Geflüchtete?
Ja! Deshalb hat der Verein momentan so viel Arbeit wie nie – wir kommen gar
nicht zu politischen Debatten. Wir machen ein Projekt mit Freiwilligen, die
die Flüchtlinge direkt am Bahnhof abholen und bei der Verteilung und
Registrierung helfen. Das sind überwiegend russischsprachige Menschen, und
wir haben nie erlebt, dass es da Konflikte oder Ressentiments vonseiten der
Geflüchteten gegeben hat.
Welche Bedarfe haben die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine?
Eine Kollegin hat das kürzlich gut in einem Satz zusammengefasst: Sie
wissen nicht, was sie nicht wissen. Wir müssen immer einen Schritt voraus
denken. Wie sucht man Arbeit, wie meldet man Kinder zur Schule an – diese
ganzen administrativen Wege sind ihnen unbekannt. Dazu kommt, dass die
Ukraine bereits stark digitalisiert ist. Es ist für die Geflüchteten oft
eine große Überraschung, dass das hier alles mit Termin läuft und mehrere
Monate dauert.
Wie werden sie in der russischsprachigen Community hier aufgenommen?
Wir erleben die Community als sehr aufgeschlossen und hilfsbereit. Unser
Projekt für ehrenamtliche Patenschaften für Geflüchtete, „Vitamin P“, wi…
von beiden Seiten sehr gut angenommen.
Über die ukrainischen Flüchtlinge wird zunehmend auch als begehrte
Fachkräfte geredet – wollen denn viele bleiben?
Derzeit möchte etwa die Hälfte nach dem Krieg unbedingt schnell zurück. Wir
wissen aber auch, dass sich diese Bleibeabsichten mit der Zeit und der
Verbesserung der Deutschkenntnisse ändern können. Es sind viele gut
ausgebildete Leute unter den Geflüchteten, viele haben akademische
Abschlüsse. Wichtig dabei ist: Es sind zu 85 Prozent Frauen, viele mit
pädagogischen oder medizinischen Berufen.
Sie kamen einst selber als Kriegsflüchtling nach Berlin – wie ist die
Situation für Sie persönlich?
Ich bin mit 12 Jahren mit meiner Familie aus dem Jugoslawienkrieg
hergekommen. Ich beobachte Parallelen, etwa die Feindbildkonstruktion in
der Öffentlichkeit – da gibt es gut und böse, damals waren es die Kroaten
und die Serben, jetzt sind es die Ukrainer und die Russen. Das sind sehr
problematische Zuschreibungen, mit denen ganze Bevölkerungsgruppen unter
der Politik ihres Herkunftslandes leiden. Was jetzt besser ist: der
schnelle Zugang der Geflüchteten zum Arbeitsmarkt, die Erleichterungen bei
der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Da hat man damals große Fehler
gemacht hat, viele der Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien sind
damals weitergewandert – da sind die Fachkräfte vergrault worden, die heute
fehlen. Das ist ein bitterer Nachgeschmack für die Generation meiner
Eltern. Meine Mutter hätte hier auch gerne in ihrem alten Beruf als
Ingenieurin für Brandschutz weiter gearbeitet.
Man hört, dass die ehrenamtliche Hilfe nachlässt – was können
Berliner*innen für die ukrainischen Geflüchteten Ihrer Meinung nach
derzeit sinnvollerweise tun?
Es sind einige ehrenamtliche Angebote in Regelstrukturen überführt worden,
im Herbst starten viele Projekte zur Arbeitsmarktintegration, das ist gut.
Aber: Alltägliche Hilfen, persönliche Zuwendung können Regelstrukturen
nicht leisten. Es ist deshalb wichtig, Geflüchtete weiter etwa mit
Patenschaften zu unterstützen.
30 Jun 2022
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Serie Flucht aus der Ukraine
Fachkräftemangel
Geflüchtete
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Serie Flucht aus der Ukraine
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Schwerpunkt Flucht
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