# taz.de -- Forschungsförderung in Deutschland: Im Datengrab der Forschungspol… | |
> Zwei Berichte geben Aufschluss, woher Wissenschaftsgelder kommen und | |
> wohin sie gehen. EU-weit ist Deutschland führend bei der Förderung. | |
Bild: Doktorandin im Reinraumlabor im MEET-Batterie-Forschungszentrum in Münst… | |
Wo steht Deutschland mit seiner Forschungspolitik und wie soll es | |
weitergehen? Zur Beantwortung dieser Fragen sind in den letzten Wochen zwei | |
voluminöse regierungsamtliche Reports erschienen, die jenseits der | |
bekannten Politiklyrik („Aufbruch in ein Transformationsjahrzehnt“) | |
zugleich eine datenbasierte Grundlage über die Entwicklung des deutschen | |
Wissenschaftssektors liefern. Wir haben uns in die beiden Berichte – den | |
deutschen [1][„Bundesbericht Forschung und Innovation 2022“ (BUFI)] und den | |
Bericht der EU-Kommission [2][„Science, Research and Innovation Performance | |
of the EU“ (SRIP)] vertieft und nach Zukunftstrends gesucht. | |
Beide Reports nebeneinander gelegt, zeigt sich, dass der europäische Weg | |
zur innovativen Spitzenposition deutlich mehr Holpersteine aufweist als der | |
deutsche. Seit zwei Jahrzehnten wird von den europäischen | |
Innovationspolitikern in Kommission und Parlament eisern das Ziel verfolgt, | |
dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU-Staaten in Forschung und | |
Entwicklung investiert werden sollen, mit dem Effekt, dass dadurch der | |
europäische Kontinent zur „innovativsten und wettbewerbsfähigsten Region | |
weltweit“ aufsteigen soll. | |
In Trippelschritten wurde davon bis 2020 lediglich die Marke von 2,32 | |
Prozent erreicht, während Deutschland bereits die 3-Prozent-Hürde | |
überschritten hat und bis 2025 einen BIP-Anteil von 3,5 Prozent anstrebt. | |
Tatsächlich kann sich Deutschland ausweislich der SRIP-Tabellen vielfach | |
als amtierender europäischer Innovationschampion fühlen. 2020 wurden 34 | |
Prozent aller [3][FuE-Investitionen] innerhalb der EU mit einer Gesamtsumme | |
von 205 Milliarden Euro in Deutschland realisiert. Das ist so viel wie in | |
23 anderen EU-Mitgliedsstaaten zusammen. | |
Zehn Jahre zuvor betrug der deutsche Anteil noch 32 Prozent. Dagegen hat | |
sich der Anteil der beiden nachfolgenden Powerländer im Innovationskonzert | |
– Frankreich mit 17 Prozent und Italien mit 8 Prozent – im | |
Vergleichszeitraum sogar verringert. Bei einem von der | |
Wirtschaftsorganisation OECD angestellten Vergleich der FuE-Ausgaben mit | |
der Zahl der forschenden Personen zeigt sich, dass Deutschland mit einer | |
FuE-Quote von 3,2 Prozent und zehn Forschern je 1.000 Erwerbstätige zwar im | |
Quadrant der Besten angesiedelt ist. Aber noch ein Stück besser sind bei | |
diesen Verhältniswerten Österreich, Japan, die USA, Belgien, Schweden – und | |
uneinholbar Südkorea (5,8 Prozent). | |
## Weniger Geld in der Industrie | |
Bei der [4][Forschung und Entwicklung (FuE) durch die deutsche Wirtschaft] | |
zeigt sich im BUFI deutlich der Einbruch im verarbeitenden Gewerbe, der | |
Industrie, die 2019 noch 64,3 Milliarden Euro für FuE ausgab, im ersten | |
Coronajahr 2020 aber nur noch 57,3 Milliarden – ein Rückgang von mehr als | |
10 Prozent. Dabei sind die Effekte bei näherem Hinsehen durchaus | |
unterschiedlich. Während die FuE im Automobilbau um 4 Milliarden auf 24,4 | |
Milliarden einbrach, blieb sie in den Branchen Chemie (4,2 Milliarden), | |
Pharma (5,2 Milliarden) und Informationstechnik (8,6 Milliarden) annähernd | |
gleich. | |
Im Wirtschaftsbereich Information und Kommunikation gab es sogar einen | |
Sprung von 4,2 auf 4,5 Milliarden Euro. Verantwortlich dafür das Homeoffice | |
und die vermehrten Videokonferenzen wegen des Coronalockdowns. Insgesamt | |
aber reduzierte sich die wirtschaftsseitige FuE in den Jahren von 2019 zu | |
2020 von 75 auf 71 Milliarden Euro. | |
In die deutschen Hochschulen flossen 2019 insgesamt 40,1 Milliarden Euro. | |
Das waren 4 Milliarden mehr als 2017 – 10 Prozent zusätzlich in zwei | |
Jahren, das ist schon ein guter Schnitt. Den Hauptbatzen erhielten 2019 mit | |
25,1 Milliarden Euro die Universitäten, gefolgt von den Fachhochschulen mit | |
8,2 und den Unikliniken mit 6,7 Milliarden Euro. Knapp die Hälfte des | |
Hochschulbudgets, nämlich 19,1 Milliarden Euro, flossen in die Forschung, | |
der Rest in die akademische Lehre. Der Drittmittelanteil, also die von | |
externen Auftraggebern finanzierten Forschungsprojekte, erhöhte sich auf | |
8,7 Milliarden, was schon einen nennenswerten Anteil am Forschungsbudget | |
der Hochschulen ausmacht. | |
Wie verteilen sich die Forschungsgelder regional auf die Bundesländer? Von | |
der Gesamtsumme von 92 Milliarden Euro im Jahr 2016, die sich auf 109 | |
Milliarden 2019 erhöhte, gingen nur 12,8 Prozent in die ostdeutschen Länder | |
einschließlich Berlin (2019: 12,5 Prozent). Wenig Veränderung gab es auch | |
beim Ranking der Länder. Nicht das größte Bundesland NRW führt die Tabelle | |
an, sondern unangefochten Baden-Württemberg, wo 2016 insgesamt 23,4 | |
Milliarden Euro in FuE eingesetzt wurden, vier Jahre später sogar 30,2 | |
Milliarden. Das bedeutete einen Anstieg der Quote von 25,5 auf 27,5 | |
Prozent. Bayern auf Platz zwei trat mit 19,7 Prozent 2020 praktisch auf der | |
Stelle, während sich NRW mit 14,1 Prozent leicht verschlechterte. Auch für | |
Berlin mit 5,2 Milliarden Euro FuE-Ausgaben verkleinerte sich der Anteil | |
auf 4,8 Prozent – eigentlich kein strahlender Wert für Deutschlands | |
selbsternannte „Wissenschaftshauptstadt“. | |
Wie viele Menschen arbeiten in der deutschen Forschung? 2013 waren es | |
588.000 Personen, bis 2019 hatte sich diese Zahl auf 735.000 erhöht. Davon | |
waren 475.000 im Wirtschaftssektor tätig, 147.000 in den Hochschulen und | |
112.000 in den staatlichen Forschungsinstituten. Sehr unterschiedlich ist | |
die [5][Frauenquote]: Sie lag mit 43 Prozent beim Forschungspersonal in den | |
Hochschulen am höchsten, gefolgt mit 41 Prozent in den außeruniversitären | |
Instituten und 18 Prozent in der Wirtschaft. | |
Bei den Qualifikationen für die wissenschaftliche Laufbahn ist der Trend | |
unterschiedlich. Die Zahl der Promotionen, die 2009 bei 25.000 lag, | |
steigerte sich bis 2020 auf 26.000, nachdem zwischenzeitlich auch die | |
29.000-Marke überschritten wurde. Der Frauenanteil ist mit 11.000 | |
Dissertationen in der Tendenz rückläufig. Die Zahl der Habilitationen ging | |
von 1.800 im Jahr 2009 auf 1.500 im Jahr 2020 zurück, weil sie in immer | |
weniger Fächern als bindende Voraussetzung für die Uniprofessur angesehen | |
wird. Der Frauenanteil erhöhte sich hier aber auf ein Drittel. | |
17 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/forschung-2054544 | |
[2] https://ec.europa.eu/info/publications/science-research-and-innovation-perf… | |
[3] /Deutschlands-Innovationspolitik/!5836763 | |
[4] /Foerderung-der-Wissenschaft/!5804668 | |
[5] /Frauen-in-der-Forschung/!5679125 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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