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# taz.de -- Sommerserie Nah am Wasser: Kalt, keimfrei, kostenlos
> Der Trinkbrunnenausbau soll in Berlin Zugang zu Wasser für alle
> ermöglichen. Zugleich ist er Teil einer politischen Agenda.
Bild: Blauer Kaiser-Trinkbrunnen auf dem Marheinekplatz in Berlin-Kreuzberg
Berlin taz | Sie sind blau oder grau, spenden Trinkwasser, stehen mitten in
der Stadt und sind Teil einer größeren Idee – die Trinkbrunnen in Berlin.
Der Kern dieser Idee ist es, Trinkwasser kostenlos öffentlich zugänglich zu
machen.
Dorothea Härlin ist bewandert in diesem Thema. Die Mitbegründerin des
[1][Berliner Wassertischs] und der [2][Blue Community Berlin] beschreibt
den langen Weg hin zu einer Wasserpolitik, die transparent, in öffentlicher
Hand und ressourcenschonend sein soll. „Das Lebenselixier Wasser ist neben
Luft das Wichtigste, das wir haben“, sagt Härlin. Deshalb ist sie seit 2001
Wasserkämpferin.
„Der Kampf ist zwar nicht vorbei“, betont die Aktivistin, „aber er hat
durchaus einige Erfolge hervorgebracht.“ Zunächst wurden die Berliner
Wasserbetriebe 2013 qua Volksentscheid rekommunalisiert. An diesem
Volksentscheid war Dorothea Härlin beteiligt. Schließlich ist Berlin mit
Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 22. März 2018 Mitglied der
internationalen Vereinigung „Blue Community“ geworden. Diese
Wasserinitiative hat ihren Ursprung in Kanada. Berlin erkennt mit dieser
Mitgliedschaft die Wasserversorgung und die Versorgung mit sanitären
Anlagen als Menschenrecht an.
Als eine direkte Folge, sagt Frau Härlin, würden in Berlin vermehrt
Trinkbrunnen installiert. „Die ersten Trinkbrunnen wurden zwar schon seit
1985 aufgestellt, einen richtigen Schwung hat das Programm aber erst 2018
bekommen“, bestätigt Astrid Hackenesch-Rump, Pressesprecherin der Berliner
Wasserbetriebe.
Laut Hackenesch-Rump gibt es in Berlin derzeit fast 200 Trinkbrunnen in
verschieden Ausführungen: die blauen traditionellen Kaiserbrunnen, benannt
nach dem Berliner Architekten, der sie entworfen hat, und ein
barrierefreies Modell aus Kunststein. Im Stadtbild findet sich noch ein
graues Auslaufmodell, das sukzessive durch die beiden anderen ersetzt
werden soll. Welcher Trinkbrunnen wo aufgestellt wird, entscheidet der
jeweilige Bezirk.
Vorreiter ist hierbei Friedrichshain-Kreuzberg. Dort sind berlinweit die
meisten Trinkbrunnen installiert. „Der Bezirk hat sich schon früh für den
Ausbau eingesetzt und die Berliner Wasserbetriebe bei der Planung und
Umsetzung unterstützt“, sagt Sarah Lühmann, Sprecherin des Bezirksamtes
Friedrichshain-Kreuzberg.
Die Berliner Trinkbrunnen haben einen Durchfluss von 1,4 Kubikmetern am Tag
und laufen außerhalb der Kältesaison durchgehend. Da sich in „stehenden“
Gewässern schnell Keime sammeln, ist dieser „Dauerlauf“ wichtig. Das
spiegelt sich auch in den monatlichen Wasserproben wider; sie sind fast
ausnahmslos negativ auf Keime getestet worden. Für Modelle, die nicht
ständig laufen, gibt es versteckte Spülungen, zudem sind viele
wartungsintensive Extra-Bauteile nötig. Um die instand zu halten, braucht
es wiederum viel Wasser. Deshalb ist der Durchlauf die bessere Wahl.
Trinkbrunnen gibt es auch in anderen europäischen Städten wie Rom, Paris,
Wien oder Zürich. Die Schweizer Metropole Zürich ist in Sachen
Brunnenausbau noch viel weiter als Berlin. Dort sind 1.281 Brunnen
aufgestellt und es laufen fast alle von ihnen auch im Winter. Der
Wasserstrahl ist so eingestellt, dass das Wasser nicht gefrieren kann.
Die Brunnen verbesserten die Lebensqualität in der Stadt: „Viele Leute
erfreuen sich an dem kühlen Nass“, sagt Hans Gonella von der
Stadtverwaltung Zürich. „Große Brunnen verfügen über Umwälzpumpen und es
läuft jeweils nur sehr wenig Frischwasser zu. Außerdem können sie als
Probenentnahmestellen für das Leitungsnetz genutzt werden“, fügt Gonella
hinzu. Ähnlich wie in Berlin ist die Wasserqualität laut
Qualitätsüberwachung der Stadt Zürich sehr gut.
Eine Herausforderung stellt auch in Berlin das nicht genutzte Wasser der
Brunnen dar. Es läuft zumeist direkt ins Abwasser.
Im Bezirk Spandau gibt es daher ein Pilotprojekt. Dort wird das Wasser in
einer Mulde gesammelt und zur Bewässerung von Bäumen und Pflanzen genutzt,
sagt die Pressesprecherin der Berliner Wasserbetriebe. Allerdings sei man
dabei auf bezirkliche Planung und ausreichend Platz angewiesen. „Das Bauen
der Brunnen ist deutlich aufwendiger.“
Dorothea Härlin sieht trotz der positiven Entwicklungen noch großen
Handlungsbedarf. Das Ziel müsse ein Umdenken der Menschen hin zu einem
sparsameren Lebensstil sowie eine transparente, demokratisierte
Wasserpolitik sein. „Wir können die Probleme einer wachsenden Bevölkerung,
höherer Verbräuche und sinkender Grundwasserstände nicht nur technisch
lösen“, sagt sie. Es sei wichtig, das Thema Wasser „hochzuhalten“ und in
der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Verknappung dieser Ressource zu
fördern.
Um den Brunnenausbau voranzubringen, kann jede*r an [email protected]
schreiben und Vorschläge für neue Standorte machen. Diese werden dann
technisch geprüft und gegebenenfalls beim Bezirk beantragt, so
Hackenesch-Rump von den Berliner Wasserbetrieben.
Und nicht zuletzt profitieren übrigens nicht nur wir Menschen von den
Trinkbrunnen in Berlin. Auch Insekten wie Bienen und Wespen sieht man
mitunter auf einem der Gitter landen. Und mit ein wenig Glück kann man
ihnen sogar beim Aussaugen eines Wassertropfens zuschauen.
19 Jul 2022
## LINKS
[1] https://berliner-wassertisch.net/
[2] http://bluecommunityberlin.de/
## AUTOREN
Sean-Elias Ansa
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