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# taz.de -- Wo die G7 gipfeln: Bei Müllers auf'm Schloss
> Qigong, Helge Schneider und Kreativküche: Wer sich ins Schloss Elmau
> begibt, den erwartet mehr als ein bisschen Sauna mit Alpenblick.
Bild: Idylle pur: Schloss Elmau in Garmisch-Partenkirchen
München taz | Es ist einiges passiert hier in der Garmischer Gegend in der
letzten Zeit. Da war der Schock des [1][Zugunglücks von Burgrain], bei dem
fünf Menschen starben, aber auch die Freude über die mit zweijähriger
Corona-Verspätung endlich wieder stattfindenden [2][Passionsspiele in
Oberammergau]. Auch die artenreiche Alpenfauna produzierte Nachrichten: Ein
Braunbär streift aktuell durch die Gegend, wie eine Fotofalle bestätigte,
und das vor einem Jahr ausgewilderte Bartgeierweibchen Wally [3][wurde tot
am Südhang des Mauerschartenkopfs gefunden].
Und jetzt also der G7-Gipfel in Schloss Elmau – einem Schloss wie gemacht
für einen Gipfel, obwohl es im Tal liegt. So zumindest sieht das
Schlossherr Dietmar Müller-Elmau, der den Gipfel etwas „ganz Tolles“ findet
und sagt: „Ich habe dieses Hotel so gebaut, dass es perfekt ist für einen
G7-Gipfel.“ Eine Behauptung, die in den Augen der Bundesregierung nicht
ganz abwegig zu sein scheint, schließlich hat man sich nach 2015 in diesem
Jahr schon zum zweiten Mal für das Schloss als Austragungsort der
weltpolitischen Kaminrunde entschieden. Ab Sonntag werden sich hier Joe
Biden, Olaf Scholz und Co. treffen – im tiefsten Süden der Republik, nach
München sind es etwas mehr als hundert, nach Flensburg etwas mehr als
tausend Kilometer.
Nun bezeichnet ein Schloss eigentlich eine Residenz der Herrschenden oder
ehemals Herrschenden. Das freilich darf man in diesem Fall nicht zu eng
sehen. Denn das Geschlecht derer von und zu Elmau, das sind schlicht und
ergreifend die Müllers, die ihren Allerweltsnamen mittels Gutsnamen
veredelt haben. Müller-Thurgau lässt grüßen. Begründer der Familie,
zumindest aber Bauherr des Schlosses war ein gewisser Johannes Müller. Eine
– freundlich formuliert – schillernde Gestalt, wie auch aus dem Buch
„Schloss Elmau – Eine deutsche Geschichte“ des heutigen Schlossherrn,
seines Enkels, hervorgeht.
## Loriot war Stammgast
1916 erbaute Müller das Schloss mit Hilfe einer betuchten Gräfin als
„Freiraum des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens“. Das Gut Elmau,
das waren bis dato nicht mehr als ein paar Bauernhäuser in dem auf tausend
Metern Höhe gelegenen Alpental, auch mal eine Sägemühle und ein Gasthaus.
Das Königshaus am Schachen, ein von Ludwig II. auf den Berg gepflanztes
tatsächliches Schlösschen, ließ sich von hier aus gut erwandern, was der
„Kini“ bisweilen auch gerne tat. Erwandern ist in seinem Fall freilich ein
großes Wort, er bevorzugte gewöhnlich die Fahrt mit Kutsche oder Schlitten.
Zurück zu Johannes Müller: Der Mann mit dem beeindruckenden Schnauzer war
ein evangelischer Theologe mit durchaus speziellen Ansichten. So sah er in
der Kirche das größte Hindernis auf dem Weg zu Gott. Einen offenbar
schnelleren Weg wollte er selbst seinen Gästen in Elmau weisen – durch das
unmittelbare Naturerlebnis wie auch Konzerte und Tanzabende, auf dass sie
„im Sinne der Bergpredigt selbstvergessen, unbewusst und unmittelbar wie
die Kinder ihrem göttlichen Wesen gewahr werden“ könnten. Der Weg zur
G7-Location schien förmlich vorgezeichnet.
Zu den Nazis [4][soll Müller ein gespaltenes Verhältnis gehabt haben]: Auf
der einen Seite wandelte er sich nach der Machtergreifung recht plötzlich
zu einem glühenden Hitler-Verehrer, den er gar als „Werkzeug in Gottes
Hand“ bezeichnete, andererseits lehnte er den Antisemitismus der
Nationalsozialisten entschieden ab, nannte ihn öffentlich eine „Schande für
Deutschland“ und beherbergte in Elmau weiterhin jüdische Gäste. Obwohl kein
Parteimitglied, wurde er nach dem Krieg als „Hauptschuldiger“ verurteilt.
1949 starb er auf Schloss Elmau.
Nach Zwischennutzungen als Lazarett und Erholungsheim nahm Elmau, das zur
Gemeinde Krün gehört, wieder den Hotelbetrieb auf – mit Tanz und Musik.
Loriot und Johannes Rau sollen Stammgäste gewesen sein. Auch die Gruppe 47
hielt eines ihrer Treffen hier ab. G-47 möchte man die Schriftstellergarde
rückblickend fast nennen.
## Ein Großbrand zerstörte das Schloss
Ende der neunziger Jahre übernahm Dietmar Müller-Elmau – bisweilen schreibt
er sich auch ganz globalisiert „Mueller-Elmau“ – das Hotel und gab ihm ei…
neue Ausrichtung: Weniger Tanz, mehr Konzerte und Symposien. Er selbst kam
1954 im Schloss zur Welt. Anders als ein Großteil der Müller-Elmaus, die
sich der Schauspielerei verschrieben haben, hatte Dietmar Müller-Elmau mit
einer Software-Firma ein Vermögen gemacht. Als das Schloss nach einem
Kurzschluss 2005 fast vollständig abbrannte, ließ er es in nur zwei Jahren
wieder aufbauen, 2015 schließlich wurde es durch ein zweites Luxushotel
erweitert, [5][„Retreat“] genannt. Hier werden nun auch die Staatsgäste
logieren.
Insgesamt 160 Zimmer und Suiten gibt es in dem Fünf-Sterne-Hotel.
Theoretisch kriegt man hier ausweislich der Preisliste außerhalb der
Hauptsaison auch schon mal ein Einzelzimmer für 102 Euro pro Nacht. Die
tatsächlichen Preise rangieren jedoch eher bei 700 Euro aufwärts. Das
Interieur ist geschmackvoll, das verbaute Holz kommt – wie die Gäste des
Hotels – aus aller Herren Länder. Schwarze Elefanten auf dunkelrotem Grund
bilden ein wiederkehrendes Motiv der Innendekoration.
Draußen dann mehr Murmel- als Rüsseltier. Und Buckelwiesen, die unter
Naturschutz stehen. Es ist ja auch wirklich schön hier. Zu Füßen der
Zugspitze macht es sich die bajuwarische Idylle bequem, als gäbe es weder
Ukrainekrieg noch Klimakrise. Wäre man böse, könnte man natürlich auch
sagen: ein Alpenpanorama, wie man es kitschiger nicht auf die Leinwand
pinseln könnte.
## Zwei Michelin-Sterne
Aber wer lässt sich hier schon zu Bösartigkeiten hinreißen? Allenfalls
vielleicht ein paar Globalisierungsgegner und Klimaaktivisten, die dieser
Tage in München auf die Straße oder in Garmisch ins Protestcamp gehen
wollen – gegen den Gipfel, versteht sich, nicht gegen das Panorama. Leute
also, für die Dietmar Müller-Elmau ohnehin kein Verständnis hat. „Warum
wird dieser Zirkus nur veranstaltet, wenn der US-Präsident kommt“, zitiert
ihn etwa das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt. „Das ärgert mich: Dass mehr
Menschen gegen unsere Freunde protestieren als gegen die Feinde auf dieser
Welt.“ Die Gruppe der G7 sei schließlich die einzige Organisation weltweit,
die die Freiheit verteidigen könne.
Sind Staatslenker und Kritiker erstmal abgereist, kehrt in Elmau wieder der
von Wellness, Geist und Musik geprägte Alltag ein. Es gibt tägliche
Yoga-Kurse, sogar einen jährlichen Yoga-Gipfel, dazu Taiji Quan und Qigong
sowie alle Klassiker der Wohlfühl- und Fitnesskultur. Abends dann
hochkarätige Konzerte. Spitzenmusiker wie Yehudi Menuhin und Friedrich
Gulda waren schon hier, drei Wochen nach dem Gipfel kommt Helge Schneider.
Natürlich ist auch für Verpflegung auf dem Schlossgrund gesorgt. Auf der
Anlage befinden sich gleich mehrere Restaurants. Eines von ihnen, das
[6][Luce d’Oro], kann sich mit zwei Michelin-Sternen brüsten und lockt mit
„japanisch-französisch inspirierter Kreativküche“. Wer es etwas
bodenständiger will, sollte besser in die weniger edle Umgebung ausweichen.
So wie Barack Obama, der beim letzten Gipfel mit Angela Merkel einen
Abstecher ins Dorf machte und sich bei einer Brotzeit unter Trachtlern
ablichten ließ. Dem Weißbier fehlte zwar der Alkohol, der Stimmung des
amerikanischen Staatsoberhaupts tat das jedoch keinen Abbruch. Und der
Krüner Bürgermeister hält noch heute das Glas, das die Präsidentenlippen
berührten, in Ehren.
24 Jun 2022
## LINKS
[1] /Zugunglueck-bei-Garmisch-Partenkirchen/!5856711
[2] /Oberammergauer-Passionsspiele/!5837759
[3] /Biologe-ueber-Bartgeier-in-Bayern/!5854996
[4] https://www.schloss-elmau.de/history/
[5] https://www.schloss-elmau.de/spa-retreat/
[6] https://www.schloss-elmau.de/restaurants-lounges/luce-doro/
## AUTOREN
Dominik Baur
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