# taz.de -- Polizeiaufrüstung in Berlin: Fund the police | |
> Das Budget der Polizei steigt schneller als andere Ausgaben, zeigt eine | |
> Linken-Anfrage. Anti-Rassismus-Aktivisten fordern andere | |
> Prioritätensetzung. | |
Bild: Ihr Steuergeld in Aktion | |
BERLIN taz | Berlin gibt immer mehr Geld für die Polizei aus. Die Ausgaben | |
für Personal und Sachmittel sind dabei seit 2010 absolut und relativ | |
gestiegen, also zulasten anderer Bereiche. Das zeigt eine der taz | |
vorliegende, noch unveröffentlichte Antwort auf eine Kleine Anfrage der | |
Linken-Abgeordneten [1][Ferat Kocak] und Niklas Schrader in Zusammenarbeit | |
mit dem Berliner Justice Collective. Demnach stieg das Polizeibudget von | |
1,2 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf mehr als 1,8 Milliarden Euro im | |
vergangenen Jahr. | |
Dieser Anstieg um konkret 54 Prozent fiel damit deutlich höher aus als der | |
des Landeshaushalts, der sich im selben Zeitraum um 42 Prozent erhöhte. | |
Entsprechend stieg der Anteil der Polizeiausgaben am Haushalt von 4,5 auf | |
inzwischen 5,7 Prozent; aus 348 Euro pro Einwohner:in und Jahr wurden | |
489 Euro. | |
Die Zahlen zeigen: Die Entwicklung verläuft bruchlos. Egal ob die SPD mit | |
der CDU regierte – und ihr von 2011 bis 2016 mit Frank Henkel den Posten | |
des Innensenators überließ – oder danach mit Grünen und Linken: Jahr für | |
Jahr gibt es mehr Geld und Personal für die Polizei. | |
Kostenfaktor ist vor allem die seit 2014 immer schneller ansteigende | |
Personalstärke. Nach mehreren Jahren mit etwa 21.000 Vollzeitstellen durfte | |
die Polizei im vergangenen Jahr bereits 23.500 Stellen besetzen. Diese | |
Entwicklung wird sich mit dem [2][Doppelhaushalt 2022/23] fortsetzen. Die | |
Koalitionspartner haben darin verabredet, 610 neue Stellen zu schaffen, ein | |
Großteil davon für den Polizeivollzugsdienst. | |
Kontinuierlich, wenn auch weniger rasant verläuft die Entwicklung bei den | |
Sachmitteln, also den Ausgaben für Computer, Uniformen und | |
Videoüberwachung. Hier gab es 2021 erstmals Gesamtausgaben von mehr als 400 | |
Millionen Euro. | |
## Defund statt Aufrüstung | |
Der Linken-Abgeordnete und Aktivist Ferat Kocak kritisiert diese | |
„Prioritätensetzung“ im Haushalt. Während immer mehr Geld in die Polizei | |
gesteckt werde, gäbe es bei „Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und | |
in anderen sozialen Berufen einen akuten Personalmangel, der auch mit | |
knappen finanziellen Ressourcen begründet wird“. Doch Kocaks Kritik ist | |
grundsätzlicher. Er fordert: „Diese Law-and-Order-Entwicklung muss gestoppt | |
und zurückgefahren werden.“ | |
Weniger Geld für die Polizei also – [3][„Defund the police“]. Das ist ei… | |
Forderung, die im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste nach der | |
[4][Ermordung George Floyds] durch einen Polizisten 2020 von den USA auch | |
nach Deutschland schwappte – bisher jedoch ohne Konsequenzen. | |
Ganz ähnlich argumentiert Mitali Nagrecha, Gründerin des Justice | |
Collective, eines Bündnisses gegen das System aus Bestrafung und | |
Freiheitsentzug, das insbesondere auf Arme und von Rassismus Betroffene | |
abzielt. „Viel zu oft nutzt die Berliner Polizei diese Ressourcen, um | |
Racial Profiling zu betreiben und geringfügige Delikte zu verfolgen, was | |
zur Bestrafung von Menschen aufgrund ihres Migrationsstatus, ihrer | |
Rassifizierung und ihrer Armut führt“, so Nagrecha. | |
Sie fordert: „Es ist an der Zeit, dass Berlin die Mittel für die Polizei in | |
gemeinschaftsorientierte Projekte investiert, die Alternativen zu | |
Polizeiarbeit und Bestrafung schaffen.“ Mehr Geld für Lehrkräfte, | |
Sozialarbeit und Konzepte [5][transformativer Gerechtigkeit] also. | |
## Weniger Kriminalität, mehr Symbolpolitik | |
Ein Blick auf die Kriminalitätsstatistik könnte die Argumentation stützen. | |
2021 gab es in Berlin nur noch [6][13.158 Straftaten je 100.000 Einwohnende | |
– so wenig wie seit der Wiedervereinigung nicht]. Das liegt wohl nicht am | |
Verfolgungsdruck: Die Aufklärungsquote liegt mit 45,3 Prozent drei Prozent | |
niedriger als 2010. Dennoch hat vor allem die nun Regierende | |
Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) einen [7][Law-and-Order-Wahlkampf] | |
gemacht und polizeilich hergestellte „Sicherheit“ zu ihren Prioritäten | |
erklärt. | |
Ihre Innensenatorin Iris Spranger darf 3,5 Millionen Euro in den Ausbau | |
einer [8][Polizeiwache am Kotti] investieren, zusätzlich zu jährlichen | |
Mietkosten von 51.000 Euro. Nagrecha befürchtet, dass sich dadurch die | |
Überwachung „rassifizierter und migrantischer Communities noch | |
verschlimmern wird“. | |
6 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Linken-Abgeordneter-Ferat-Kocak/!5809397 | |
[2] /Doppelhaushalt-fuer-Berlin-steht/!5856269 | |
[3] /Struktureller-Rassismus-bei-der-Polizei/!5688344 | |
[4] /Urteil-im-Fall-George-Floyd/!5768113 | |
[5] /Soziologin-ueber-Konfliktsituationen/!5457161 | |
[6] /Kriminalitaet-in-Berlin/!5849968 | |
[7] /Berlin-Alexanderplatz/!5781394 | |
[8] /Polizeiwache-am-Kotti/!5853497 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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