# taz.de -- Stockender Ausbau der Erneuerbaren: Wassermühlen vor dem Aus | |
> Die Bundesregierung will kleine Wasserkraftwerke nicht mehr fördern – aus | |
> Naturschutzgründen. Ist das noch zeitgemäß? | |
Bild: Nicht nachhaltig? Laufwasserkraftwerke können künftig nicht mit Förder… | |
FREIBURG taz | Vielen Kleinwasserkraftwerken in Deutschland droht | |
langfristig das Ende. Der entscheidende Passus steht ausgerechnet im | |
[1][„Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten | |
Ausbau der erneuerbaren Energien“]. Darin heißt es: „Kleine | |
Wasserkraftanlagen mit einer Leistung bis 500 Kilowatt werden aus | |
ökologischen Gründen künftig nicht mehr gefördert.“ Wenn das Gesetz so | |
kommt, wird es keine Neuanlagen mehr geben. | |
Zudem stehen mit dem Ende der zumeist 20-jährigen Vergütungsdauer – | |
kurzfristig waren der Wasserkraft auch mal 30 Jahre gewährt worden – nach | |
und nach immer mehr Altanlagen ohne Förderung da. Diese Woche will die | |
Bundesregierung das entsprechend novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz | |
(EEG) durch Bundestag und Bundesrat bringen. | |
Zugleich wird im neuen EEG wohl „der Grundsatz verankert, dass die Nutzung | |
erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der | |
öffentlichen Sicherheit dient“. Für die Kleinwasserkraft gilt aber genau | |
das offenbar nicht. Deren Ende hatten die Ministerien erst zu einem späten | |
Zeitpunkt in den Gesetzentwurf hineingeschleust. „Wir trauten unseren | |
eigenen Augen nicht“, sagt Hans-Peter Lang, Präsident des Bundesverbandes | |
Deutscher Wasserkraftwerke. Damit entstehe nun „eine | |
Zweiklassengesellschaft in der erneuerbaren Energieerzeugung“. | |
Die Branche stört sich vor allem an der „Überheblichkeit“, mit der die | |
Regierung behaupte, die Energieausbeute der kleinen Wasserkraft sei für den | |
Klimaschutz unbedeutend. Die als klein eingestufte Wasserkraft erzeuge | |
jährlich rund 3 Milliarden Kilowattstunden Strom, ein Drittel der Menge | |
eines Atomkraftwerks. Das sei „genug CO2-freie Energie für rund eine | |
Million Haushalte“, rechnet der Verband vor. Wasserkraft liefere „auch bei | |
Dunkelheit und Flaute stetig und zuverlässig Strom“ und sei daher | |
„unverzichtbar für die Netz- und Systemstabilität“. | |
## Lieber Öl als Wasser? | |
Verbandsvertreter Lang klagt: „Während Robert Habeck in autoritäre Staaten | |
reist, um mehr und teureres Öl und Gas nach Deutschland zu bringen und | |
zugleich fordert ‚Jede Kilowattstunde zählt!‘, schafft sein Ministerium die | |
Wasserkraft ab.“ | |
Die Wasserkraft hat aber eben nicht nur Anhänger, sondern auch Kritiker. Im | |
November hatten 65 Wissenschaftler, darunter viele Gewässerökologen und | |
Naturkundler, ein Memorandum „Energiewende nicht auf Kosten der aquatischen | |
Biodiversität“ verfasst, in dem sie sich sogar für eine „[2][Förderung d… | |
Rückbaus von Kleinwasserkraftwerken]“ aussprachen. Die Forscher fordern | |
eine „generelle Beendigung“ jeglicher Förderung von Kleinwasserkraftwerken | |
unterhalb einer Grenze von sogar einem Megawatt. | |
Die Wasserkraftbranche wiederum sieht solche Vorstöße auch als Angriff auf | |
den Mittelstand. Denn Wasserkraftanlagen würden heute „von Stadt- und | |
Gemeindewerken, Energiegenossenschaften wie auch Mühlen, Sägewerken, | |
Zimmereien, Schreiner- und Metallhandwerkern betrieben“. Dies seien | |
„mittelständische Unternehmen über Generationen hinweg“. Nun aber hätten | |
„einflussreiche Naturschutz-Verbandsinteressen die Wasserkraft als | |
vermeintlichen Störer ausgemacht“. Dabei befänden sich an nur etwa 4 | |
Prozent aller Bauwerke, die quer in den Flüssen stehen, überhaupt | |
Wasserkraftanlagen. | |
## Union unterstützt die Wasserkraft | |
Aus der Opposition ist Unterstützung für die Kleinwasserkraft zu vernehmen. | |
Ein Gegenantrag zum Entwurf der Bundesregierung liegt von der | |
Unionsfraktion vor. Sie strebt an, „die Kapazitäten der Wasserkraft mit | |
ihren Vergütungen zu erhalten und Modernisierungen weiterhin zu | |
ermöglichen, anstatt diese abzuschaffen“. Auch die Wasserkraft müsse, wie | |
die anderen Erneuerbaren, im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehen. | |
Auch innerhalb der Regierungsfraktionen gibt es – speziell aus dem Süden | |
der Republik – Unterstützer der Kleinwasserkraft. Die Anlagen könnten | |
„einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz leisten“, meint etwa | |
die bayerische Grünen-Abgeordnete Lisa Badum, die auch klimapolitische | |
Sprecherin ihrer Fraktion ist. Ihr Fazit: „Wenn Wassermüller ihre Anlage im | |
Sinne des Naturschutzes ertüchtigen und modernisieren wollen, sollte dies | |
unterstützt werden.“ Auch in den Reihen der FDP herrscht teils Sympathie | |
für die Kleinwasserkraft. Die Regierung ringt deshalb noch bis zuletzt um | |
das Gesetz. | |
5 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Mehr-Tempo-bei-der-Energiewende/!5847957 | |
[2] https://www.igb-berlin.de/news/foerderstopp-fuer-ineffiziente-kleine-wasser… | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Biodiversität | |
Bundesregierung | |
Wasserkraft | |
GNS | |
Robert Habeck | |
Erneuerbare Energien | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Flüsse | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Energiewende in der Kritik: Grüner wirft wegen Habeck hin | |
Energiewende versus Artenschutz: Grüner Vorsitzender in Habecks Heimatkreis | |
Schleswig-Flensburg will innerparteiliche Debatte anstoßen. | |
Förderung erneuerbarer Energien: Fließgewässer nutzen! | |
Die Bundesregierung will der Kleinwasserkraft die Förderung streichen. Der | |
älteste Ökostrom, von dem die Energiewende ausging, steht vor dem Aus. | |
Claudia Kemfert über fossile Energien: „Die völlig falsche Richtung“ | |
Die G7 haben ein Klimaversprechen verwässert – es soll trotzdem mit den | |
Klimazielen vereinbar sein. Energieökonomin Claudia Kemfert sieht das | |
anders. | |
Wildfluss Vjosa in Albanien: Ein Nationalpark neuer Ordnung | |
Albanien will den Wildfluss Vjosa samt aller Nebenflüsse zum Schutzgebiet | |
erklären. Die geplanten Wasserkraftwerke sind damit vom Tisch. |