# taz.de -- Claudia Kemfert über fossile Energien: „Die völlig falsche Rich… | |
> Die G7 haben ein Klimaversprechen verwässert – es soll trotzdem mit den | |
> Klimazielen vereinbar sein. Energieökonomin Claudia Kemfert sieht das | |
> anders. | |
Bild: Die Erd-Grillsaison ist eröffnet: Oxfam-Protest zum G7-Gipfel Ende Juni | |
taz: Frau Kemfert, eigentlich haben die G7 versprochen, ab dem kommenden | |
Jahr kein Steuergeld mehr in fossile Energien in andere Länder zu stecken. | |
Jetzt steht im [1][Gipfelbeschluss vom Dienstag plötzlich]: Unter den | |
„außergewöhnlichen Umständen“ seien solche Investitionen in Gas doch nö… | |
besonders in Flüssiggas. Sehen Sie das auch so? | |
Claudia Kemfert: Nein. Es gibt bereits ausreichende existierende | |
Flüssiggas-Kapazitäten, die wir jetzt übergangsweise nutzen können. | |
Außerdem sollten wir auch unter außergewöhnlichen Umständen keine | |
Fehlentscheidungen treffen. In der Klimakrise lohnen sich nur noch | |
Investitionen in Erneuerbare, in emissionsfreie Technologien und in | |
Energiesparen. Dafür brauchen wir dieses Geld. | |
Die G7 sehen da kein Problem: Ausnahmen von dem Versprechen müssen laut | |
Beschluss mit den Klimazielen vereinbar sein und dürfen nicht so angelegt | |
sein, dass sie sich nur rentieren, wenn sie diese sprengen. Fossil und | |
gleichzeitig klimafreundlich sowie wirtschaftlich – gibt es das überhaupt? | |
Nicht auf dem freien Markt. Wenn man ernsthaft die Pariser Klimaziele | |
umsetzen will, dürfte es gar keine Investitionen in fossile Infrastruktur | |
mehr geben. Kraftwerke, Pipelines und andere fossile Anlagen werden | |
schließlich gebaut, um sie mehrere Jahrzehnte auszulasten – sonst rentieren | |
sie sich nicht. Also läuft man entweder den Klimazielen zuwider oder | |
programmiert bei rechtzeitiger Stilllegung der fossilen Anlagen, dass man | |
Verluste macht. Beides ist falsch. | |
Welche Bedeutung haben denn solche internationalen Investitionen der | |
Industrieländer für das weltweite Energiesystem? | |
Sie sind durchaus bedeutsam. Prinzipiell kann man damit existierende | |
Abhängigkeiten aufbrechen und wichtige Kooperationen anschieben – zum | |
Vorteil aller beteiligten Länder. Technologien und Geschäftsmodelle im Zuge | |
der Energiewende – also erneuerbare Energien, emissionsfreie Technologien | |
oder Elektromobilität – sind enorm wichtig für echten Fortschritt und | |
klimafreundliche Zukunftsfähigkeit. | |
Die G7-Chefs haben ja auch Verhandlungen über neue | |
Energiewende-Partnerschaften angekündigt, nämlich mit Indien, Indonesien, | |
Vietnam und Senegal. | |
Solche Kooperationen können goldwert sein. Aber natürlich nicht, wenn man | |
sie für veraltete und klimaschädliche Geschäftsmodelle nutzt. Das ist | |
nachgerade fatal. | |
Im Senegal will sich Olaf Scholz [2][mit deutschem Steuergeld an neuen | |
Gasfeldern beteiligen], deshalb hat er auf die Verwässerung des | |
Klimaversprechens gedrungen. Was halten Sie von diesem konkreten Projekt? | |
Es geht völlig in die falsche Richtung. Damit hilft man weder der | |
Wirtschaft dort noch bei uns. Man schafft neue fossile Pfadabhängigkeiten | |
und treibt obendrein die Klimakrise an, unter der Länder wie Senegal | |
besonders stark leiden. Dabei liegen die wahren Zukunftschancen auf der | |
Hand: Man sollte mit dem Senegal wunderbare Kooperationen in erneuerbare | |
Energien und grünen Wasserstoff abschließen. Das würde sich für beide | |
Seiten lohnen. | |
Arme Länder wie Senegal leiden besonders unter der aktuellen Energiekrise | |
und den hohen Preisen – ist es da nicht verständlich, wenn sie auf die | |
eigenen Rohstoffe zugreifen wollen? | |
Natürlich. Aber wird die neue Gasquelle überhaupt akut helfen? Nein, denn | |
[3][solche Projekte brauchen Vorlaufzeit]. Außerdem löscht man Feuer nicht | |
mit Benzin. Noch mehr fossile Energien zu fördern mag für kurze Zeit | |
Symptome lindern, schon mittelfristig werden sie verschlimmert. Senegal | |
könnte enorm vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren. Die schaffen | |
Versorgungssicherheit, senken Umwelt- und Klimabelastungen und sind zudem | |
viel günstiger als fossile Energie. Das stärkt den Wohlstand dauerhaft und | |
damit auch Demokratie, Freiheit und Frieden. | |
Die G7 wollen auf Scholz’ Initiative hin noch in diesem Jahr einen | |
Klima-Club gründen für besonders ambitionierte Länder, die sich zusammen | |
Klimaziele setzen und das durch gegenseitige Wettbewerbsvorteile attraktiv | |
machen. Halten Sie das jetzt für glaubwürdig? | |
Nun, wir haben keine Zeit mehr für schöne Absichtserklärungen. Wenn die | |
beteiligten Länder schnell konkrete und umfassende Vereinbarungen treffen, | |
nämlich die komplette Abschaffung von Subventionen fossiler Energien, die | |
Abkehr von Kohle und den Ausbau erneuerbarer Energien sowie den Ausstieg | |
aus Verbrennermotoren und die Herstellung von grünem Stahl – dann prima. | |
Ein Klima-Club kann dafür eine gemeinsame Basis bilden. Glaubwürdig sind | |
aber nur sichtbare Taten. | |
4 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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