# taz.de -- Vor dem Parteitag der Linken: Schirdewan hofft auf das Morgenrot | |
> Mit einem 7-Punkte-Plan kandidiert Martin Schirdewan für den Posten des | |
> Co-Vorsitzenden der Linkspartei. Er fordert eine strukturelle Erneuerung. | |
Bild: Hat die Linkspartei noch nicht aufgegeben: Martin Schirdewan will Co-Vors… | |
BERLIN taz | Mit dem Anspruch, die Partei zu einer „modernen | |
sozialistischen, ökologischen Gerechtigkeitspartei weiterzuentwickeln“, | |
tritt der Thüringer Europaabgeordnete Martin Schirdewan als Kandidat für | |
den Vorsitz der Linken an. Die Ampelkoalition zeige „Tag für Tag, wie | |
abgehoben sie von den realen Sorgen der Menschen ist“. Dem müsse die | |
Linkspartei entschieden entgegentreten und Alternativen aufzeigen, fordert | |
Schirdewan in einem Sieben-Punkte-Plan, der der taz vorliegt. | |
Schirdewan, der gemeinsam mit der Französin Manon Aubry der Linksfraktion | |
im Europaparlament vorsteht, will sich beim Parteitag der Linken vom 24. | |
bis zum 26. Juni in Erfurt als Bundesvorsitzender bewerben. Die Partei | |
steckt nach einer Serie von Wahlniederlagen in einer tiefen Krise, | |
durchschüttelt von heftigen innerparteilichen Konflikten sowie | |
Sexismusvorwürfen. Der ganze Vorstand wird neu gewählt. | |
Seit dem Rücktritt der Thüringerin Susanne Hennig-Wellsow Mitte April führt | |
[1][die Hessin Janine Wissler alleine die Partei]. Sie will sich erneut zur | |
Wahl stellen. Gegen sie treten [2][die niedersächsische Landesvorsitzende | |
Heidi Reichinnek], die wie Wissler der Bundestagsfraktion angehört, sowie | |
die frühere sächsische Landtagsabgeordnete Julia Bonk an. | |
Aussichtsreichster Gegenkandidat des als Pragmatiker geltenden Schirdewan | |
für die zweite Position in der Doppelspitze ist [3][der | |
Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann], der von der umstrittenen | |
Ex-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht unterstützt wird. | |
Außer ihm haben bislang noch fünf weitere Männer ihre Bewerbungen um den | |
Parteivorsitz eingereicht, die aber allesamt als chancenlos gelten. | |
## Unmittelbare Forderungen | |
„Wir brauchen entschlossene Strukturreformen, eine programmatische | |
Erneuerung und einen Kulturwandel weg von der Selbstbeschäftigung hin zu | |
einer Alltagspraxis mit dem Gesicht zu den Menschen: Zuhören, Reden und | |
gemeinsam handeln“, fordert Schirdewan. Mit „Mut, Optimismus und Hoffnung“ | |
könne die Linke wieder zu einer politikfähigen Partei werden. | |
Als unmittelbare Forderungen benennt Schirdewan die Deckelung der Preise | |
für Energie und Mieten. Außerdem müssten Nahrungsmittelspekulationen | |
verboten werden. Da sich Energiemultis und Rüstungsindustrie an dem | |
Ukraine-Krieg „dumm und dämlich“ verdienten, müssten Krisengewinner „je… | |
mit einer Übergewinnsteuer zur Kasse gebeten werden“. Das sei ein erster | |
Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit und ein Instrument aktiver | |
Umverteilung. | |
Weiter brauche es „eine Investitions-Offensive in gute Arbeit und mehr | |
Beschäftigung, bezahlbares Wohnen, gute Gesundheit und Pflege, den | |
sozial-ökologischen Umbau von Verkehr und Energieversorgung sowie bessere | |
öffentliche Infrastruktur“. Konsequenter Klimaschutz und der Schutz der | |
Menschen vor sozialen Härten müssten Hand in Hand gehen. | |
Außerdem seien Antifaschismus und die Verteidigung der Demokratie | |
Kernfragen – hier und international. „Wir werden es nicht zulassen, dass | |
Rechtsradikale und Rassisten triumphieren“, verspricht Schirdewan. Darüber | |
hinaus bleibe die Linkspartei die „Stimme der Menschen in Ostdeutschland“. | |
## Hoffnung auf „Strategisches Zentrum“ | |
Um die selbstzerstörerischen Streitereien in der Linkspartei einzudämmen, | |
brauche es ein „strategisches Zentrum, das Debatten mit den Mitgliedern und | |
unseren Strukturen organisiert, Entscheidungen herbeiführt und gemeinsam | |
politische Praxis entwickelt“, konstatiert Schirdewan. Zentral für die | |
Außendarstellung und Politikfähigkeit sei eine verbesserte Zusammenarbeit | |
zwischen Parteivorstand und der Bundestagsfraktion. | |
Überdies fordert Schirdewan, dass die Linke ein „sicherer Ort für alle“ | |
sein müsse. „Die sexistischen Übergriffe in der Partei und der Umgang damit | |
haben uns die Notwendigkeit für ernsthafte strukturelle und kulturelle | |
Änderungen überdeutlich vor Augen geführt“, schreibt er. Die Linke sei | |
„eine feministische Partei, das muss klar sein“. | |
Die Linkspartei müsse ihre Vielstimmigkeit überwinden, „die nicht zu einem | |
wünschenswerten linken Pluralismus, sondern zu Beliebigkeit und | |
Unkenntlichkeit führt“, so Schirdewan. Wofür sie stehe, sei „oft nicht me… | |
deutlich“. Das müsse sich ändern, notwendig sei die Besinnung auf | |
Gemeinsamkeiten. | |
Gegenüber der taz verwies Schirdewan auf die Gründung der Linkspartei am | |
16. Juni 2007: „Vor 15 Jahren fanden unterschiedliche Traditionen und | |
Strömungen der Linken in einer Partei zusammen“, sagte er. „Vereinigung | |
statt Spaltung, allein das war ein großer Erfolg.“ Daran gelte es | |
anzuknüpfen. | |
16 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Janine-Wissler-ueber-die-Krise-der-Linken/!5852240 | |
[2] /Kandidatur-fuer-Linkenvorsitz/!5857213 | |
[3] /Neuwahl-der-Linken-Parteispitze/!5853705 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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