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# taz.de -- Abkommen zum Artenschutz: Global verhandeln, lokal handeln
> In Kenia starten wichtige Vorverhandlungen für die große
> UN-Artenschutzkonferenz. Deutsche Naturschützer schauen erwartungsvoll
> nach Nairobi.
Bild: Schutz muss auch durchgesetzt werden: Biosphärenreservat Spreewald
Berlin taz | Sollen [1][30 Prozent der Welt unter Schutz gestellt] werden?
Das ist eine der großen Fragen bei den Verhandlungen zu einem neuen
globalen Abkommen zum Schutz der Natur. Ab Mittwoch treffen sich die
Mitgliedstaaten der Convention on Biodiversity (CBD) im kenianischen
Nairobi zu letzten wichtigen Vorverhandlungen vor ihrer großen
[2][Konferenz im Dezember.]
Wie viel Geld werden die reichen Länder dem [3][Globalen Süden für den
Schutz der Artenvielfalt] zur Verfügung stellen? Welche Beachtung wird den
Rechten der Menschen eingeräumt, die in den artenreichen Regionen der
Tropen leben? Wer wird künftig an biotechnologischer Forschung und
Entwicklung verdienen, deren Grundlage genetische Vielfalt ist? Um diese
Fragen wird es in Nairobi gehen – und eben um das 30-Prozent-Ziel.
30 Prozent Deutschlands unter Naturschutz? „Haben wir doch schon längst“,
sagt Magnus Wessel, Leiter Naturschutzpolitik beim Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND). „Rechnet man alle Schutzgebietstypen zusammen,
FFH-Gebiete nach EU-Recht, Biosphärenreservate, Nationalparke und so
weiter, dann sind es sogar mehr“, sagt Wessel. Aber viele dieser Gebiete
„werden schlecht behandelt“, kritisiert der studierte Geograf. Zum Beispiel
sei das Naturschutzrecht, das den gemäß der Flora-Fauna-Habitat-Richtline
(FFH) geschützten Gebieten zugrunde liege, gut. „Aber die Umsetzung ist
mangelhaft“, sagt Wessel.
Ein Beispiel dafür, worum es hierbei geht, liefert Greenpeace mit einer
aktuellen Untersuchung. Die Umweltorganisation hat stichprobenartig einige
der rund 4.000 FFH-Gebiete daraufhin untersucht, ob sie entsprechend ihrem
Schutzstatus behandelt werden. Das Ergebnis sei ernüchternd, sagt Sandra
Hieke, Waldexpertin von Greenpeace.
## Arbeiten mit Widersprüchen
So seien in dem FFH-Gebiet in der Rheinniederung Speyer-Ludwigshafen im
vergangenen Winter „Eschen, eine Linde und Auenstrauchvegetation entfernt
worden“. Ergebnis sei eine Kahlfläche. „Hier wurde das natürliche
Kronendach zerstört und dadurch in das Mikroklima vor Ort eingegriffen“,
kritisiert Hieke, „das wirkt sich auch negativ auf benachbarte Flächen aus,
angrenzende Bäume können absterben“.
Das rheinland-pfälzische Umweltministerium begründet die Einschläge mit dem
Eschentriebsterben. „Infolge des Klimawandels führten gerade in der
klimatisch bisher schon warmen und trockenen Rheinebene extrem heiße
Dürrejahre zur Schwächung der Wälder“, schreibt das Ministerium. Die
Baumfällungen seien erfolgt, um die Waldbesitzenden vor noch größeren
finanziellen Verlusten und Verkehrssicherungsrisiken zu schützen, den
[4][Ökorohstoff Holz – auch als Maßnahme für den Klimaschutz – noch
verwerten zu können], um den klimawandelresilienten Waldumbau mit
lichtbedürftigen Baumarten zu ermöglichen sowie um die Arbeitssicherheit zu
gewährleisten. Außerdem seien die Baumfällungen nur auf einzelnen, kleinen
Flächen erfolgt, versichert das Ministerium.
## Vorteil Forstwirtschaft
Greenpeace-Expertin Hieke lässt das nicht gelten. „Die Interessen der
Forst- und Holzwirtschaft stehen hier deutlich über den Interessen des
Gemeinwohls“, sagt Hieke. „Mit der Kennzeichnung als FFH-Gebiet ändert sich
bisher leider nicht viel für den Wald, da findet Forstwirtschaft weiter
meist ungehindert statt.“
Um die Gebiete tatsächlich gesetzestreu zu schützen, brauche es deutlich
mehr Personal auf allen staatlichen Ebenen, bei Bund, Ländern und
Gemeinden, sagt Magnus Wessel. Außerdem sei wichtig, dass der Naturschutz
künftig Zugriff auf die Fläche bekomme. „Wir haben Straßenneubau, noch
immer einen steigenden Flächenverbrauch durch neue Gebäude – das zahlt
alles nicht auf das Konto des Artenschutzes ein.“
„Ob der Naturschutz in Deutschland effektiver wird, hängt auch von dem
Vertragstext von Montreal ab“, sagt Wessel. Beispielsweise muss jetzt die
Biodiversitätsstrategie der EU in deutsches Recht umgesetzt werden. „Das
wird durch den globalen Vertragstext beeinflusst“, sagt Wessel.
Florian Titze, der für den WWF nach Nairobi geflogen ist, fordert die
Bundesregierung auf, sie müsse „ihrer Verantwortung gerecht werden und
ihren Beitrag zur internationalen Biodiversitätsfinanzierung drastisch
erhöhen“. [5][Dazu habe sie sich im Koalitionsvertrag bereits
verpflichtet].
22 Jun 2022
## LINKS
[1] /Kampf-gegen-das-Artensterben/!5807671
[2] /Konferenz-zur-Biodiversitaet/!5822211
[3] /Neuer-Klimabericht/!5837958
[4] /Fortschrittliche-Biokraftstoffe/!5853972
[5] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_…
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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Biodiversität
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Naturschutz
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