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# taz.de -- Indigene Proteste in Ecuador: Der Präsident ist der Kritik müde
> Mit leichten Zugeständnissen versucht Ecuadors Präsident Lasso, die
> Protestbewegung zu beschwichtigen und sein politisches Überleben zu
> sichern.
Bild: Kundgebung in Quito Ende vergangener Woche: Die Proteste sind noch nicht …
Buenos Aires taz | Nach Wochen der Proteste und der Gewalt hat Ecuador ein
vergleichsweise friedliches Wochenende erlebt. Am Samstag hatte Präsident
Guillermo Lasso den Ausnahmezustand aufgehoben, den er über sechs Provinzen
verhängt hatte, am Sonntag verkündete er eine leichte Senkung der
Treibstoffpreise um umgerechnet 10 Cent pro pro Gallone (3,78 Liter). Das
bleibt hinter der Forderung des Dachverbands der indigenen Gruppen Conaie
zurück, der eine Senkung um rund 40 Cent gefordert hatte, wirkte aber
dennoch zunächst beruhigend.
„Alle sind der Meinung, dass der Treibstoffpreis zum Eckpfeiler des
Konflikts geworden ist“, sagte der Präsident in seiner Fernsehansprache.
Jetzt müsse zur Normalität zurückgekehrt werden, so Lasso.
Vorausgegangen waren zwei Wochen Protest, zu dem die Conaie aufgerufen
hatte. Dabei waren bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen
Protestierenden und Polizeieinheiten fünf Menschen ums Leben gekommen,
mindestens 200 wurden verletzt.
Lautstark ging es dagegen am Wochenende in der Nationalversammlung zu, in
der die 137 Abgeordneten in einer virtuellen Sitzung über eine
Amtsenthebung von Präsident Lasso stritten. Gemäß der Verfassung kann der
Präsident im Fall „einer schweren politischen Krise und internen Unruhen“
von dem Einkammerparlament seines Amtes enthoben werden.
## Conaie will so schnell nicht aufgeben
Der notwendige Antrag war von den Abgeordneten der Unión por la Esperanza
(Unes) eingebracht worden, der Partei des früheren Präsidenten Rafael
Correa. Mit 47 Mandaten stellt die Unes zwar die größte Fraktion, verfügt
nicht über die für eine Amtsenthebung notwendige Zweidrittelmehrheit von 92
Abgeordneten. Mit ihren Verbündeten käme sie rechnerisch höchstens auf 67
Stimmen.
Die Abstimmung wird voraussichtlich am Dienstag stattfinden, und sie wird
wohl scheitern. Bleibt Lasso aber im Amt, wäre er sogar vor dem Parlament
geschützt. In den ersten drei Amtsjahren des Präsidenten gesteht die
Verfassung dem Parlament nur ein solches Amtsenthebungsverfahren zu. Lasso
ist im zweiten Jahr Präsident.
Schon im Laufe des Freitags waren viele der indigenen Protestierenden von
Quito in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Conaie-Vorsitzende Leonidas Iza
reagierte verständnisvoll: „Wenn ihr müde seid, ruht euch aus, atmet tief
durch, aber gebt nicht auf“, sagte Iza.
Mit der Aufhebung des Ausnahmezustands und dem Schuldenerlass für
Kleinschuldner seien zumindest Teilerfolge erzielt worden. Zentrale
Forderungen blieben aber unerfüllt. „Wir gehen hier nicht weg, bevor alle
10 Punkte erfüllt sind“, sagte Iza und kündigte für Montag die
Wiederaufnahme von Protestmaßnahmen an.
## Präsident Lasso klagt über „beabsichtigten Staatsstreich“
Die letzten direkten Gespräche zwischen Conaie und Regierung fanden im
Oktober 2021 statt. Seither werfen sich beide Seiten Dialogunfähigkeit vor.
Schließlich rief die Conaie zu einem unbefristeten Proteststreik auf und
legte der Regierung ein Zehn-Punkte-Papier vor.
Gefordert werden darin die Senkung der Treibstoffpreise, ausreichende
Erzeugerpreise für Agrarproduzierende, verbesserte Arbeitsbedingungen und
Entgelte für Geringverdienende sowie die Aufhebung zweier Dekrete, die die
Ausweitung der Ölförderung und des Bergbaus in Gebieten indigener
Gemeinschaften erlauben und die Durchführung der gesetzlich
vorgeschriebenen vorausgehenden Konsultationen bei den betroffenen
Gemeinschaften umgehen.
Am 13. Juni begann Conaie, mit Protestmärschen und Straßenblockaden
landesweit den Verkehr lahmzulegen. Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen
verhängte Präsident Lasso am 17. Juni über drei Provinzen den
Ausnahmezustand. Zugleich machte der Präsident [1][Zugeständnisse]. Die
Protestaktionen hielten an. Am 20. Juni erweiterte Lasso den
Ausnahmezustand auf insgesamt sechs Provinzen.
Nachdem sich vergangenen Donnerstag eine Annäherung zwischen Regierung und
Protestierenden abzeichnete, verschärfte sich im Laufe des Freitags der Ton
wieder. „Die wahre Absicht von Herrn Izas ist es, die Regierung zu
stürzen“, erklärte Präsident Lasso in einer Fernsehansprache. Der
Conaie-Vorsitzende habe jegliche Kontrolle über die Proteste verloren, bei
denen infiltrierte Kriminelle zu Gewalttaten aufstacheln würden, so der
Präsident.
## Welche Rolle spielt Ex-Präsident Rafael Correa?
Gegen den „beabsichtigten Staatsstreich“ werde seine „Regierung alle ihr
gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den Randalierenden
und Kriminellen entgegenzutreten“, [2][so Lasso]. Konkrete Beweise legte er
nicht vor. Einen Hinweis darauf, wer die „infiltrierten Kriminellen“ sein
könnten, gab der Pachakutik-Vorsitzende Marlon Santi in einer
Videobotschaft, als er Ex-Präsident Rafael Correa aufforderte: „Herr
Correa, ziehen Sie Ihre Leute aus unseren Reihen zurück.“ Die
Bewegungspartei Pachakutik ist der parlamentarische Arm der Conaie.
Dass Rafael Correa aus seinem belgischen Exil die Strippen in der Unión por
la Esperanza zieht und auf Neuwahlen als Option für eine Rückkehr setzt,
ist kein Geheimnis. „Präsident Lasso, seien Sie kein Feigling und rufen Sie
vorgezogene Neuwahlen aus“, hatte Correa am Samstag [3][getwittert].
Sollte die Amtsenthebung durch das Parlament scheitern, lässt die
Verfassung noch einen Weg offen: Der Präsident löst das Parlament auf. Auch
in diesem Fall müssen Parlament und Präsident innerhalb von drei Monaten
neu gewählt werden.
27 Jun 2022
## LINKS
[1] /Equadors-Praesident-Guillermo-Lasso/!5861891
[2] https://www.youtube.com/watch?v=01NqegG-CFQ
[3] https://twitter.com/eluniversocom/status/1540802092574441472
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Protest
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