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# taz.de -- Reform der EU-Asylpolitik: Verschärfen und Verteilen
> Die EU-Innenminister*innen wollen die Außengrenzen schützen und
> Schutzsuchende verteilen. Kritik kommt von der Union, aber auch von
> Linken und Grünen.
Luxemburg/Berlin taz/dpa | Seit Jahren streiten die EU-Staaten über eine
Reform der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik. Nun erzielten die
EU-Innenminister*innen am Freitag in Luxemburg eine politische
Grundsatzeinigung auf zwei Gesetzesvorhaben, die den Schutz der
europäischen Außengrenzen stärken sollen.
Zudem soll ein Mechanismus zur Unterstützung der Mittelmeerländer im Umgang
mit Asylsuchenden aufgesetzt werden. Die Verteilung Schutzsuchender war in
den vergangenen Jahren einer der größten Knackpunkte. „Wir haben heute
einen wichtigen Fortschritt in der Migrationspolitik europaweit erreichen
können“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson [1][äußerte sich auf Twitter]
zufrieden. Es habe Unterstützung einer großen Mehrheit der Länder für die
drei Vorhaben gegeben. Jedoch sind die Details noch nicht ausgearbeitet.
Der französische Vorsitz der EU-Staaten strebt einen endgültigen Deal bis
zum Ende seiner Amtszeit Ende des Monats an. Wer dann letztlich
unterzeichne, könne sie nicht sagen, erklärte Faeser. Zwei oder drei
Staaten hätten sich negativ geäußert.
Konkret geht es um ein neues Verfahren an den EU-Außengrenzen zur
Identifikation Schutzsuchender sowie um eine Reform der Eurodac-Datenbank
zur Abnahme von Fingerabdrücken. Über beide Vorhaben müssten die EU-Staaten
noch mit dem Europaparlament verhandeln.
## Zwölf Länder wohl zur Aufnahme bereit
Die Teilnahme an dem geplanten Solidaritätsmechanismus, der die
Mittelmeerländer Griechenland, Zypern, Italien, Malta und Spanien entlasten
soll, wäre freiwillig. Die EU-Staaten sollen diesen Ländern entweder
Schutzsuchende abnehmen, oder sie auf andere Weise unterstützen – etwa mit
Geld oder Sachleistungen.
Faeser schätzte, dass etwa zwölf Länder Flüchtlinge aufnehmen würden,
darunter neben Deutschland auch Bulgarien und Rumänien. Die anderen, die
bei der Initiative dabei seien, würden sich finanziell beteiligen. Eine
konkrete Zahl, wie viele Menschen Deutschland aufnehmen könnte, nannte die
Ministerin nicht.
Der Mechanismus soll in die bereits bestehende Solidaritäts-Plattform, die
nach Beginn des Kriegs in der Ukraine geschaffen wurde, integriert werden
und zunächst auf ein Jahr begrenzt sein. Ziel ist, in dieser Zeit
mindestens 10.000 Menschen zu verteilen. Faeser sagte, die genaue Zahl
werde noch ausgearbeitet. Die EU-Kommission und die französische
Ratspräsidentschaft kündigten für die kommenden Tage ein Treffen dazu an.
Die Union kritisierte die Beschlüsse. Der geplante Mechanismus gehe „zu
Lasten Deutschlands“, sagte Andrea Lindholz, stellvertretende Vorsitzende
der Unionsfraktion im Bundestag. Schon in den vergangenen Jahren habe es in
Deutschland mehr Asylanträge gegeben als in Italien oder Griechenland. Eine
„zusätzliche Umverteilung von Süd- nach Nordeuropa ohne wirksame Maßnahmen
gegen die unkontrollierte Weiterwanderung von Asylsuchenden“ verschärfe die
Defizite der EU-Asylpolitik nur.
## Kritik von Linken und Grünen
Auch die Linke im Bundestag sieht in der Einigung keinen Fortschritt. „Was
als vermeintlich historische Einigung bezeichnet wird, ist im Kern ein
unverantwortliches ‚Weiter so‘ in der menschenrechtswidrigen
EU-Asylpolitik“, kritisierte Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin
ihrer Fraktion.
Einer freiwilligen Umverteilung in geringem Umfang werde der „Schutz der
Außengrenzen“ gegenübergestellt. Dieser aber, so Bünger, bedeute in der
Praxis „nicht weniger als permanente Menschenrechtsverletzungen:
Rechtswidrige Zurückweisungen und brutale Misshandlungen von
Schutzsuchenden sind der furchtbare Alltag an den EU-Außengrenzen“.
Ähnlich äußerte sich Erik Marquardt, asylpolitischer Sprecher der
Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament: „Die Mitgliedstaaten versuchen
die Entrechtung von Schutzsuchenden durch ein Mini-Aufnahmeprogramm zu
kaschieren“, konstatierte Marquardt.
Er erwarte vom Kanzleramt und dem Bundesinnenministerium, dass die Inhalte
des Koalitionsvertrags auf europäischer Ebene vertreten würden. „Im Moment
entsteht der Eindruck, dass eine Verstetigung des Leids an den Außengrenzen
hingenommen wird, statt Menschenrechtsverletzungen offen zu kritisieren.
Eine Koalition der Willigen darf nicht durch eine Entwürdigung von
Schutzsuchenden an den Außengrenzen erkauft werden“, so Marquardt. (mit
dpa)
10 Jun 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/YlvaJohansson/status/1535193746958168064?ref_src=twsrc%…
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Asylpolitik
Europäische Union
Nancy Faeser
EU-Parlament
GNS
Flüchtlinge
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Dänemark
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