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# taz.de -- Polen zur Bundeswehr-Aufrüstung: Alte Ängste sind nicht weg
> Deutschlands Aufrüstungspläne lösen in Polen ambivalente Gefühle aus.
> Ganz ist die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg noch nicht in den
> Hintergrund gerückt.
Bild: Niedersachsen: Soldatinnen und Soldaten nehmen an einer Übung zur ABC-Ab…
„Deutsche Macht fürchte ich heute weniger als deutsche Untätigkeit“, sagte
der polnische Außenminister Radosław Sikorski vor einem Jahrzehnt. Diese
Worte lösten damals Erstaunen aus. Zwar gilt der deutsch-polnische
Aussöhnungsprozess als erfolgreich. Wir selbst hatten seit unserer Kindheit
von prominenten Persönlichkeiten gehört, die viel zu diesem Prozess
beigetragen haben. Die polnischen Bischöfe im Jahr 1965, Willy Brandt im
Jahr 1970, Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki im Jahr 1989 und viele
andere. Aber zu sagen, dass die Angst vor einer Rückkehr der Vergangenheit
verschwunden ist, war damals eine echte Revolution in unserem Land.
Heute, im Angesicht des russischen Angriffs auf die Ukraine, kommen die
Worte des polnischen Ministers wie ein Bumerang zurück. Umso mehr, weil der
Krieg viele Dinge auf den Kopf gestellt hat. Aber die Neuheit der Situation
beseitigt nicht alte kollektive Ängste, die auf eine frühere Ära
zurückgehen. Die Diskussion über die [1][Aufrüstung der Bundeswehr] ist ein
gutes Beispiel dafür. Trotz der hitzigen Diskussion wurde schließlich eine
Einigung über einen Sonderfonds für die Bundeswehr erzielt. In Berlin wird
jedoch wenig über die Emotionen gesprochen, die diese Entwicklung in
Polen auslöst. Und die Gefühle der Polen sind gemischt.
„Deutschland verhält sich seit Jahren schleppend und schuldet der Nato
Milliarden, die es zurückzahlen muss“ – donnerte der damalige US-Präsident
Donald Trump im Jahr 2020. Ob dies nun ein bequemer Vorwand für einen
Rückzug der USA aus Europa war oder nicht, Trump bot eine Rechtfertigung,
die sich später als Glaube an das deutsche „Trittbrettfahren“ in der Nato
verbreitete.
Damals freuten sich jene in Warschau, dass Präsident Trump Deutschland
kritisiert. Premierminister Mazowiecki lud US-amerikanische Truppen nach
Polen ein. Nicht nur die Befürworter der derzeitigen Regierung in Warschau
empfanden eine gewisse Genugtuung darüber, dass Polen im Gegensatz zu
Deutschland 2 Prozent des BIPs für sein Militär ausgibt.
Doch die Angelegenheit war zweideutig. Zum einen klang Trumps eigene
Erklärung zum Rückzug der USA aus Deutschland fast wie eine Ermutigung zu
verstärkten russischen Aktivitäten in der Region. Und die sind gekommen.
Zum Zweiten wird eine starke deutsche Armee von vielen Polen gefürchtet,
resultierend aus der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Das muss nichts
mit Fakten zu tun haben. Es ist jedoch ein so starker Teil der polnischen
historischen Erfahrung, dass auch wir, die mit dem heutigen Deutschland und
seiner politischen Kultur vertraut sind, im Hinterkopf Angst vor einer
solchen Entwicklung verspüren.
Die einzige Lösung ist ein Schritt in Richtung einer funktionsfähigen
europäischen Armee. Dann wäre [2][die deutsche Armee] Teil eines größeren
Zusammenhangs und könnte als Schutzschirm für alle betrachtet werden.
Aber hier müssten wir einen entscheidenden Schritt in Richtung einer
europäischen Föderation wollen. Werden dies auch die Nationalisten
erkennen, die in Warschau die Regierung stellen? Rhetorisch schlagen sie
weiterhin die alten Tasten des Populismus an. „Ich weiß nicht, ob sich
Deutschland gegen Russland oder [3][gegen uns wappnet]“, sagte der
Vorsitzende der Regierungspartei Jarosław Kaczyński. Aber die Taten
sprechen für sich. Zum Beispiel hat sich die Regierung schließlich mit der
Europäischen Kommission auf den Wiederaufbaufonds geeinigt. Obwohl die
Populisten den Nationalstaat betonen wollen, wird der Krieg in der Ukraine
sie langfristig dazu zwingen, die Integration innerhalb der EU zu
vertiefen.
12 Jun 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Karolina Wigura
Jaroslaw Kuisz
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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