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# taz.de -- Patriarchat und öffentliche Toiletten: Das Khara-System
> In Berlin werden gehäuft öffentliche Toiletten ausgeraubt. Ist das
> Kriminalität oder feministischer Protest?
Bild: Demnächst kostenloses Pinkeln für ein Jahr. Mobiles Frauenurinal
Ich versuche es tunlichst zu vermeiden, auf öffentliche Toiletten zu gehen.
Egal, wo ich bin. Selbst diese Hightech-Klos, die sich nach jedem Gang
automatisch komplett säubern, werden von einigen Menschen regelrecht
bezwungen. Neulich stand in Berlin die Tür einer dieser Toilettenanlagen
offen und es sah so aus, dass an der Wand und an der Decke größere Mengen
von Fäkalien klebten. Da war Khara, wie der Nafri sagt, an der Wand! Es war
einer der wenigen Reportermomente in meinem Leben, in denen ich auf nähere
Betrachtung gerne verzichtet habe.
Ich kann’s noch halten, für andere Menschen ist es aber dringlicher,
überall auch mal aufs Klo gehen zu können. In Berlin macht das: 50 Cents.
Passend natürlich. Wir sind ja in Deutschland hier! Kartenzahlen dann oft
doch nicht möglich. [1][Jene Menschen im Besitz eines Penis können
natürlich gratis gehen], zumindest wenn sie nur urinieren müssen. Hinten an
den Anlagen sind oft zwei Pissoirs angebracht, die von außen zugänglich
sind und nichts kosten. Die politischen Verantwortlichen haben diese für
Wildpinkler (also Männer) reserviert und deren Umleitung weg vom Busch oder
Hauseingang ran ans Pissoir soll bitte die Gemeinschaft finanzieren. Alle
anderen müssen selbst in die Tasche greifen. Passend natürlich. Das
Patriarchat ist unfair und scheiße.
Aber selbst dieses Khara-System kommt nun in Bedrängnis: [2][In Berlin
werden seit einiger Zeit die öffentlichen Toiletten von Unbekannten
lahmgelegt]. Die Täter*innen haben es aufs Klimpergeld abgesehen, das in
den Klo-Kassen lagert. Sie sprengen das Gehäuse oder brechen es auf und so
ist die Toilette erstmal nicht mehr funktionsfähig. Sind es kriminelle
Banden oder ist es doch radikal-feministischer Protest? Ich möchte an
dieser Stelle nicht spekulieren.
Denn Erleichterung ist in Sicht: Im Frühjahr kommenden Jahres, so wurde
diese Woche vermeldet, sollen in der deutschen Hauptstadt endlich Schritt
für Schritt kostenfreie Klos für alle aufgebaut werden. Ökologisch,
wassersparend, anscheinend auch hygienischer. Am wichtigsten aber: Dort
soll es dann auch Pissoirs für Menschen ohne Penis geben, ebenfalls gratis.
Zumindest für ein Jahr. Wenn die Testphase vorbei ist, sollen auch diese
stillen Örtchen wieder kosten. Gut, dass die Berliner Polizei nun eine
Klo-Komission gegründet hat. Das neue Ermittlungsteam soll den
Toiletten-Dieben auf die Schliche kommen. Die Khara-Politik wird es schon
auslöffeln.
So oder so werde ich weiterhin einen Bogen um die öffentlichen Toiletten in
Berlin und darüberhinaus machen. Ich hätte neulich tatsächlich gemusst und
da war dieses Gratis-Pissoir im Park. Also dachte ich mir: Es ist quasi an
der frischen Luft und niemand fasst es an und du profitierst als Cis-Mann
sowieso vom Patriarchat und hab dich jetzt nicht so, Mohamed!
Ich habe mich also vorsichtig genähert und am Sichtschutz vorbei für drei
Millisekunden die Lage ausgecheckt. Da thronte im Pissoir ein Haufen Khara!
Beste Illustration der ganzen Lage.
25 May 2022
## LINKS
[1] /Oeffentliche-Toiletten-in-Berlin/!5752804
[2] /Einbrueche-in-Berliner-City-Toiletten/!5843898
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Kolumne Die Nafrichten
Toilette
Patriarchat
Gender
Diskriminierung
Kolumne Die Nafrichten
IG
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