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# taz.de -- Nach Amokfahrt in Berlin: Wenn das Fahrzeug zur Waffe wird
> Die Amokfahrt eines Mannes in Berlin sehen Ermittler als Tat eines
> psychisch Kranken. Das Tatmuster tritt nicht zum ersten Mal auf.
Bild: Breitscheidplatz Berlin: Blumen zum Gedenken an die Opfer der Amokfahrt
Berlin taz | Am Donnerstag steht die Haupt- und Realschule im hessischen
Bad Arolsen noch immer unter Schock. Ihre Internetseite hat sie vom Netz
genommen, der Unterricht findet statt, aber die Schüler:innen werden
psychologisch betreut. Tags zuvor waren 24 Zehntklässler:innen [1][in
Berlin Opfer einer Amokfahrt] geworden. Sieben von ihnen wurden schwer
verletzt, sieben leicht. Ein Lehrer schwebte auch am Donnerstag noch in
Lebensgefahr, seine 51-jährige Kollegin starb. Es war das schreckliche Ende
einer Klassenreise.
Die hessische Landesregierung versicherte, dass sofort
Notfallbetreuungsteams an die Schule geschickt wurden. Noch am Mittwoch
waren ein Team der Schule und Eltern nach Berlin gereist. Die unverletzten
Schüler:innen wurden in ihrem Hotel psychologisch betreut, sie sollten
am Donnerstag mit Bussen zurück nach Bad Arolsen gebracht werden. Die
Politik bis hoch zu Olaf Scholz sicherte Unterstützung zu. Der Kanzler
nannte die Tat einen „Albtraum“.
[2][Mit einem Kleinwagen war ein 29-Jähriger] am Mittwochvormittag in
Berlin-Charlottenburg in die Schülergruppe gefahren und am Ende in eine
Parfümerie. Als der Mann flüchtete, hielten ihn Passanten fest, bis die
Polizei ihn festnahm. Insgesamt zählte die Polizei 31 Verletzte. All das
geschah nahe des Breitscheidplatzes, was sofort Erinnerungen an den
[3][Anschlag eines Islamisten 2016] weckte, der dort mit einem Lkw zwölf
Menschen getötet hatte.
## „Amoktat eines psychisch Beeinträchtigten“
Diesmal blieben die Hintergründe zunächst unklar. Erst am Mittwochabend
legte sich Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) fest: Es war „eine
Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen“. Der Täter, der seit
mehreren Jahren in der Hauptstadt lebte, war laut Berliner
Staatsanwaltschaft wegen kleinerer Diebstähle polizeibekannt, die
allerdings schon Jahre zurückliegen. 2014 erhielt er dafür eine Verwarnung
vor Gericht. Politisch fiel der 29-Jährige bisher nicht auf.
Sebastian Büchner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, erklärte am Donnerstag,
es gebe Hinweise auf eine paranoide Schizophrenie. Entsprechende
Medikamente wurden gefunden, der Festgenommene habe seine Ärzte von der
Schweigepflicht entbunden. Eine terroristische Tat oder ein Unfall könnten
damit bisher ausgeschlossen werden, sagt Büchner. Zwei Plakaten, die sich
im Tatauto fanden, das der Schwester des Fahrers gehörte, und die einen
Stopp des „Völkermords“ der Türkei forderten, werde kein Tatbezug
zugerechnet.
Der Festgenommene wurde vorläufig in die Psychiatrie eingewiesen. Offiziell
eingelassen zur Tat hat er sich bisher nicht. Auch Berlins Bürgermeisterin
Franziska Giffey (SPD) erklärte, der Mann habe sich nach seiner Festnahme
„wirr“ geäußert. Den Eindruck erweckte auch ein Augenzeugenvideo von der
Festnahme, wo der 29-Jährige Umstehende scheinbar orientierungslos um Hilfe
bittet.
## Nicht die erste Amokfahrt mit einem PKW
Damit steht die Tat nicht in einer Reihe mit dem Breitscheidplatz-Anschlag,
sondern mit früheren Amokfahrten in [4][Trier], [5][Münster] oder
[6][Volkmarsen], bei denen es teils ebenso zu Todesopfern kam – es aber
kein politisches Motiv gab.
Für die Kriminologin Britta Bannenberg, die zu Amoktaten forscht, folgt die
Berliner Tat einem typischen Muster. „Die Forschung hat gezeigt, dass alle
Amoktäter psychische Auffälligkeiten zeigen, von Persönlichkeitsstörungen
bis zur Schizophrenie.“ Die Täter fühlten sich sozial abgelehnt, würden
über die Zeit anderen gegenüber „Elemente der Feindseligkeit“ aufbauen, d…
sich dann in Gewalt entlade. Wenn dafür keine Schusswaffen zur Verfügung
stünden, würde auch zu anderen Mitteln wie Autos zurückgegriffen, so
Bannenberg. Auch „Inspirationen“ von anderen Tätern seien typisch, was im
aktuellen Fall der Breitscheidplatz-Attentäter oder andere Amokfahrer
gewesen sein könnten. Gleichzeitig betont Bannenberg: „Solche Amoktaten
bleiben sehr selten. Nur sehr wenige psychisch Erkrankte werden
gewalttätig.“
Auch bei den jüngsten Amokfahrten bleibt das Motiv teils bis heute unklar.
In Münster hatte sich der Fahrer nach der Tat erschossen. Zum Trierer Fall
läuft der Prozess, der 52-jährige Angeklagte schweigt zu seinen Motiven,
ihm wird eine Psychose attestiert. Der 31-jährige Fahrer in Volkmarsen
wurde im Dezember [7][zu lebenslanger Haft verurteilt]. Auch er verweigerte
eine Aussage, sein Motiv blieb ungeklärt. Eine Gutachterin attestierte auch
ihm eine Persönlichkeitsstörung.
9 Jun 2022
## LINKS
[1] /Am-Breitscheidplatz-Berlin/!5856815
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[3] /Fuenf-Jahre-Anschlag-am-Breitscheidplatz/!5818096
[4] /Fuenf-Tote-und-viele-Verletzte-in-Trier/!5729069
[5] /Amokfahrt-in-Muenster/!5496745
[6] /Pkw-Vorfall-bei-Karnevalszug/!5666456
[7] /Rosenmontagszug-Volkmarsen/!5822619
## AUTOREN
Konrad Litschko
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Polizei Berlin
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