# taz.de -- Vor dem Bundesparteitag: Wechsel im Linken-Maschinenraum | |
> Auf dem Parteitag Ende Juni wird Jörg Schindler nicht wieder als | |
> Bundesgeschäftsführer kandidieren. Janis Ehling möchte sein Nachfolger | |
> werden. | |
Bild: Will eine Erneuerung der Linkspartei: Janis Ehling bewirbt sich um die Na… | |
BERLIN taz | Der eine tritt ab, der andere geht in die Startlöcher. Bei der | |
Linkspartei steht ein Wechsel im Maschinenraum an. Der bisherige | |
Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler tritt auf dem Parteitag Ende Juni ab, | |
der frühere Studierendenaktivist Janis Ehling bewirbt sich um seine | |
Nachfolge. Das gaben die beiden am Mittwoch bekannt. | |
Sein Ziel sei eine „Erneuerung der Partei“, sagte Ehling der taz. „Die | |
Linke wird gebraucht und hat deswegen kein Recht, sich einfach selbst | |
aufzugeben.“ Er habe „wahnsinnige Lust, den Laden wieder auf Vordermann zu | |
bringen“. Der 36-jährige Berliner Politikwissenschaftler stand von 2014 bis | |
2017 als Geschäftsführer dem Studierendenverband Die Linke.SDS vor, seit | |
2016 ist er Mitglied im Parteivorstand. | |
Die Linke müsse ihre destruktiven Umgangsformen überwinden und „wieder | |
lernen, um die Sache zu streiten – und zwar respektvoll, ohne gleich die | |
Integrität des Gegenübers infrage zu stellen“, forderte [1][Ehling im | |
taz-Interview]. Gebraucht werde jetzt [2][eine gestärkte Parteiführung], | |
„die als Team agiert“. Daran wolle er mitwirken. | |
Der amtierende Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler zieht sich hingegen aus | |
der Linken-Spitze zurück. „Diese Entscheidung habe ich bereits vor einigen | |
Wochen endgültig getroffen“, teilte der 50-Jährige am Mittwoch in einer | |
Erklärung mit, die der taz vorliegt. Es ist die logische Konsequenz aus den | |
existenzbedrohenden Wahlniederlagen der jüngsten Zeit, an denen er als | |
oberster Wahlkampfmanager eine Mitverantwortung trägt. | |
## Scharfe Kritik an Wagenknechts „Aufstehen“ | |
Der im sächsischen Borna geborene Schindler leitet seit knapp vier Jahren | |
die Berliner Parteizentrale. Unterstützt von den damaligen Vorsitzenden | |
Katja Kipping und Bernd Riexinger hatte sich der gelernte Rechtsanwalt auf | |
dem Leipziger Parteitag 2018 knapp gegen den früheren | |
Bundestagsabgeordneten Frank Tempel durchgesetzt. 2021 wurde Schindler | |
wiedergewählt. | |
Die Bilanz seiner Amtszeit ist – vorsichtig formuliert – durchwachsen. | |
Schon bei der Europawahl 2019 stürzte die Linkspartei auf 5,5 Prozent ab, | |
bei der Bundestagswahl 2021 fiel sie sogar unter die 5-Prozent-Marke und | |
flog nur dank dreier Direktmandate nicht aus dem Parlament. | |
„Wir haben verloren, weil wir zerrissen waren“, konstatiert Schindler in | |
seiner Abschiedserklärung. Das Problem der Linkspartei sei, dass sie „nicht | |
plural, sondern vielstimmig“ sei. Die „Kakofonie der Positionen“ sei fals… | |
und schädlich. | |
Scharf attackiert er die gescheiterte [3][„Sammlungsbewegung Aufstehen“], | |
die die Ex-Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und ihr Anhang | |
kurz nach dem Linksparteitag 2018 gestartet hatten. Das sei „kein Projekt | |
des Zusammenführens, sondern ein Projekt der Teilung“ gewesen. „Skurril“ | |
sei es, „wenn eine prominente Vertreterin der damaligen | |
[4][‚Aufstehen‘-Initiative] heute beklagt, dass unsere Partei seit einiger | |
Zeit zu jeder Position auch das genaue Gegenteil vertrete“ – eine | |
unverhohlene Spitze gegen Wagenknecht. | |
## Parteistiftung will neues strategisches Führungszentrum | |
Die Parteikultur müsse sich ändern, und zwar „weg von einer bloß medial | |
geführten hin zu einer innerparteilich transparenten und an demokratischen | |
Entscheidungen orientierten Debatte“, forderte Schindler. Die Linkspartei | |
brauche „eine neue gemeinsame Erzählung, wie und in welche Richtung sich | |
nach Auffassung von uns als Sozialist:innen die Gesellschaft | |
weiterentwickeln soll“. Es genüge nicht, “die alten Hits zu spielen“. | |
In die gleiche Richtung zielt ein ebenfalls am Mittwoch veröffentlichtes | |
Thesenpapier der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). „Der | |
Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke | |
sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei Die Linke stellt ihre | |
Existenz infrage“, konstatiert eine Vorstandsarbeitsgruppe um die | |
Stiftungsvorsitzende Dagmar Enkelmann und ihren designierten Nachfolger | |
Heinz Bierbaum. | |
Um einen Ausweg aus der Krise zu finden, sei ein zeitgemäßes neues | |
Verständnis von Sozialismus notwendig – und ein Ende der destruktiven | |
innerparteilichen Selbstzerfleischung. So beklagen die Autor:innen eine | |
„selbstzerstörerische Tendenz Einzelner“, Parteibeschlüsse bereits am | |
selben Tag, an dem sie getroffen wurden, „für irrelevant zu erklären und | |
die Grenzen solidarischer öffentlicher Kritik massiv zu verletzen“. | |
Erforderlich sei der Aufbau eines strategischen Führungszentrums, | |
„basierend auf der Einheit von Bundespartei und Bundestagsfraktion“, heißt | |
es in dem Stiftungspapier. Dafür müsse jenseits jeder Strömungsarithmetik | |
und Postenlogik das Gemeinsame nach vorne gestellt werden. | |
Wenn es gelinge, die tragenden Teile der Partei um ein solches neues | |
Zentrum zu organisieren, habe die Linkspartei eine Zukunft, ist | |
Mitverfasser Mario Candeias überzeugt. Dabei müsse dieses strategische | |
Zentrum auch „verbindlich für den Umgang mit Widersprüchen“ stehen und | |
einen „Korridor“ definieren, in dem unterschiedliche Positionen | |
ausgetauscht und Konflikte ausgetragen werden können, so der Direktor des | |
Instituts für Gesellschaftsanalyse der RLS. | |
„Was wir brauchen, ist weder stramme Parteidisziplin ohne Debatte noch eine | |
Kakophonie dissonanter Positionen“, sagte Candeias der taz. „Nach der | |
Neuaufstellung der Partei sollte zu diesem Zweck auch die Neuaufstellung | |
der Fraktion erfolgen.“ Die will davon allerdings bisher nichts wissen. | |
8 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Janis-Ehling-ueber-die-Linkspartei/!5860024 | |
[2] /Neuwahl-der-Linken-Parteispitze/!5853705 | |
[3] /Nach-dem-Abgang-Wagenknechts/!5580846 | |
[4] /Wagenknechts-Rueckzug-von-Aufstehen/!5582420 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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