# taz.de -- Niederlande wollen fossilen Brennstoff: Insulaner gegen Gasbohrungen | |
> Die Niederlande genehmigen die Förderung des fossilen Brennstoffs nahe | |
> zweier Nordseeinseln. Nicht nur UmweltschützerInnen sind alarmiert. | |
Bild: Die Insel Schiermonnikoog: Die geplanten Gasbohrungen stoßen auf Widerst… | |
AMSTERDAM taz | Schiermonnikoog ist mit seinen gerade mal 950 Einwohnern in | |
den Niederlanden sehr selten Thema der großen Nachrichten. Sie ist ein | |
Kleinod im Watt mit Sand, Dünen und [1][zwei Leuchttürmen]. In der | |
vergangenen Woche war das anders: Hans Vijlbrief, der für Bergbau | |
zuständige Staatssekretär, kündigte an, dass im Norden der nur 16 Kilometer | |
langen und bis zu 4 Kilometer breiten Nordseeinsel künftig nach Gas gebohrt | |
werden darf. Die „definitive“ Genehmigung betrifft ein Gasfeld 20 Kilometer | |
nördlich der Insel im Grenzgebiet zum deutschen Teil der Nordsee, die | |
Nachbarinsel Borkum ist nicht weit entfernt. | |
Ausgeführt wird das Projekt namens „N05 “ von der niederländischen Firma | |
ONE-Dyas. Mithilfe einer Pipeline soll das Gas an Land transportiert | |
werden. Die Elektrizitätsversorgung geschieht über ein Kabel, das die | |
Bohrplattform mit dem deutschen Offshore-Windpark Riffgat verbindet. Ende | |
2024 soll das erste Gas gefördert werden. | |
Vijlbrief betonte, er habe bei seinem Beschluss Ergebnisse einer | |
Umweltverträglichkeitsprüfung mitberücksichtigt. Allen Kriterien würde | |
entsprochen, außerdem wolle man mit zusätzlichen Maßnahmen „Sorgen und | |
Beschwerden von Bewohnern der Watteninseln und Naturorganisationen | |
entgegenkommen“. So soll die Plattform von den Inseln aus weniger sichtbar | |
sein und Abstand zu einem „Austern-Projekt“ halten. Der entstehende | |
Bohrschlamm werde nicht auf See entsorgt, freikommendes Wasser mit einem | |
Spezialfilter gereinigt. | |
UmweltschützerInnen und Insulaner sind jedoch alarmiert. Fundamentale | |
Kritik kam von der niederländischen Waddenvereniging, die regelmäßig auf | |
die [2][prekäre Situation des Wattenmeers] hinweist. Kabel, die durch | |
dieses Gebiet bis an die Küste der Provinz Groningen verlegt würden, | |
schadeten dem einzigartigen Ökosystem, sagt Sprecher Fank Petersen. | |
## „Eine moralische Entscheidung“ | |
Es handele sich um eine moralische Entscheidung, so Petersen zur taz: „Wie | |
kann ein Unternehmen sich nur in den Kopf setzen, 2022 noch für 35 Jahre in | |
Gasförderung zu investieren und Treibhausgase auszustoßen, während selbst | |
Kinder heute wissen, dass dadurch der Meeresspiegel steigen wird?“ | |
Ähnlich formuliert es auf ostfriesischer Seite der Wattenrat. „Unmöglich, | |
in der unmittelbaren Nähe dieses Weltkulturerbes nach Gas zu bohren“, | |
betont Koordinator Manfred Knake. Er kritisiert auch die niedersächsische | |
Landesregierung, die im April ihre Position zum Thema revidiert habe. „Noch | |
vor einem halben Jahr hat sie das kategorisch ausgeschlossen. Und jetzt | |
macht sie durch den Ukrainekrieg eine 180- Grad-Kehrtwende!“ | |
Das Argument, die Bohrungen fänden nicht direkt im Wattensee-gebiet statt, | |
weist er zurück: „Wegen eines indischen Kohlehafens 20 Kilometer vor dem | |
Great Barrier Reef gab es vor Jahren auch weltweite Proteste. Außerdem | |
verursacht das Gasprojekt sehr viel Lärm, was etwa [3][Schweinswale] enorm | |
belastet.“ | |
Die geplante Nordsee-Fördermenge von bis zu zwei Milliarden Kubikmeter sei | |
angesichts des deutschen Bedarfs von 86 Milliarden Kubikmetern (im Jahr | |
2020) nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Knake. Ein „Eckpfeile… | |
der deutschen und europäischen Energieversorgung, wie Niedersachsens | |
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sein Bundesland und die | |
Niederlande nannte, sei dies keineswegs. | |
## Energiekrise „vorgeschobener Grund“ | |
Protest gegen die Bohrpläne regt sich auch auf den Watteninseln. Ineke van | |
Gent, die Bürgermeisterin von Schiermonnikoog, nennt das Vorhaben | |
„überholt“. Der Gemeinderat sei entschieden gegen die Bohrungen in der Nä… | |
des sensiblen Ökosystems. Laut van Gent gibt es bereits eine gemeinsame | |
Initiative der fünf niederländischen Watteninseln und der deutschen | |
Nachbarn Borkum, Juist und Norderney gegen das Projekt. | |
Die Bürgermeisterin fordert, „in nachhaltige Energiequellen zu investieren“ | |
statt in „altes Gas“. Die Energiekrise durch den Ukrainekrieg hält sie für | |
einen vorgeschobenen Grund, da das Gas erst in über zwei Jahren verfügbar | |
sei. Zugleich habe ONE- Dyas schon seit 2017 auf eine Förderlizenz | |
spekuliert. „Wenn sie sagen, sie müssten wegen dieser Krise schneller die | |
Möglichkeit bekommen zu bohren, missbrauchen sie die Situation. Mit | |
Russland oder der Ukraine hat das nichts zu tun.“ | |
Unbestritten ist indes, dass der Krieg in beiden Ländern die Suche nach | |
alternativen Energien vorantreibt. „Wir tun alles, um dem Umweltschutz zu | |
dienen“, sagte Althusmann dem NDR. Und: „Wir tun aber auch alles, um am | |
Ende der Versorgungssicherheit in Deutschland und Niedersachsen zu dienen.“ | |
In den Niederlanden hält Staatssekretär Vijlbrief bisher am Versprechen der | |
Regierung fest, die Gasförderung in der Provinz Groningen einzustellen, die | |
seit Jahren zu Erdbeben führt. Welche Auswirkungen die Ankündigung von | |
Gazprom hat, die Niederlande nicht mehr mit Gas zu beliefern, ist derzeit | |
unklar. | |
6 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.vvvschiermonnikoog.de/schiermonnikoog/sehenswuerdigkeiten/leuch… | |
[2] /Energiewende-wegen-Ukrainekrieg/!5852660 | |
[3] /Artenschutz-in-Kriegszeiten/!5849150 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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