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# taz.de -- Bauernproteste in den Niederlanden: Lauter und radikaler
> In den Niederlanden demonstrieren Landwirte mit Blockaden,
> Supermarktregale bleiben leer. Dabei gibt es Überschneidungen mit
> „Coronaleugnern“.
Bild: Bauern blockieren am 4. Juli die Straßen in Amsterdam
Amsterdam taz | Blockierte Logistikzentren von Supermärkten überall im
Land, leere Regale in der Frischwarenabteilung, Millionenschäden für die
Supermarktketten: Die [1][Bauernproteste in den Niederlanden] haben mit
mehrtägigen Aktionen zu Wochenbeginn eine neue Stufe erreicht. Bei einer
Kundgebung auf dem Dam-Platz mitten in Amsterdam stand auf einem
Transparent zu lesen: „Der Krieg ist begonnen, und wir gewinnen.“
Landesweit wurden zahlreiche Demonstranten festgenommen. Im friesischen
Heerenveen lief die Räumung einer Blockade so aus der Ruder, dass drei
Bauern unter Verdacht auf versuchten Totschlag festgenommen wurden und die
Polizei gezielt auf einen Traktor schoss.
Natürlich stehen längst nicht alle protestierenden Landwirte hinter dieser
Gewalt. Doch ein Ende der Aktionen ist derzeit nicht abzusehen. Sollte die
Regierung ihre Pläne zur Reduzierung von Stickstoffemissionen
weiterverfolgen, werde man „mehr leere Regale sehen“, zitierte das Algemeen
Dagblad die Bäuerin Sanne Ezendam und ihren Kollegen Koos Cromwijk, die am
Montag in Utrecht eine Pressekonferenz gaben. Die jüngsten Aktionen seien
„nur eine Warnung“, hieß es weiter.
Der ehemalige Minister Johan Remkes soll in dem Konflikt vermitteln und im
August einen Dialog mit den Landwirten starten. Die sehen die Benennung
Remkes skeptisch und fordern die Rücknahme der Regierungspläne, die
Stickstoffemissionen bis 2030 zu halbieren.
In den Niederlanden sind die Emissionen mehr als dreimal so hoch wie im
europäischen Durchschnitt. Einer Studie aus 2019 zufolge ist die
Landwirtschaft mit 61 Prozent die wichtigste Quelle. Um die Reduzierung der
Stickstoffemissionen sollen sich im Detail die jeweiligen Provinzen
kümmern.
## Radikale Rhetorik bei Protesten
Hinter den Protesten, die seit Ende Juni anhalten, steckt jedoch wesentlich
mehr. Auch die sogenannten Freedom Convoys mischen mit. Diese protestierten
seit dem Spätwinter in Kanada gegen Maßnahmen in der Coronapandemie und
fanden [2][auch im den Niederlanden Nachahmer].
Rhetorische und symbolische Überschneidungen gab es schon vorher: die
[3][Selbststilisierung als Freiheitskämpfer], der Fake-News-Vorwurf gegen
die Hauptnachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks NOS oder
die umgedrehte niederländische Flagge. In diesem Sommer flattert sie bei
Protestaktionen an zahlreichen Traktoren, in Anlehnung an einen alten
Brauch aus der niederländischen Seefahrt, mit dem die Bemannung ausdrücken
wollte: „Blau, weiß, rot, Schiff in Not.“
Heutzutage bezieht sich die vermeintliche Notlage aus Sicht der
Demonstrierenden auf den Zustand des ganzen Landes. In einem Aufruf im
Nachrichtendienst Telegram am Montag hieß es: „Dies ist der Moment, in dem
du alles verändern kannst. Unsere Autonomie und Freiheit steht auf dem
Spiel. Dies hat nicht nur mit den Bauern zu tun, es geht um so viel mehr.“
Als stolzes Volk wolle man Widerstand leisten gegen alles, was nicht stimme
in diesem Land. „Lass den niederländischen Löwen in dir brüllen wie noch
nie zuvor.“
Ein zentraler Akteur der Proteste ist die sogenannte Farmers Defence Force,
die mit ihrer radikalen Rhetorik weit über die traditionellen Agrarverbände
hinausgeht. Der Vorsitzende Mark van den Oever fiel bereits vor Jahren
damit auf, dass er die Situation der Bauern mit jener der Juden während des
Zweiten Weltkriegs verglich. Ihr Logo, die zwei gekreuzten Mistgabeln,
taucht überall auf den Demonstrationen auf. Organisiert habe man die
jüngsten Blockaden freilich nicht, betont die Organisation.
8 Jul 2022
## LINKS
[1] /Bauernproteste-in-den-Niederlanden/!5861364
[2] /Gewaltsame-Coronaproteste/!5816799
[3] /Gewalt-in-den-Niederlanden/!5813950
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Niederlande
Landwirtschaft
Protest
Landwirtschaft
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
Lesestück Recherche und Reportage
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