| # taz.de -- Fußball gucken mit Kumpels: Kampf um den Ball | |
| > Vom verzweifelten Versuch, Satellitenempfang zu bekommen, während | |
| > Galatasaray und Fenerbahçe gegeneinander spielen. | |
| Bild: Die richtige Ausrichtung ist nicht so leicht hinzukriegen: TV-Satellitens… | |
| Alle meine Kumpels sind heute bei mir zu Besuch. Eingeladen hat die kein | |
| Mensch. Aber t[1][rotzdem kommt der ganze Haufen zu uns, um das | |
| Fußballspiel] zwischen [2][Galatasaray und Fenerbahçe] zu sehen, das heute | |
| Abend in Istanbul stattfindet. Hasan und Nedim sind wie zwei Akrobaten aus | |
| dem Küchenfenster geklettert und fummeln an unserer Satellitenschüssel rum, | |
| die an der Außenwand des Hauses befestigt ist. | |
| „Mehr zur Wand hin, mehr zur Wand hin“, brüllt Cemal, der Gemüsehändler, | |
| aus dem Wohnzimmer und versucht mit allen Tricks den türkischen Sender | |
| lebendig einzufangen. | |
| „Ich habe das Ding schon einen halben Meter in die Wand gerammt“, schreit | |
| Hasan zurück, der, unter Einsatz seines Lebens, vom Küchenfenster aus die | |
| Schüssel versucht auszurichten. | |
| „Jetzt ist das Bild ganz weg! Es ist alles schwarz, man sieht ja gar | |
| nichts mehr“, schimpft Cemal wieder. | |
| ## Eins zu null | |
| „Das ist der Frauensender aus Teheran, die senden immer so schwarz | |
| verschleiert“, rufe ich dazwischen. | |
| „Osman, mach keine blöden Witze, du hättest den Sender ruhig früher | |
| einstellen können. Das Spiel läuft bereits seit einer Viertelstunde“, motzt | |
| mich Nedim an. | |
| Mitten in dem ganzen Theater klingelt auch noch das Telefon. | |
| „Es steht eins zu null!“, höre ich meinen Freund Ahmet am anderen Ende der | |
| Leitung brüllen, der extra für dieses Spiel nach Istanbul geflogen ist. Wir | |
| haben die Schüssel zwar immer noch nicht hingekriegt, dafür bekommen wir | |
| die Tore live von unserem Privatreporter aus Istanbul kommentiert. Aber | |
| bevor ich nachfragen kann, welche Mannschaft das Tor geschossen hat, bricht | |
| die Leitung zusammen. Hasan ruft verzweifelt von draußen: | |
| „Es klappt einfach nicht! Osman, deine Wohnung liegt für diesen Satelliten | |
| völlig falsch!“ | |
| „Soll ich etwa die Wohnung um 180 Grad drehen? Ihr habt alle keine Ahnung! | |
| Jetzt lass mich mal ran“, rufe ich verärgert und klettere selber auf die | |
| Fensterbank. Mit einer ruckartigen Bewegung reagiere ich meinen Ärger an | |
| der blöden [3][Satellitenschüssel] ab und verliere prompt den Halt. So | |
| schnell habe ich die zwei Etagen bis in den Vorgarten noch nie geschafft. | |
| „Jetzt ist gut, Osman, nicht mehr bewegen“, höre ich meine Kumpels von oben | |
| laut Beifall klatschen. | |
| „Ich kann mich sowieso nicht mehr bewegen! Ich habe mir alle Knochen | |
| gebrochen!“, jammere ich und werde ohnmächtig. | |
| Erst im Krankenhaus komme ich wieder zu Bewusstsein! Ich freue mich über | |
| den Fernsehapparat in der Ecke, der dieses verhängnisvolle Spiel aus | |
| Istanbul zeigt. | |
| „Wie steht es denn?“, frage ich mit gequälter Stimme meinen Bettnachbarn | |
| mit dem buschigen Schnurrbart. | |
| „Keine Ahnung“, stöhnt er leise auf Türkisch, „das Bild kommt und geht.… | |
| Satellit spinnt mal wieder. Deshalb bin ich heute vom Balkon | |
| runtergefallen.“ | |
| 4 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Osman Engin | |
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