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# taz.de -- UN-Bericht zur Erderhitzung: Wie lange bis zur +1,5-Grad-Grenze?
> Ein einziges Jahr, das im Schnitt 1,5 Grad zu heiß ist, bedeutet nicht,
> dass das Ziel aus dem Pariser Abkommen verfehlt wird. Aber es wird knapp.
Bild: Vor einigen Jahren war die Lagune Aculeo in Chile noch mit Wasser gefüllt
Bald ist es also soweit: Demnächst wird erstmals ein Jahr [1][1,5 Grad
Celsius heißer sein als der Durchschnitt vor der Industrialisierung]. Was
für das alltägliche Wetter wie eine kleine Zahl klingt, ist für das Klima
erheblich, denn an vielen Orten hat sich die Welt seit der
Industrialisierung weit stärker erhitzt. In Deutschland hat die
Erderhitzung beispielsweise [2][bereits +1,6 Grad erreicht], in der Arktis
sind es sogar mehr als +3 Grad.
Das baldige Überschreiten der +1,5-Grad-Marke ist symbolträchtig, denn im
Pariser Abkommen haben die Mitgliedsstaaten der UN sich verpflichtet, die
Erderhitzung möglichst unter dieser Marke zu halten. Nun meldet [3][die
Weltwetterorganisation der UN], dass mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit
bereits bis 2026 erstmals +1,5 Grad gemessen werden. Im Jahr 2015 war diese
Wahrscheinlichkeit noch 0. Ist der Klimaschutz kurz vor dem Scheitern?
„Ein einziges Jahr über +1,5 Grad heißt noch nicht, dass die ikonische
Schwelle des Pariser Abkommens überschritten ist“, sagte Leon Hermanson,
Mitautor des Berichtes, „aber es zeigt doch, dass wir einer Situation immer
näher kommen, in der 1,5 Grad für einen längeren Zeitraum überschritten
werden könnten.“
Darüber, wann es soweit ist, gibt eine Studie aus dem Jahr 2017 Aufschluss.
In der Klimawissenschaft wird in der Regel die durschnittliche Erhitzung
mehrerer Jahrzehnte als Erderhitzung verstanden, also der Durchschnitt der
Werte von 20 oder 30 Jahren. Der Grund ist, dass die Werte einzelner Jahre
aus unterschiedlichen Gründen schwanken können, beispielsweise wegen der
Auswirkungen der Phänomene El Niño und La Niña. So war das bislang heißeste
gemessene einzelne Jahr 2016. Seitdem hat sich die Erde allerdings weiter
erhitzt, obwohl die nachfolgenden Jahre einzeln alle kühler waren.
Die ForscherInnen um Joeri Rogelj, der kürzlich einer der leitenden Autoren
des IPCC-Klimaberichts war, [4][simulierten mit 24 Modellen wie sich die
Temperaturen der Erde zwischen 1900 bis 2090 entwickeln] würden. Ihr Fazit:
Eine Welt, die sich nur um 1 Grad erhitzt hat, wird sich statistisch kein
einziges Jahr um +1,5 Grad erhitzen. Und in einer Welt, die +1,5 Grad
Erderhitzung überschritten hat, wird jedes zweite Jahr heißer sein als +1,5
Grad – die andere Hälfte der Jahre wird entsprechend darunter liegen.
Mit einem ersten Jahr über +1,5 Grad kann also mit Sicherheit davon
ausgegangen werden, dass wir nicht mehr in einer +1-Grad-Welt leben; bis
das +1,5-Grad-Ziel gerissen ist, muss noch einiges passieren. Allerdings
wird das wohl recht schnell gehen: Laut Weltklimarat wird das [5][Anfang
der 2030er Jahre der Fall sein].
Um das zu verhindern, bleibt allerdings kaum noch Zeit: Die Szenarien aus
dem neuesten Weltklimabericht legen nahe, dass die weltweiten Emissionen
vor 2025 ihren Höchstwert erreichen und [6][bis 2025 bereits drastisch
reduziert werden] müssen. Und selbst dann könnte das +1,5-Grad-Ziel
zumindest zeitweise gerissen werden.
Studienautor Rogelj schrieb anlässlich des Berichtes der
Weltwetterorganisation [7][auf Twitter]: „Dass jährliche Erhitzungswerte
nicht das Gleiche sind wie Erderhitzung, heißt nicht, dass dringende
Emissionsminderung nicht nötig ist. Im Gegenteil.“
14 May 2022
## LINKS
[1] /UN-zum-Fortschreiten-der-Erderhitzung/!5850779
[2] /Klimarisiken-in-Deutschland/!5774952
[3] https://public.wmo.int/en/media/press-release/wmo-update-5050-chance-of-glo…
[4] https://spiral.imperial.ac.uk/handle/10044/1/78112
[5] https://www.carbonbrief.org/analysis-when-might-the-world-exceed-1-5c-and-2…
[6] https://twitter.com/Peters_Glen/status/1511979700872257538
[7] https://twitter.com/JoeriRogelj/status/1524117645880172545
## AUTOREN
Lalon Sander
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