# taz.de -- Die Bundesliga-Saison 2021/22: Ausgeglichenes Chancenplus | |
> Jetzt ist aber wirklich mal Schluss – die Fußball-Bundesliga der Männer | |
> verbschiedet sich in die Sommerpause. Vier Thesen nach dem Saisonfinale. | |
Bild: Rückblick: Dortmunds Erling Haaland verlässt die Liga | |
## Die zweite Liga war die bessere Liga | |
Zu den beinahe in Stein gemeißelten Weisheiten des Heiligen Tünn gehört das | |
Gebot: „Ein Toni Schumacher spielt nicht in Meppen!“ Verkündet hat das der | |
damalige Ex-Nationaltorwart im Jahr 1988, und zu dem Zeitpunkt war der SV | |
Meppen Imageträger der zweiten Liga: eine namenlose Truppe aus der | |
emsländischen Provinz, die im Hindenburgstadion rumpelte. Zehn Jahre später | |
war Schluss mit Meppens zweiter Liga. | |
Und spätestens in dieser Saison war die zweite Bundesliga stark wie nie: | |
[1][Schalke], [2][Werder, HSV], Nürnberg, Fortuna Düsseldorf, Hannover 96. | |
Klubs mit Erstligaetats und -ambitionen. Hier war es spannend wie es in | |
der München-und-der-Rest-Liga schon lange keiner mehr kennt. Finanziell gut | |
ausgestattete „Bayernjäger“ wie Borussia Dortmund oder RB Leipzig wussten | |
tief in ihrem Innern, dass es eh nichts wird. | |
Ambitioniert waren nur die, die akzeptiert haben, dass die Meisterschaft | |
notariell beglaubigt dem FCB gebührt: Mit dem für ihre Verhältnisse | |
ungehörigen Ziel, international mitzuspielen, kamen kleine Klubs wie der SC | |
Freiburg und Union Berlin grandios heraus. Ähnliches gilt für den FSV Mainz | |
und den VfL Bochum, die es bloß nicht in Europa-Conference-Blumenpott-Ligen | |
geschafft haben. Das Anti-Meppen-Diktum des Toni Schumacher hatte übrigens | |
noch einen Appendix: „Da gehe ich lieber in die Türkei.“ Er war damals mit | |
Schalke in die zweite Liga abgestiegen und wechselte zu Fenerbahçe | |
Istanbul. In der nun abgelaufenen Saison wäre der Tünn überall hingefahren. | |
Warum? Weil er gewusst hätte, dass er eh nicht Meister wird. Martin Krauss | |
## Die Bayern müssen enteignet werden | |
Das Deutsche Kartellamt hat natürlich weit Besseres zu tun, als sich um den | |
deutschen Fußball zu kümmern. Obwohl, Zeit wäre es. Da ist nämlich auch ein | |
Monopol entstanden, zwar nicht durch einen Zusammenschluss oder einer | |
Fusion mehrerer Vereine. Aber eben doch: ein Monopol, etabliert durch | |
jahrzehntelange Demontage und Ausplünderung der Konkurrenz und breite | |
Unterstützung vermutlich nicht immer legaler Natur durch Staat und | |
Wirtschaft, nicht zuletzt auch durch die Medien: Der Teufel, er schießt | |
immer vom größten Haufen aus, um ein bekanntes Bonmot mal zu variieren. | |
Dazu kam noch ein willfähriger Verband samt Schiedsrichtergarde, die | |
angeschlagene Psyche der Konkurrenten, mit der Champions League ein nie | |
enden wollender Fleischtopf in immer erreichbarer Nähe, und schon war da so | |
etwas wie ein Perpetuum mobile entstanden, das einen Titel nach dem anderen | |
wie von selbst generierte. So etwas kann das Bundeskartellamt an einem | |
guten Tag auch untersagen, „wenn dadurch wirksamer Wettbewerb erheblich | |
behindert wird“, so jedenfalls die Definition dieser Behörde. | |
Und: Dieser Fall ist gegeben. Seit zehn Jahren landet der Meistertitel im | |
Herrenfußball stets beim selben Verein, wohin er auch schon vorher | |
hauptsächlich gewandert war. Die [3][FC Bayern München AG ohne Co]: Warum | |
nicht mal enteignen? Warum eigentlich nicht? Was bei Rosneft gehen könnte | |
oder bei der Deutschen Wohnen, geht beim FCB bestimmt auch. Dem Wettbewerb | |
kann das nur guttun. | |
## Fußball ist Aberglaube – und Motivationskunst | |
In Köln, wo man es am Rhein traditionell sehr lustig hat, hatte man es | |
immer schon mit Symbolen. Zu Karneval tanzen die Funkemariechen, es gibt | |
ein Dreigestirn samt männlicher Jungfrau, einmal im Jahr gibt es dann auch | |
das Trikot zur „fünften Jahreszeit“: Rund um den Effzeh dreht sich vieles | |
um Fez, Kommerz und Aberglauben. | |
Ein Geißbock wird seit inzwischen neun Generationen ins Müngersdorfer | |
Stadion gekarrt, weil das Glück bringen soll. Man erinnert sich an blaue | |
Pullover, die monatelang nicht gewaschen wurden, weil entscheidende Männer | |
deswegen von Sieg zu Sieg eilten, von der Tribüne aus, wohlgemerkt. Und | |
jetzt ist es ein Mann mit Schiebermütze, einer wie weiland Helmut Schön, | |
obwohl der woanders wirkte. | |
Dieser Mann ließ sein Geburtsjahr auf die Mütze schreiben, damit das alle | |
wissen, und hampelt wie ein Derwisch an der Seitenlinie auf und ab, um aus | |
seiner Mannschaft noch das Allerletzte herauszukitzeln: Und | |
erstaunlicherweise hat das funktioniert. Nach einer durchwachsen bis guten | |
Saison heißt es am Rhein mal wieder: Europa! „Ja, da sind wir dabei, ja das | |
ist prima“: Der 1. FC Köln wird Anfang der nächsten Saison wieder | |
international spielen, was lokal gefeiert wird wie woanders Pokalsiege, | |
auch der Rasen musste beim Platzsturm am vorletzten Spieltag trotz | |
Niederlage dran glauben. Diese Freude, diese Euphorie! Aber ach, auch | |
diesmal könnte es wieder ein böses Erwachen geben. Schief gegangen ist die | |
Europaeuphorie nämlich schon beim letzten Mal. Dann kam der Abstieg. | |
## Clevere Defensive macht die Kleinen groß | |
Falls jemand sich fragt, warum genau der SC Freiburg in dieser | |
Bundesligasaison so außergewöhnlich erfolgreich ist und zudem im | |
Pokalfinale steht, hier eine These: Der Schlüssel ist die Defensive, | |
genauer gesagt, die Abwehr. Oder noch genauer gesagt: Den Unterschied macht | |
die gesteigerte Kompetenz der Abwehr in der Spieleröffnung. Beide | |
Innenverteidiger, Philipp Lienhart und speziell Jungnationalspieler Nico | |
Schlotterbeck sind neben der Defensivstärke auch hochqualifizierte | |
Vorwärtsspieler, und Torhüter Mark Flekken ist am Ball so gut, dass er fast | |
als weiterer Eröffnungsspieler zu bezeichnen ist. | |
Gut, in den letzten Wochen funktionierte die Defensive in der Defensive | |
nicht mehr ausreichend, aber über den gesamten Saisonverlauf gesehen hat | |
die Qualität der Spieleröffnung den SC Freiburg auf eine neue Ebene | |
gehoben. Nun ist es allerdings so, dass der Aus- und Weiterbildungsverein | |
nicht nur Schlotterbeck (an Dortmund) verliert, sondern auch noch den | |
besten Torwarttrainer der Welt, nämlich Andreas Kronenberg, der vollends | |
zum DFB wechselt. Kronenberg hat Oliver Baumann (TSG Hoffenheim), Roman | |
Bürki (Borussia Dortmund), Alexander Schwolow (Hertha BSC Berlin), Florian | |
Müller (VfB Stuttgart) und Flekken entwickelt oder weiterentwickelt. Nun | |
könnte man sich sorgen, dass weitere Verkäufe folgen und damit der übliche | |
Verlauf eingeläutet ist: Kleiner Klub hat Erfolg, die Besten werden | |
weggekauft, es geht wieder abwärts. | |
Aber man kann es auch so sehen: Der SC Freiburg bildet nicht nur | |
Nationalspieler aus, sondern nun auch Nationaltrainer. Und es kommt stets | |
ein Guter nach. Das nennt man nachhaltiges Arbeiten. | |
15 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
René Hamann | |
Martin Krauss | |
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