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# taz.de -- Die Wahrheit: Bayern-Doubles an der Meisterschale
> Exklusiv: Spieler des notorisch siegreichen FC Bayern lassen sich seit
> längerem schon von Doppelgängern vertreten.
Bild: Müller-Double Kevin Wollny jubelt mittig, zweiter von rechts oben Kweku …
Stellen Sie sich doch mal für einen Moment vor, Sie seien Thomas Müller.
Seit 2008 sind Sie beim FC Bayern dabei. Und jetzt müssen Sie schon zum
zehnten Mal nacheinander diesen Riesenjubel über die Meisterschaft
anstimmen! „Das wird doch langweilig und kommt irgendwann auch nicht mehr
authentisch rüber. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass die Mannschaft vor der
Übergabe der Meisterschale noch mal kurz in der Kabine verschwunden ist?
„Ein enger Vertrauter der Bayernmannschaft, der hier nicht mit Namen
genannt werden möchte, legt am vergangenen Sonntagabend den Finger in die
Wunde. „Da kommen die Doubles ins Spiel.“ So könnten die echten Stars schon
vorzeitig inkognito das Stadion verlassen und in den Urlaub aufbrechen.
Thomas Müller sei vor fünf Jahren der erste gewesen, der sich durch einen
Doppelgänger vertreten ließ. Das Double heißt Kevin Wollny und in einem
ruhigen Augenblick nach der Meisterfeier ist es dann doch noch zum
Interview mit der Wahrheit bereit. „Das Ganze fing vor sechs, sieben Jahren
aus einer Faschingslaune heraus an“, sagt der 31-Jährige. „Ich hatte mich
als FC-Bayern-Spieler verkleidet und wurde ständig auf die Ähnlichkeit zu
Thomas Müller angesprochen. Auf der Party war jemand, der Verbindungen zum
Verein hatte, und er hat den Kontakt zum echten Müller hergestellt.“ Als
Müller 2017 keine Lust auf die Siegesfeier hatte, habe Wollny ihn das erste
Mal vertreten. Mit Erfolg: „Nicht mal die Mannschaftskollegen haben was
gemerkt.“
Das mag auch am allgemeinen Siegestaumel gelegen haben. Denn Wollny traute
sich damals noch nicht, so viele Witze zu reißen, wie man es von seinem
Vorbild gewohnt ist. „Ich habe mir danach einen Dialektcoach zugelegt, der
mich richtig fit gemacht hat.“ Denn obwohl auch Wollny in Bayern
aufgewachsen ist, habe es noch sprachliche Details gegeben, die er lernen
musste, um die Auftritte als Thomas Müller zu perfektionieren. Das erste
Gastspiel brachte dem IT-Fachmann, der sich im wahren Leben gar nicht so
sehr für Fußball interessiert, damals gleich eine fünfstellige Summe ein.
## Lukrativer Nebenerwerb
Und so ist für Wollny die Rolle als Bayern-Stürmer inzwischen zu einem
lukrativen Nebenerwerb geworden, für den er seine eigentliche
Berufstätigkeit reduziert. So hat er Müller unbemerkt schon bei Dutzenden
Fototerminen, Preisverleihungen, Empfängen und anderen offiziellen
Veranstaltungen vertreten, auch als Botschafter der Stiftung Lesen. „Ich
glaube fast, in Wahrheit macht sich der Thomas gar nicht so viel aus
Büchern“, meint Wollny. Das komme ihm gelegen, denn er selbst lese gern,
vor allem Fantasy.
Wollny hat inzwischen auch die Doubles anderer Bayern-Stars kennengelernt:
„Es werden immer mehr, nach Müller kam sehr schnell Manuel Neuer als Klient
dazu, der die Idee genial fand. Dem hängen diese Veranstaltungen ja schon
lange zum Hals raus.“ Angeblich solle der Nationaltorhüter seit einiger
Zeit sogar über zwei Doubles verfügen, die sich abwechselten. Aber da man
keinen Unterschied sehe, wisse niemand, ob dieses Gerücht stimme, so Wollny
mit gerunzelter Stirn.
Bei manchen Spielern wie etwa Kingsley Coman sei die Suche nach einem
Doppelgänger eine besondere Herausforderung gewesen, nicht zuletzt wegen
des französischen Akzents. „Das muss ja sitzen“, meint Wollny und nickt
seinem Kollegen, dem Deutsch-Ghanaer Kweku Hoffmann, anerkennend zu. Der
25-jährige Biologiestudent investiert sehr viel Geld und Zeit, um seinem
Vorbild buchstäblich bis in die Haarspitzen zu gleichen. Das gelte für alle
Doppelgänger: regelmäßiges Fitnesstraining, Friseurbesuche, Sprach- und
Dialektcoaching und teure Kleidung.
## Investitionen, die sich auszahlen
Bei manchen Doubles kämen noch Tattoos hinzu, die wegen der exakten
Entsprechung besonders aufwändig und kostspielig sind. Doch die
Investitionen zahlten sich aus, so Kweku Hoffmann: „Für die Spieler sind
unsere großzügigen Honorare pro Auftritt ja bloß Peanuts.“ Er hofft, dass
Coman tatsächlich mindestens bis 2027 beim FC Bayern bleibt und er sich aus
seinen Doppelgängerauftritten weiterhin sein Studium plus möglicherweise
eine anschließende Dissertation finanzieren kann.
Unter den Spielern ist die Praxis ein offenes Geheimnis, doch
verständlicherweise möchte sich niemand von ihnen in offiziellen Medien
dazu äußern. Einzig Leon Goretzka, Herzchenheld der EM 2021, der erst seit
vier Jahren beim Dauermeister spielt und daher des Meisterjubels offenbar
noch nicht müde ist, äußerte sich einmal zur Frage eines Bloggers, ob es
stimme, dass einige Bayernspieler sich durch Doubles vertreten ließen.
Seine mehrdeutige Antwort lautete: „Wenn es niemandem schadet, soll jeder
sich die Freiheiten nehmen, die er braucht.“ Wollny, Hoffmann und ihre
Kollegen verdienen jedenfalls gut daran.
11 May 2022
## AUTOREN
Tanja Küddelsmann
## TAGS
Die Wahrheit
FC Bayern München
Betrug
Fußball
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Obst und Gemüse
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