# taz.de -- Pakistanische Geflüchtete: Urteile mit Copy-and-Paste | |
> Die religiöse Minderheit Ahmadiyya ist in Pakistan Angriffen ausgesetzt. | |
> Trotzdem schiebt Deutschland Menschen der Gemeinschaft ab. | |
Bild: Mit Schlüsselbändern weisen die Ahmadiyya Muslims auf ihre Religionsgem… | |
BERLIN taz | Seit sieben Jahren lebt Mubarak Ahmad in Deutschland. Im März | |
2015 kam er in Flörsheim an. Vor seiner Ankunft arbeitete er als | |
Dienstleister eines Mobilfunkunternehmens und stellte sich mit seinen 50 | |
Jahren auf ein langfristiges Leben in Deutschland ein. Am 10. Mai soll ihn | |
ein Flieger zurück nach Pakistan bringen. Neben ihm werden zwei weitere | |
Geflüchtete sitzen: Tariq Mahmood, der seit November 2015 in Deutschland | |
lebt, und Nadar Rehman, der im Februar 2016 ankam. Auch ihre Asylanträge | |
wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. | |
Dabei ist Ahmad nicht grundlos aus Pakistan nach Deutschland geflohen. | |
Ahmad, Mahmood und Rehman gehören der [1][religiösen Gemeinschaft | |
Ahmadiyya] an. Ahmadi sind eine muslimische Minderheit, die im 19. | |
Jahrhundert in Britisch-Indien entstanden ist und sich insbesondere durch | |
ihren Glauben an den Messia Mirza Ghulam Ahmad [2][von orthodoxen | |
Muslim:innen unterscheidet]. | |
Im September 1974 verabschiedete das pakistanische Parlament nach einer | |
Reihe von Anschlägen und Angriffen auf die islamische | |
Minderheitengemeinschaft eine Verfassungsänderung. Durch diese Änderung | |
wurden Ahmadi, die sich selbst als Muslim:innen bezeichnen, zu | |
Nicht-Muslim:innen erklärt. Ihnen wird ihre religiöse [3][Zugehörigkeit zum | |
Islam aberkannt], ihre Religionsstätten dürfen sie nicht als Moscheen | |
bezeichnen. Da ihnen ihr Status als Muslim:innen aberkannt wird, ist es | |
laut BAMF „praktisch unmöglich“, an Wahlen teilzunehmen oder sich in der | |
Politik einzubinden. | |
Mit der Verfassungsänderung nahmen auch [4][Angriffe auf Ahmadi] zu – wie | |
ernst die Lage ist, betont Suleman Malik vom International Human Rights | |
Committee (IHCR): „Es geht hier um Leben und Tod“, erklärt er gegenüber d… | |
taz. „Diese Menschen werden in Pakistan als Verräter gesehen, sie haben | |
dort keine Perspektive.“ Malik erklärt, dass es in der Vergangenheit Fälle | |
von abgeschobenen Ahmadi gegeben haben soll, die nach ihrer Ankunft in | |
Pakistan ermordet worden sind. | |
## BAMF erkennt religiöse Verfolgung und Angriffe an | |
Auch das BAMF erkennt in einem Länderreport über Pakistan vom Mai 2020 an, | |
dass die pakistanische Verfassung die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft nicht | |
als Muslim:innen anerkennt. Ferner, dass ihre freie Glaubensausführung | |
durch die pakistanische Gesetzgebung „erheblich eingeschränkt“ ist. | |
Dabei schreibt das BAMF von wiederholten „Übergriffen auf Einzelpersonen“ | |
sowie „Angriffe auf Gebetsstätten“ und Tötungen von drei Ahmadis im Jahr | |
2019, gefolgt von zahlreichen weiteren Angriffen. Auch von der staatlichen | |
Seite werden Tötungen in Form von Hinrichtungen ausgeführt. Im selben Jahr | |
befanden sich drei Ahmadi im Todestrakt wegen angeblicher Blasphemie. | |
Abgelehnt werden die Asylanträge der Schutzsuchenden hierzulande trotzdem. | |
Das BAMF erklärt dazu, dass der „weitaus größte Teil der Ahmadis friedlich | |
mit den muslimischen Nachbarn zusammenlebt.“ Ferner schreibt die | |
Pressesprecherin des BAMF gegenüber der taz, dass es sich beim | |
Asylverfahren um eine Einzelfallprüfung handelt, sodass die Herkunft aus | |
einem bestimmten Land „nicht automatisch zu einem Schutzstatus“ führt. | |
Relevant sei das „individuelle Verfolgungsschicksal“. | |
## Hoffnung auf Neubewertung | |
Derweil merkt Malik an, dass sich die Ablehnungen seit 2015 häufen. „Es | |
ist, als würden sie die Urteile copy-pasten“, so Malik. Er setzt Hoffnung | |
auf die neue grüne [5][Außenministerin Annalena Baerbock]: „Wir fordern | |
einen zügigen Dialog, damit man die Lage in Pakistan neu bewertet. Wir | |
brauchen eine Reform des Migrationsrechts.“ | |
Verständnis für die Überlastung der Behörden hat Malik. Er betont aber, | |
dass „nicht mit zweierlei Maß“ gemessen werden darf, was die Situation von | |
Geflüchteten angeht. „Alle Geflüchteten sollen integriert werden. Für | |
Menschen, die schon jahrelang hier leben, soll die Integration zusätzlich | |
beschleunigt werden.“ Dem hessischen Flüchtlingsrat zufolge leben in | |
Deutschland etwa 40.000 Ahmadi. Malik zufolge droht 500 von ihnen eine | |
Ausweisung. | |
10 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Jahrestreffen-der-Ahmadiyya/!5533814 | |
[2] /Islamisches-Theologie-Institut-in-Hessen/!5077105 | |
[3] /Minderheit-in-Pakistan/!5084743 | |
[4] /Terror-gegen-religioese-Minderheiten/!5397360 | |
[5] /Bundesaussenministerin-Baerbock/!5818699 | |
## AUTOREN | |
Shoko Bethke | |
## TAGS | |
Pakistan | |
Asyl | |
Islam | |
Deportation | |
Flüchtlingscamp Oranienplatz | |
Geflüchtete | |
Ahmadiyya | |
Muslime in Deutschland | |
Pakistan | |
Björn Höcke | |
Ahmadiyya | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Diskriminierung von Ahmadiyya-Muslimen: Ein TikTok-Account voller Hass | |
Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde ausgegrenzt und kriminalisiert. In | |
Pakistan – und auch in Deutschland. Eine Geschichte nicht nur aus Fritzlar. | |
Stornierung des Abschiebeflugzeugs: Nur vorübergehend frei | |
Aufgrund technischer Flugprobleme sind pakistanische Geflüchtete | |
kurzfristig auf freiem Fuß. Grund für Jubel ist das aber nicht. | |
Flyer gegen Muslim-Hass: Wir sind die Guten | |
Die friedliebende Ahmadiyya-Gemeinde macht aus ihrer Rolle als Minderheit | |
der islamischen Minderheit eine Tugend | |
Islamisches Theologie-Institut in Hessen: Die muslimischen Pioniere | |
Die Ahmadiyya-Gemeinde ist eine kleine Reformbewegung im Islam. Jetzt | |
eröffnet sie in Hessen ein eigenes „Institut für islamische Theologie und | |
Sprachen“. | |
Minderheit in Pakistan: Staatlich verordnete Diskriminierung | |
Die Minderheit der Ahmadiyya werden in Pakistan seit Jahrzehnten verfolgt. | |
Nach einer Verfassungsänderung wurden sie gar zu Nicht-Muslimen erklärt. |