# taz.de -- Bewaffnete Konflikte um Ressourcen: Klima macht Krisen | |
> Konflikte um Lebensgrundlagen nehmen nicht nur in der Sahelzone zu. | |
> Deutsche Stabilisierungspolitik muss hier ansetzen – stärker als bisher. | |
Bild: Ein Bauer hält einen geschädigten Maiskolben in der Hand | |
Bewaffnete Konflikte im Zusammenhang mit der Klimakrise erscheinen uns oft | |
als abstrakte Bedrohung. Doch für Youssouf, einen jungen Hirten in | |
Zentralmali, sind sie bereits Realität. Er ist mit dem Vieh seiner Familie | |
unterwegs, um Weideland zu finden, und er spürt am eigenen Leib, was wir | |
aus wissenschaftlichen Analysen wissen: In Mali ist es heißer, der Regen | |
weniger vorhersehbar als früher. | |
Auch Bauern haben in Mali Probleme, ihre Familien zu ernähren. Sie | |
betreiben deshalb vermehrt Ackerbau auf dem Land, auf das Youssouf und | |
andere Männer seines Stammes ihr Vieh zum Weiden bringen. Dies führt zu | |
Auseinandersetzungen, die oft in Gewalt münden. Verschärft wird die | |
Situation durch bewaffnete Dschihadisten, die in der Region unter | |
marginalisierten Gruppen rekrutieren. Besonders Hirten werden daher sowohl | |
vom malischen Militär als auch von Bauern als zumindest potenzielle | |
Dschihadisten behandelt. | |
Gewalt zwischen Bauern und Hirten ist nur einer von vielen Konflikten um | |
natürliche Ressourcen, die in Mali zunehmen. Weil Bauern zunehmend | |
Pestizide und Düngemittel einsetzen, leiden Binnenfischer unter dem Abfluss | |
von Chemikalien. Diese Problematik wiederum wird durch seltenere und | |
heftigere Regenfälle, eine weitere Folge der Klimakrise, verschärft. Statt | |
zur Lösung beizutragen, verschärft die Regierung derlei Konflikte oft durch | |
Korruption und eine Politik des „Teile und herrsche“. | |
Alltägliche Konflikte um Lebensgrundlagen prägen viele Regionen, mit | |
fortschreitender Erderwärmung werden sie zunehmen. Das zeigt nicht nur | |
der jüngste IPCC-Bericht, sondern auch eine neue Prognosestudie, die wir | |
kürzlich mit Datenanalysten der US-Firma Good Judgment erarbeitet haben. | |
Aber noch erreichen solche Konflikte meist nicht die Schwelle eines Krieges | |
und der damit verbundenen globalen Aufmerksamkeit. | |
Auch in [1][Mali] ignoriert die politische Klasse diese Herausforderungen | |
auf Ebene der menschlichen Sicherheit und konzentriert sich auf die eigene | |
Sicherheit. Nach Protesten der Bevölkerung hat 2020 das Militär (wieder | |
einmal) die Macht im Land übernommen. Wahlen und die Rückkehr zu einer | |
zivilen Regierung sind nicht in Sicht. Hinzu kommt der Kampf gegen | |
bewaffnete Dschihadistengruppen, dessen Verlauf von schweren | |
Menschenrechtsverletzungen begleitet wird: So berichteten zuletzt | |
verschiedene Medien über ein Massaker bei Mouro, bei dem Ende März mehr als | |
200 Menschen von Regierungssoldaten und Söldnern der russischen | |
Wagner-Truppe getötet worden sollen sein. Dies verkompliziert nicht zuletzt | |
die Frage, ob und wie Deutschland weiterhin an den multinationalen Schutz- | |
und [2][Ertüchtigungsmissionen] in Mali teilnehmen kann und sollte. | |
Viele Auslandseinsätze der Bundeswehr in den vergangenen Jahren ordneten | |
sich explizit oder implizit in den globalen „Krieg gegen den Terrorismus“ | |
ein. Das ist jedoch ein denkbar schlechter Ausgangspunkt für Missionen in | |
fragilen Gesellschaften, in denen der Kern der Konflikte letztlich oft | |
Marginalisierung und Entrechtung von Teilen der Gesellschaft sind – was | |
dschihadistische Gruppen gern ausnutzen. Unsere Forschung zeigt auch in | |
anderen Ländern der Sahelzone, dass ausländische Militärinterventionen oft | |
als Ursache und nicht als Lösung für die Rekrutierung bewaffneter Milizen | |
gesehen werden. Der viel strapazierte Hinweis, dass es keine militärische, | |
sondern nur eine politische Lösung geben könne: In der Sahelzone ist er | |
angebracht, weil das Grundproblem ein Mangel an Vertrauen zwischen | |
politischem Zentrum und Peripherie ist, wo Staat und Regierung als | |
ausbeuterische Unterdrücker wahrgenommen werden – und es oft auch sind. | |
Das bedeutet für Deutschland und seine europäischen Partner, dass eine | |
weitere Unterstützung malischer Sicherheitskräfte nur in dem Maße sinnvoll | |
ist, wie dadurch konstruktive politische Prozesse unterstützt werden | |
können. Im Sahel kann stärkere Resilienz gegen die Klimakrise dabei ein | |
wichtiger Ansatz sein. Technische Ansätze, wie der Ausbau und die | |
Modernisierung des nationalen Wetterdienstes, könnten in Mali einen Beitrag | |
zu größerer Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimawandelfolgen leisten. | |
Geberländer wie Deutschland sollten ihre Programme überdies darauf | |
ausrichten, marginalisierte Bevölkerungsgruppen bei der Anpassung an den | |
Klimawandel zu unterstützen. Das kann helfen, die Beziehungen zwischen | |
konkurrierenden Bevölkerungsgruppen wie auch zwischen Staat und | |
Gesellschaft zu verbessern. Die militärische Bekämpfung von | |
[3][Dschihadisten] mag notwendig sein, macht aber nur als Teil einer | |
größeren Strategie Sinn, die allen Gruppen der Gesellschaft mehr Mitsprache | |
und Rechte ermöglicht. Afghanistan hat gezeigt, wie ein fortgesetztes | |
Primat militärischer Aufstandsbekämpfung ins Leere führt. | |
Die deutsche Stabilisierungspolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte im | |
Globalen Süden muss auf den Prüfstand. Es ist gut, dass die | |
AußenministerInnen der G7-Staaten bei ihrem jüngsten Treffen eine Erklärung | |
verabschiedet haben, welche die Auswirkungen der Klimakrise als Bedrohung | |
für Frieden und Stabilität anerkennt. Doch der Fokus auf Krisenprävention | |
muss systematisch gestärkt werden, damit uns zukünftige Krisen nicht | |
überfordern. Gerade die G7-Staaten können und sollten hier eine | |
Führungsrolle spielen. | |
Die Erfahrungen der Stabilisierungseinsätze zeigen, dass sich die von der | |
Bundesregierung angekündigte Zeitenwende in der Außenpolitik nicht in der | |
Aufstockung des Verteidigungsbudgets und einer realistischeren | |
Russlandpolitik erschöpfen sollte, auch wenn beides notwendig ist. In | |
seiner östlichen Nachbarschaft hat Deutschland die Bedeutung militärischer | |
Macht systematisch unterschätzt. Eine zweite Lektion der vergangenen | |
Jahrzehnte sollte sein, dass der Westen die Wirkung derselben im Globalen | |
Süden über- und falsch eingeschätzt hat. Beides muss sich ändern. | |
21 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Janani Vivekananda | |
Benjamin Pohl | |
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